Gheranda Samhita
Sanskrit: Das Sammelwerk des Gheranda – Geschrieben von Gheranda, einem Visnuverehrer (laut Eliade) aus Bengalen. Die Gheranda Samhita ist eine der vier wirchtigsten Ursprungsschriften des Hatha-Yoga. Sie enthält deutlich mehr Techniken als die Hatha-Yoga-Pradipika. In der Gheranda Samhita finden sich:
- 6 Reinigungsübungen in 11 Kriyas unterteilt, 60 Strophen
- 32 Asanas
- 25 Mudras in 100 Strophen
- 5 Pratyaharas in 5 Strophen
- 10 Pranayamas in 96 Strophen
- 3 Dhyanas
- 6 Samadhis
Der Kapitel-Aufbau der Gheranda Samhita weist Parallelen mit dem achtfachen Yoga-Pfad im Raja Yoga auf, wobei aber Yamas und Niyamas überhaupt nicht erwähnt werden. Die Gheranda Samhita beschreibt sieben Stufen, die mit der Reinigung des Körpers (Kriyas) beginnen und mit dem höchsten Samadhi enden.
Ursprung
Die Gherandasamhita stammt vermutlich aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, es gibt aber auch Theorien, derenzufolge sie bereits im 13. Jhd. verfasst worden sein könnte. Das am frühesten datierte und erhaltene Manuskript stammt von 1802, die erste bekannte Ausgabe von Bhuvanan Chandra Vasaka in Kalkutta aus dem Jahre 1877.
Man kann sagen, dass in der Gheranda Samhita die Hatha Yoga Praktiken im Vergleich zu den anderen drei Haupt-Hatha-Schriften am gründlichsten beschrieben werden.
Es werden auch mehr Praktiken als in allen anderen Schriften erläutert. Moderne Ausgaben umfassen sieben Kapitel und 351 Verse. Einige der Verse finden sich nahezu wortgleich in der Pradipika und anderen Yoga-Schriften.
Obwohl eindeutig eine Hatha-Yoga-Schrift, findet sich das Wort "Hatha" nur einmal im Prolog zum ersten Kapitel. Stattdessen wird der Stil als "Ghatastha Yoga" bezeichnet. Später wurde "ghatah-yogah", was eigentlich "körperlicher Yoga" heißt, als ""hatha-yogah" (= Kraft/Gewalt – Yoga oder Verdindung aus hah = Sonne und tha = Mond) gedeutet.
Einige Quelltexte
- Boris Sacharow übersetzte zuerst die Gheranda Samhita auf deutsch unter dem Titel "Das große Geheimnis". Eine weitere Ausgabe erschien 1921 unter dem Titel "Fakire und Fakirtum“, hier im Internet findet sich ein Volltext.
- Sehr gute Übersetzung des ersten Kapitels hier als PDF.
- Diese günstige Buch-Ausgabe ist leider mit eklatanten Fehlübersetzungen versehen (so sehe zumindest ich das) und kann von mir deswegen nicht empfohlen werden.
- Im Buch "Fakire und Fakirtum" findet sich eine fast vollständige Übersetzung
- Illustrationen zu den Versen
- Internet-Vollausgabe in Englisch.
Die Gheranda-Samhita in der Zusammenfassung
Im Folgenden findest du teilweise den Volltext, teilweise Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel mit zahlreichen Links zu den Yoga-Techniken aus der Gheranda-Samhita. Ich habe mich nach bestem Wissen bemüht, die trefflichste Übersetzung aus den Quelltexten zu wählen (hin und wieder gab es darin doch deutliche Unterschiede, wurden die Übungen völlig unterschiedlich beschrieben).
Erzählform: Die Gheranda Samhita ist in Form eines Dialoges verfasst. Der Lehrer Gheranda unterweist den wissbegierigen Candakapali. Das erste Kapitel startet mit der aus der Pradipika bekannten Begrüßung: Gheranda verneigt sich vor dem Urgott, der Hatha-Yoga-Wissen gelehrt hat, welches für den, der den Raja Yoga zu erlernen wünscht, wie eine Leiter wirkt.
