Mrgendra Tantra Yoga Pada (Auszüge, Kommentare)

  • Andere Namen: Mrgendratantra Yoga Pada, Mrigendra Tantra Yoga Pada; Mṛgendratantra Yogapâda; Yogapâda des Mṛgendratantra
  • Richtung: Shiva Tantra
  • Entstanden: um das 10. Jhd. nach Christus

Bei der Mrgendra Tantra Yoga Pada handelt es sich um eine frühe Yoga-Schrift, die den Yogapfad in 7 Schritte unterteilt und diese Schritte in eigenen Worten erläutert. Einige Aspekte (wie die Atemerweiterung) ähneln auffallend modernen Konzepten der Yogaauslegung.

Der Text enthält vier Kapitel:

  • Vidyapada - 13 Verse über Pashu, Pasha und Pashupati
  • Kriyāpāda
  • Caryapada
  • Yogapada - Beschreibung eines achtfachen Pfades konzentrativer Praxis

Narayana Kantha ergänzte diesen um einen Kommentar. Hier finden sich Textauszüg daraus sowie Auszüge aus Kommentaren der Autoren von "Roots of Yoga".

Mrgendra Tantra Yoga Pada

Inhalt: Mrigendra Tantra Yoga Pada (Auszüge, Kommentare)

Quellen für die folgenden Textauszüge

Mṛgendrāgama: Kriyāpāda, Ausgabe 23 von Publications de l’Institut français d’indologie, Verlag Institut Francais Dþindologie, 1962; Auszüge und englische Übersetzungen der Verse und Kommentare finden sich in Roots of Yoga

Übersetzer, Autor des übrigen Textes: Peter Bödeker

Punkt 1

1. Deutsche Übersetzung (Textauszüge) der Mrgendra Tantra mit einem Kommentar von Bhaṭṭa Nârâyaṇakaṇṭha

1.1. Yogi sein

Vers 2a:

Ein Yogi sein bedeutet, Selbst-Beherrschung erreicht zu haben.

Kommentar gemäß „Roots of Yoga“: Der Begriff "Yogi" bedeutet also, jemand zu sein, der notwendigerweise mit (yuj) der Manifestation seiner Natur verbunden ist. Anders ausgedrückt: Ein Yogi ist jemand, der den Shiva-Zustand erlebt. Dieser wird als Begleiterscheinung der Selbstbeherrschung gesehen. 

Vers 2b:

Dies ist nur möglich für jemanden, der seine Fähigkeiten [seine Sinne, seinen Geist ...] erobert hat.

Kommentar gemäß „Roots of Yoga“:  Einer, der es versäumt hat, alle seine Fähigkeiten unter Kontrolle zu bringen, ist nicht in der Lage, andere [weit weniger schwierige] Aufgaben zu erfüllen. Wie kann er dann ein Yogi werden? Dies erinnert an die Lehre von Manu (im Hinduismus der Stammvater der Menschen):

"Wenn ein Wagenlenker seine Pferde steuert, sollte ein weiser Mann danach streben, seine Fähigkeiten zu kontrollieren, während seine Sinne inmitten der verführerischen Sinnesobjekte herumstreifen."

Sanaka (einer der vier Kumaras - ursprüngliche Heilige - oder auch die geistgeborenen Söhne von Brahma) ergänzt:

"Wenn ein Mensch seine Sinne, seine Objekte, die subtilen Elemente und seinen Geist kontrolliert hat, wird er frei von jeglichem Verlangen und verschmilzt mit seiner endgültigen Identität."

Fazit: Wer seine Fähigkeiten kontrolliert, wird bald seine wahre Natur realisieren.

1.2. Das Yoga von sieben Hilfskräften

Vers 3:

„Atemverlängerung (prâṇâyâma), Rückzug, Fixierung (Konzentration), Meditation, Unterscheidung (vîkṣaṇa [= tarka]), Wiederholung von Mantras und Samâdhi. Dies sind die Hilfsmittel oder Hilfskräfte. Yoga selbst ist das achte, also das, dem die sieben vorigen dienen."

