Dharana – Konzentration im Yoga
Dharana (Sanskrit, धारणा, dhāraṇā, von dhri, unterstützen, tragen, halten) steht für die Konzentration des Geistes auf ein einzelnes Objekt. Dharana bezeichnet damit im Raja Yoga nach Patanjali die 6. Stufe vom achtgliedrigem Pfad.
In den ersten fünf Stufen geht es darum, den Geist ruhiger werden zu lassen. Dharana – Konzentration – ist die erste Stufe des inneren Pfades und wird gefolgt von Dhyana (Meditation) und Samadhi (überbewusster Zustand). Die Abfolge Dharana – Dhyana – Samadhi wird auch Samyama genannt und bildet laut Patanjali die Grundlage für viele spirituelle Entwicklungen (siehe dritte Kapitel des Yogasutra).
In Dharana richtet der Übende seinen Geist auf ein Objekt aus, in der Meditation zumeist auf die Atmung. Es werden mehrere Grade der Konzentration unterschieden, je nach Ziel der Übung wird ein umfangreiches Randbewusstsein aufrechterhalten (im Buddhismus präferierte Meditationsweise) oder sich völlig auf das Objekt konzentriert.
In Dharana wird die Konzentration willentlich aufrechterhalten, in Dhyana, der Meditation, bleibt sie ohne Anstrengung bestehen.
Dharana in alten Schriften
Die fünf Dharanas [Fixierungen] in der Gheranda Samhita
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 57
Ich habe dir das Mudra von Shambhavi gelehrt. Jetzt höre die fünf Dharanas [Fixierungen]. Durch das Üben der Dharanas ist dem Yogi alles auf der Erde möglich.
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 58
Der Yogi kann dadurch in seinem sterblichen Körper die himmlischen Bereiche [Svargaloka] besuchen und wieder verlassen; er kann sich so schnell wie die Gedanken bewegen und hat die Kraft [Fähigkeit], durch den Äther [die Luft] zu reisen. Es gibt keine andere Möglichkeit, dies zu erreichen [nicht anders].
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 59
Das Erdelement [Prithivi-Tattva] leuchtet wie ein Stück Rauschgelb [meint: goldgelb, bersteinfarben] und enthält die Silbe Lam [als geheimes Symbol oder Samen]. Es wird von Brahmān begleitet [als vorsitzende Gottheit], ist quadratisch und liegt im Herzen. Der Yogi sollte dort zweieinhalb Stunden lang [die Zeit von fünf Ghatikas] seinen Atem [mit Kumbhaka] und seine Gedanken [Chitta] festhalten. Das ist die Erdfixierung, genannt Adhodharana; damit erobert der Yogi die Erde und kein Element der Erde kann ihn verletzen. Zudem bringt es ihm Beständigkeit [z.b. um längere Zeit zu sitzen].
Die Erdfixierung wird in "Fakire und Fakirtum" als Parthividharana Mudra bezeichnet. Folgender Vers ist dort zusätzlich zu finden:
- Wer Parthividharana Mudra beständig ausführt, der wird selbst zum Todesbesieger und wandelt als Vollendeter auf Erden.
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 60
Einem Muschelhorne oder dem Mond ähnlich, weiß wie Jasmin, hinreichend glänzend, mit dem Buchstabe V [andere Übersetzung: der Silbe Vam] als Symbol ihres [glücksverheißenden] Nektars versehen, stets in Verbindung mit Vishnu [Gottheit] – so ist das Wesen der Wasserfixierung Ambhasi. Wenn man dabei 2,5 Stunden [fünf Ghatikas] den Atem samt dem Denken verborgen festhält [andere Übersetzung: das Wasserelement zwei Stunden lang mit Prana und dem Denken verschmelzen lässt], so ist das Ambhasi Dharana, die unerträgliche Leiden und Sünden fortspült.
Ergänzende(r) Vers(e) u.a. in "Fakire und Fakirtum":
- Der Yogi-Wissende, der diese so hohe Ambhasi Dharana versteht, findet selbst in tiefem und grausigen Wasser nicht den Tod.
- Diese höchste Mudra aber ist sorgfältig geheim zu halten; wird sie weitererzählt, schwindet die Vollendung; wirklich, ich spreche die Wahrheit.
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 61
Das Feuer-Tattva findet sich am Nabel, ähnelt in der Farbe einem Leuchtkäfer, seine Form ist dreieckig, es besteht aus Glut, leuchtend rot; sein Symbol ist Ram [ra, Buchstabe R]; die verbundene Gottheit ist Rudra, es verleiht Erfolg [Vollendung]. Fixiere das Prana mitsamt dem Chitta [Geist, Denken] in diesem Tattva [Element] für 2,5 Stunden [fünf Ghatikas] – das ist die Feuer-Dharana, Zerstörerin der Furcht vor dem Tod, Feuer kann dem Yogi nichts mehr anhaben.
Ergänzende(r) Vers(e) u.a. in "Fakire und Fakirtum":
- Wenn der Praktizierende in brennendes Feuer geworfen wird, durch die Kraft dieses Mudra bleibt er am Leben, ohne Angst vor dem Tod.
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 62
Das Luftelement [Vayavi Tattva] hat die Farbe schwarz wie Augensalbe, es ist von rauchfarbigem Aussehen und besteht aus Sattva [sattvische Qualität]. Die zugehörige Silbe ist Yam [alternativ: Buchstabe Ya oder Y], die zugeordnete Gottheit ist Ishvara. Fixiere das Prana mit dem Chitta [Geist, Denken] für 2,5 Stunden [fünf Ghatikas] in diesem Element. Das ist Vayavi Dharana, welche den Yogi durch die Luft wandeln lässt.
Ergänzende(r) Vers(e) u.a. in "Fakire und Fakirtum":
- Dieses höchste Mudra vernichtet Alter und Tod, man stirbt nicht durch Winde; Sie spendet das Wandeln in der Luft. Du sollst es vor den Profanen geheim halten, ansonsten zerstörst du seine Wirkung; Oh Chanda, das ist wirklich die Wahrheit.
Gheranda Samhita, Kapitel III, Vers 63
Das Äther-Element hat die Farbe von reinem Meereswasser. Es hat als Gottheit Sadashiva und als Silbe Ham [alternativ: Buchstabe ha oder den Laut h] zur Seite. Fixiere das Prana mit dem Chitta [Geist, Denken] für 2,5 Stunden [fünf Ghatikas] in diesem Element. Das ist die Äther-Darana. Sie öffnet die Torflügel zur Erlösung.
Ergänzende(r) Vers(e) u.a. in "Fakire und Fakirtum":
- Wer die Mudra Akasi Dharana kennt, der ist ein wahrer Yogi. Der Tod wird ihn nicht ereilen, noch wird er beim Weltuntergang [Pralaya] vergehen.
Im Yoga Sutra von Patanjali
Yoga Sutra II-29: Die acht Glieder des Yoga-Weges sind: Yama (Umgangsregeln), Niyama (Enthaltungen), Asana (Stellungen), Pranayama (Atemregulierung), Pratyahara (Sinnesrückzug), Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Erleuchtung)
Yoga Sutra II-53: Und der Geist wird fähig zu tiefer Konzentration
Yoga Sutra III-1: Durch Ausrichtung des Geistes auf ein Objekt entsteht Konzentration (Dharana)
Yoga Sutra III-2: Wenn die Wahrnehmung des Objektes ungebrochen fließt, ist es Dhyana (Meditation)
Yoga Sutra III-4: Die drei (Dhahrana, Dhyana, Samadhi) zusammen auf ein Objekt oder einen Ort angewendet wird Samyama genannt