yama niyama-āsana prāṇāyāma pratyāhāra dhāraṇā dhyāna samādhayo-'ṣṭāvaṅgāni
यमनियमासनप्राणायामप्रत्याहारधारणाध्यानसमाधयोऽष्टावङ्गानि
Mit dieser Sutra beginnt der „praktische“ Teil des Yogasutras. Patanjali beginnt ab hier, den achtfachen Yogapfad zu erläutern, für viele der bedeutsamste Teil des Yoga Sutras. Patanjali nennt an dieser Stelle allerdings nur 7 Stufen, den die achte Stufe – Samadhi – ist schon „Yoga“. Ziel erreicht.
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:
- Yama = Selbstbeschränkungen, ethisch–moralische Regeln; Ratschläge bzw. Vorschriften zum Umgang mit anderen; „äußere“ Regeln; externe Disziplin;
- Niyama = Regeln, Disziplin; Ratschläge/Vorschriften für das private Leben; „innere“ Regeln; Empfehlungen zum Umgang mit einem selbst; interne Disziplin;
- Asana, âsana = Stellung; Haltung; Sitzhaltung;
- Pranayama, prânâyâma = Atembeherrschung; Atemübungen; Kontrolle der Lebensenergie; Atemregulierung;
- Pratyahara, pratyâhâra = Zurückgezogenheit; Zurückziehen der Sinne; Beherrschung der Sinne;
- Dharana, dhâranâ = Konzentration, „sich auf einen Mittelpunkt beschränken“, Festhalten eines Gedankens, Objektes im Geist;
- Dhyana, dhyâna = Meditation, Kontemplation, „Beobachtung eines Gebietes“; meditative Absorption;
- Samadhi, Samadhaya, samâdhaya = überbewusster Zustand; tiefe Versenkung; Erleuchtung; Ziel des Yogaweges; Einheit; Integration;
- Ashta, astau = acht;
- Anga, Angani , angâni = Glieder; Teile; Stufen; Komponenten; Gliedmaßen;
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?
Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
3. Wo wir stehen
Hier findest du eine kurze Zusammenfassung des 2. Kapitels des Yogasutras bis hierher:
Yoga Sutra - 2. Kapitel - bis hierher
Wir befinden uns im zweiten Kapitel des Yogasutra von Patanjali. Es handelt von der „Praxis“. Patanjali beginnt das Kapitel mit dem Versprechen, dass Yoga die Leiden des Yogis vermindere und (irgendwann) zu Samadhi, zur allumfassenden Freiheit führe.
In Sutra II-3 bis II-11 schildert Patanjali die fünf Haupt-Hindernisse auf dem Yogapfad, die sogenannten Kleshas (Unwissenheit, Anhaftung, Ablehnung, Ego, Lebensdrang). Erste Wege zur Überwindung der Hindernisse werden angerissen (Gegenschöpfung, Meditation).
Sutra II-12 bis II-15 handeln von Karma (Folgen von Handlungen und Gedanken, die aufgrund der Kleshas geschehen) und dem inhärenten Leid von allem und jedem in dieser Welt. Grundübel ist dabei unsere Identifikation mit dem, was wir nicht sind.
Dann geht es bei den Sutras weiter mit den Schritten, das Leiden zu besiegen. Patanjali sieht es als „die“ Aufgabe des Yogis an, den Unterschied zwischen Sehenden und Gesehenem zu erkennen. Nach und nach sollte diese Erfahrung kultiviert und ausgebaut werden. So gelange man zur Freiheit – Kaivalya (auch mit „letzter Freiheit“, Isoliertheit (Alleinheit), höchster Befreiung oder „vollkommener Erlösung“ übersetzt.
Nachdem Patanjali in den Sutras II-18 und II-19 über Prakriti, die Natur/unsere Welt, gesprochen hat, geht er dann auf deren Beobachter, den Seher (Purusha) und dessen Wahrnehmung ein. Von Sutra II-20 bis Sutra II-27 erläutert Patanjali Grund und das Zustandekommen unserer Existenz, wie die Unwissenheit unser Dasein bestimmt und dass Viveka Khyati, die Unterschreidungskraft oder unterscheidende Wahrnehmung, dauerhaft angewendet unsere Unwissenheit beendet. In den Sutras II-28 bis Sutra III-8 gibt Patanjali die konkrete Praxisempfehlung Ashtanga Yoga, um unser falsches Bild von der Welt – das Leid verursacht und unsere Befreiung verhindert – auch ohne großes spirituelles Talent zu überwinden.
Hier werden nun die acht Glieder benannt.
4. Die acht Glieder des Ashtanga Yoga
4.1. Die vorbereitenden Stufen
- Yama: Empfehlungen zum Umgang mit den Mit-Lebewesen.
- Niyama: Regeln für das eigene Leben.
4.2. Die Übungen
- Asana: Haltung. Stabiler und entspannter physischer Körper.