Die  angesprochenen Techniken sind also:

  1. Atemkontrolle
  2. Rückzug (Pratyahara)
  3. Fixierung (Konzentration)
  4. Meditation (Dhyana)
  5. Unterscheidung (Jnana Yoga)
  6. Mantra Rezitation (japa)
  7. Samadhi

Plus Yoga-Zustand

Kommentar gemäß „Roots of Yoga“: Das Mṛgendratantra bietet ein siebenfaches aṅga-Schema, das samādhi (oder vielleicht die Praxis von samādhi) einschließt, aber Yoga selbst, das als der Zustand von samādhi identifiziert wird, als eine Art ehrenvolles achtes aṅga hinzufügt, dem alle anderen untergeordnet sind (1.4.8).

1.3. Atemausdehnung

Wie wird eine Person zu "jemand, der seine Fähigkeiten erobert hat"? [Shiva] antwortet:

Vers 2 c,d

Man gelingt es, die eigenen Fähigkeiten allmählich zu erobern, indem man wiederholt die Atemzug-Verlängerung und die anderen [Yoga-Hilfsmittel] praktiziert.

Anmerkung: Das Wort śanaiḥ kommt im Sanskrit zweimal vor. Das Erste bedeutet "allmählich", das zweite „wiederholt“.

Kommentar gemäß „Roots of Yoga“: Man erreicht allmählich die Eroberung der eigenen Fähigkeiten, indem man die sieben Hilfsmittel des Yoga wiederholt praktiziert, beginnend mit der Atemausdehnung. Jeder von diesen wird unten definiert.

Atemzug-Verlängerung und die anderen Übungen sollten "wiederholt" durchgeführt werden, während einer "schrittweise" die Anzahl der Maßnahmen [d. h. wahrscheinlich ihre Dauer] erhöht. Vermutlich wird das hier extra erwähnt, um das Auftreten verschiedener Unpässlichkeiten durch zu großen Ehrgeiz (zu schnell viele Wiederholungen, gleich mit zu vielen Übungen beginnen) zu vermeiden. Zu den Unpässlichkeiten gehören Bauchschwellungen (durch das Windelement), Verstopfung und sogar Wahnsinn oder Verlust des Bewusstseins. 

Vers 4:

Der Atem (prāṇa) ist der bereits definierte vitale Wind (vāyu). Seine Ausdehnung (āyāma) ist die anstrengende Übung dieses Windes durch Ausstoßen, Einziehen und Halten. Seine Wirkung besteht darin, alle Mängel in den Fähigkeiten zu beseitigen.

Zur Atemverlängerung siehe u.a. die beiden folgenden Beiträge:

Beitrag: Yoga – wie atmen?

yoga wie atmen 564

Yoga: wie atmen? Das Geheimnis liegt in der Verfeinerung

Bei den indianischen Naturvölkern gibt es eine alte Weisheit:

"Der Atem ist das Pferd, der Geist ist der Reiter."

Man sieht: Nicht nur in der Yoga-Lehre spielt der Atem eine besondere Rolle. Doch Yogis haben früh erkannt, dass die Arbeit am und mit dem Atem besondere Effekte bewirkt, die den Yoga-Weg fördern und begünstigen. Auch im Alltag macht sich eine "Verbesserung" des Atmens vielfältig bemerkbar.

Doch was ist eine "Verbesserung" des Atmens gemäß der Yogalehre? Wie atme ich während der Yoga-Übungen und in meinem restlichen Leben richtig?

Wir folgen im Artikel den Aussagen und Empfehlungen der Yoga-Weisen – vom Yogasutra bis zum gerade erschienen Buch "Yoga – Die Geheimnisse liegen in der reduzierten Atmung". Dabei treffen zwei gegensätzliche Meinungen aufeinander.