Weiterlesen: 1. Kapitel Gheranda Samhita: Shatkarma – Praxis der sechsfachen Reinigung
Gheranda Samhita, Kapitel II, Vers 1: Hier fällt die Zahl 8 Millionen und 400 Tausend Asanas (so viele wie Tierarten ...) gebe es. Gott Shiva persönlich soll sie ursprünglich gelehrt haben. Jedoch nur 84 seien hervorragend (richtig), und davon seien 32 für den Menschen nützlich ("der Menschheit heilbringend"). Diese 32 werden im Kapitel 2 der Gheranda Samhita näher beschrieben.
Weiterlesen: 2. Kapitel Gheranda Samhita: Asana - die Körperstellungen
Das dritte Kapitel der Gheranda Samhita widmet sich den Mudras. Gheranda schreibt: Es gibt nichts auf der Welt, dass so schnellen Erfolg im Yoga bringt wie die Mudras. Obwohl diese "unbedingt geheim gehalten" werden sollen, beschreibt er 25 davon doch recht ausführlich ...
Das vierte Kapitel erläutert den nächsten (fünften) Schritt im achtfachen Yoga-Pfad: Pratyahara. Dieser Sanskrit-Begriff steht für Rückzug, Zurückziehung, Vernichtung. Gemeint ist der Rückzug der Sinne von den (äußeren) Objekten. Gheranda beschreibt in diesem Kapitel die möglichen Sinnesablenkungen.
Das fünfte Kapitel der Gheranda Samhita widmet sich den yogischen Atemtechniken: Pranayama. Gleich im ersten Vers wird das Resultat ausdauernder Pranayamaübung klar benannt: Der Praktizierende wird gottgleich.
Prana steht im Yoga für Lebensenergie. Meist werden beim Pranayama zwei Ziele verfolgt:
- Mehr Lebensenergie zu erhalten.
- Den Geist zu beruhigen und zu sammeln.
Immer wieder, so auch hier, wird vor dem allzu sorglosen Üben von Pranayama gewarnt. Zu fatal können die Auswirkungen von falschem und allzu heftig durchgeführten Atemübungen sein. Darum wird immer die Schulung durch einen fachkundigen Lehrer angemahnt.
Aus meiner Sicht spricht aber nichts dagegen, die sanften Atemtechniken mit dem primären Ziel des ruhigen Geistes zu üben. Diese sind Bestandteil vieler spiritueller Lehren und werden seit Jahrtausenden angewendet.
Die einzelnen Verse des fünften Kapitels der Gheranda Samhita lauten frei übersetzt:
Das sechste Kapitel der Gheranda Samhita widmet sich Dhyana. Dhyana wird in der Regel mit Meditation übersetzt und ist im achtgliedrigen Yoga-Pfad im Yogasutra von Patanjali die siebte Stufe auf dem Weg zur Erleuchtung. Danach folgt, wie auch in der Gheranda Samhita, der Samadhi.
Die folgende Yogaschulung enthält keinerlei Stellungen bzw. körperliche Übung mehr, sondern widmet sich der inneren, geistigen Praxis. Gheranda beschreibt drei verschiedene Meditationstechniken und nominiert, welche Meditationsart (mit deutlichem Vorsprung!) die Beste sei.
Das letzte Kapitel der Gheranda Samhita widmet sich dem Thema Samadhi: der Höhepunkt aller Yoga-Bemühungen, Einheit von Subjekt und Objekt, völlige Versenkung und tiefe Erkenntnis. Samadhi ist das letzte Glied im achtfachen Yogapfad, wie er im Yogasutra von Patanjali beschrieben wird.
Die Schriften unterscheiden verschiedene Stufen im und Wege zum Samadhi. Die Gheranda Samhita nennt sechs Pfade, die zur höchsten Erleuchtung führen sollen.
Die folgenden Abbildungen entstammen dem Buch "Fakire und Fakirtum - Yoga-Lehre und Yoga-Praxis nach den indischen Originalquellen" von Prof. Dr. Richard Schmidt aus dem Jahre 1907. Sie sind originalgetreu nachgezeichnet.