- Pranayama: Atemkontrolle. Die Arbeit mit den Energien im Körper, Kontrolle der Lebensenergie.
- Pratyahara: Rückzug. Frieden mit den Gefühlen.
4.3. Stufen der Meditation
- Dharana: Konzentration. Ausrichtung der Gedanken. Vorstufe der Meditation.
- Dhyana: Die eigentliche Mediation. Desikachar schreibt: „Die Fähigkeit, unseren Geist kontinuierlich in einer Verbindung mit dem, was wir verstehen wollen, verweilen zu lassen.“
- Samadhi: Tiefe Versenk und Ziel des Yoga.
5. Stufen oder vielmehr Glieder? Bauen die sieben Teile aufeinander auf?
Hierüber herrscht Uneinigkeit. Einige Yogalehrer und Kommentatoren (z. B. Swami Vishnu-Devananda) meinen, man solle alle sieben Stufen (im Sinne von „Glieder“) parallel üben, um möglichst rasch zu Samadhi zu gelangen. So wird Yoga auch üblicherweise hier im Westen gelehrt.
Exemplarisch für diese Ansicht schreibt Desikachar: „Es wird hier nicht eine bestimmte Abfolge von Schritten beschrieben, vielmehr werden die individuellen Neigungen und Fähigkeiten eines Menschen darüber entscheiden, welche Schritte zu welcher Zeit zu seiner Entwicklung das Beste beitragen können.“ Die acht Glieder seien als „Einheit“ zu betrachten – alle wachsen gemeinsam aneinander beim jeweiligen Üben.
Andere (Iyengar, Swami Vivekananda, Vyasa ...) halten (zumindest zu Beginn der Yogapraxis) ein stufenweises Vorgehen für empfehlenswerter, wie es das Wort bhūmiḥ (= Stufe) impliziert. Wie die Treppe eines mehrstöckigen Hauses wird jede Ebene des Yogapfades erklommen um irgendwann nach ganz oben, zum Samadhi, zu gelangen.
So auch zu lesen in der Yoga-Bhashya-Vivarana (2.29) von Shankara aus dem 8. Jhd. n. Chr.:
„Nachdem sich ein yogin durch die stete Ausübung von moralischer Disziplin (yama) und Selbstbeherrschung (niyama) qualifiziert hat, kann er zu Yoga-Stellungen und anderen Methoden übergehen.“
5.1. Einen Kompromiss
... aus diesen beiden Anschauen erläutert Iyengar: „So sind Asana, Pranayama und Pratyahara zwar wohlunterschiedene Disziplinen, aber erst durch ihre Wechsel- und Abhängigkeitsbeziehungen können die verborgenen Seiten des Yoga zum Ausdruck kommen.“ Die Stufenfolge sei aber schon so zu verstehen, dass man mit jeder Stufe höher in der „Kunst des Yoga“ aufsteige.
Wie siehst du es: Stufen oder Glieder?
6. Individuelle Bemühung – universale Natur
Laut Iyengar stehen die ersten fünf Stufen (Yama bis Pratyahara) für individuelle Anstrengung zur Entwicklung des Bewusstseins, die Stufen Konzentration, Meditation und Samadhi hingegen für eine Manifestation der universalen Natur des Yoga – yoga svarupa.
7. Alles Praxis, keine Theorie
R. Palm verweist auf den interessanten Umstand, dass sich keines der acht Glieder theoretisch ausführen lässt. Alles ist pure Praxis.
8. Zusammenfassung
Was Patanjali hier in Sutra II-29 in knappen Worten von uns fordert ist nicht weniger als ein Arbeiten an uns selbst auf allen Ebenen. Ob diese Ebenen gleichzeitig bearbeitet werden oder besser nacheinander wird unterschiedlich diskutiert. R. Skuban ermuntert: „ Weil ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen besteht und weil oft das eine nicht ohne das andere geht, müssen wir auch nicht warten, erst einen Schritt perfektioniert zu haben, bevor wir den nächsten gehen.“ (S. 114)
8.1. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
9. Übung zu Yoga Sutra II-29
Übungsvorschlag für die kommende Woche zu Sutra II-29:
Erstelle dir einen Übungsplan für die kommenden Wochen, der die ersten sieben Elemente des Ashtanga Yoga enthält. Die achte Stufe, Samadhi, liegt (vermutlich) weniger in deiner Hand und kann sich irgendwann in tiefer Meditation einstellen.
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10. Videos zu Sutra II-29
In den Tabs finden sich Videos zu dieser Sutra.
{tab Sukadev}
Yoga-Vidya Video zu Sutra II-29:
Desikachar Video zu Sutra II-28-29:
{tab Nayaswami Asha}
Nayaswami Asha Video zu den Sutras II-29 bis II-30:
{tab Anand Krishna }
Anand Krishna zu den Sutras II-29 bis II-30:
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