Hier weiterlesen

Beitrag: Die Buteyko-Methode

Die Buteyko Methode lernen: Anleitung, Übungen und Hintergrund

Dr. Konstantin Buteyko entwickelte im 20. Jahrhundert in der damaligen Sowjetunion eine Therapie, die über eine Verringerung des Atemvolumens darauf abzielt, wieder zu einem natürlichen Atemvolumen zurückzukehren. Zunächst entwickelte er seine Methode vor allem für Asthmatiker. Später erweiterte er seine Sichtweise aufgrund zunehmender Erkenntnisse sogar dahingehend, dass alle Menschen von einer verlangsamten Atmung profitieren würden.

Im folgenden findest du die Buteyko-Methode beschrieben ► Schritt-für-Schritt Anleitung ► Übungen ►CP-Wert ►Ernährung ►notwendige Bewegung ► Buteyko für Sport und Yoga

Hier weiterlesen

Kommentar gemäß „Roots of Yoga“: Der vitale Wind ist ein einziger; aber aufgrund seiner verschiedenen Funktionen (Antrieb usw.) hat er fünf Aspekte. Diese fünf, beginnend mit dem nach außen gehenden (prāṇa) und dem nach unten gehenden (apāna), sowie ihre [verschiedenen] Funktionen, wurden im Abschnitt über die Lehre erklärt. Die Ausdehnung des Atems ist eine kräftige Übung des Ausatmens und anderer Aspekte dieser Lebenskraft. Sie besteht aus dem Ausatmen, dem Einatmen und der Pause [danach]: Der vitale Wind wird trainiert, indem er länger ausgestoßen wird, als wenn er frei auftreten würde; er wird dann auf die gleiche Weise wieder eingezogen und gehalten.

Das Wort kratu (›Fähigkeiten‹) bezieht sich hier entweder auf die [zehn] Fähigkeiten [der Sinneswahrnehmung und Handlung] oder auf die [Fähigkeit der] Willenskraft/Aufmerksamkeit [d.h. den Geist, der die Elfte ist]. Die [Atemerweiterung] stößt alle Mängel ab, die dadurch entstehen, dass man nicht tut, was vorgeschrieben ist, oder dass man tut, was verboten ist.

Dies wird im Folgenden bestätigt (Manusmṛti 6.71):

„Die wiederholte Praxis der Atemerweiterung zerstört alle Defekte in den Fähigkeiten, so wie Unreinheiten weggebrannt werden, wenn Erze in einem Ofen geschmolzen werden.“ [...]

1.4.  Pratyahara

Vers 5

„Dann sollte er sich im Zurückziehen üben, im vollständigen Zurückziehen des Geistes, der mit dem Genießen der armseligen Freuden dieser [Fähigkeiten] beschäftigt ist."

Kommentar

Dann, das heißt, wenn er die Atemkontrolle beendet hat, sollte er den Rückzug üben. Das bedeutet, dass der Geist, der darauf bedacht ist, die belanglosen sinnlichen Freuden, die mit diesen [Fähigkeiten] verbunden sind, auszukosten, vom Kontakt mit irgendeinem Sinnesobjekt zurückgezogen werden sollte. Er fährt fort zu sagen, was mit einer Person geschieht, die dies tut:

Vers 6

„Auf diese Weise verliert das Bewusstsein jeden Kontakt mit den Sinnesobjekten, und so wird der Geist fit für die Fixierung (dhāraṇā) auf jeden beliebigen Fokus, den er wählt."

Kommentar

Durch diesen Prozess des Zurückziehens hört sein Bewusstsein auf, irgendeinen Kontakt mit den Sinnesobjekten zu haben. Da es diesem Kontakt entzogen ist, verliert es seine natürliche Funktion, und als Ergebnis ist der Geist bereit, sich auf jeden beliebigen Fokus zu fixieren, den er wählt.

1.5. Dharana

Vers 35-36

„Das Wort dhāraṇā (›Fixierung‹) bedeutet Stillstand; [aber] es bezieht sich im weiteren Sinne auch auf den Fokus [dieses Stillstands]. Für den Anfänger ist der einzig angemessene Fokus eines dieser [Elemente], beginnend mit der Erde."

Kommentar:

[...] Der Anfänger, der Aspirant, der gerade erst mit der Praxis begonnen hat, sollte die fünf Elemente (tattvas), beginnend mit der Erde, als Fokus seiner Praxis nehmen.

1.6. Dhyana – Meditation

Vers 7

„Meditation ist die [fortgesetzte] Kontemplation dieses [Fokus]; und sie wurde schon viele Male gelehrt."

Meditation findet statt, wenn der durch Fixierung fokussierte Geist eine [göttliche] Form mit ihren verschiedenen Eigenschaften kontempliert, [sie visualisiert,] zum Beispiel als dreiäugig, fünfgesichtig und so weiter. Siehe auch Patanjali:

erleuchtung tor 250sarvārthatā ekāgrātayoḥ kṣayodayau cittasya samādhi-pariṇāmaḥ
सर्वार्थतैकाग्रतयोः क्षयोदयौ चित्तस्य समाधिपरिणामः

In den Sutras zuvor wurde der Prozess von Nirodha-Parinama (erste Verwandlung des Geistes) beschrieben, der Übergang von Konzentration (Dharana) zur Versenkung (Dhyana). Doch der Geist kennt noch eine tiefe Art des Wirkens. Übt der Yogi fleißig weiter, so findet eine weitere Transformation statt: Samadhi-Parinama, die zweite Verwandlung - das Gleiten von Dhyana in Samadhi.

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1.7. Samadhi

Vers 7

„Jene [Meditation] wird als samādhi bezeichnet, [wenn] sie deckungsgleich (ekatāna) wird."

Kommentar

Wenn diese Meditation deckungsgleich [mit ihrem Objekt] wird, wenn sie also einen Zustand erreicht, in dem sie nichts als ihr Inhalt zu sein scheint, dann viele alte Schriften sie als samādhi. Patañjali definiert ähnlich:

fokus kreis objekt 250tad evaarthamaatranirbhaasam svarupa-shunyamiva samâdhih
तदेवार्थमात्रनिर्भासं स्वरूपशून्यमिव समाधिः

Wir erreichen die höchste Stufe des Yogaweges: Samadhi. Nähern uns der Erleuchtung, Befreiung, Moksha, Kaivalya ... oder haben diese gar schon erreicht. Ein Zustand, der sich nicht in Worte fassen lässt. Dennoch hat der Artikel natürlich viele davon. Sie drücken folgendes aus:

Sutra III-3 erläutert das letzte Glied des achtfachen Yogapfades: Samadhi ► Was meint Bewusstsein? ► Wie komme ich von Meditation zu Samadhi? ► Wie kann ich mir Samadhi vorstellen? ► Was fördert den Prozess, wie übe ich im Alltag? ► Übersetzungsalternativen ► ...

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Beitrag: Samadhi - Einführung, Stufen, Meditationstipps

maedchen fenster licht 564


Samadhi ist das letzte Glied im achtfachen Yogapfad und soll mit fantastischen Erlebnissen einhergehen. Doch was passiert beim Samadhi genau, wie kann ich mir diesen Zustand vorstellen? In den Yogasutras und anderen Schriften wird Samadhi zur Verdeutlichung recht dezidiert in mehrere Stufen unterteilt. Dieser Artikel beschreibt bekannte Unterteilungen und nennt mögliche Meditationsobjekte für die jeweiligen Samadhi-Stufen. Eine Auswahl an Videos zum Thema Samadhi will das Verständnis vertiefen.

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Punkt 2

2. Quellen

  • Auszüge: Roots of Yoga
  • Mṛgendrāgama: Kriyāpāda, Ausgabe 23 von Publications de l’Institut français d’indologie, Verlag Institut Francais Dþindologie, 1962;
    Auszüge verfügbar unter books.openedition.org/ifp/1695
    Auszüge und englische Übersetzungen der Verse und Kommentare finden sich in Roots of Yoga

Punkt 3

3. Weitere Shiva-Tantra-Schriften auf Yoga-Welten

4. Bücher zum Tantrismus



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Punkt 4

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alte yoga schriften 250

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Weitere oft aufgerufene alte Schriften

Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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