
viśokā vā jyotiṣmatī
विशोका वा ज्योतिष्मती
Inneres Licht – wo soll das denn bitte schön leuchten? Seh ich nicht ...
Gemach! Die Kommentatoren geben, anders als Patanjali, konkrete Übungsempfehlungen zur Schau des inneren Lichtes.
Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrit
- Vishoka = leidlos, heiter; ohne Kummer;
- Va = oder, auch;
- Jyotishmati = leuchtend;
- Jyoti = (inneres) Licht, Leuchten;
Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)
- Satchidananda: "... indem man sich auf das höchste, ewig-glückselige Licht (darin) konzentriert".
- Prabhavananda: "... durch das Fixieren des Geistes auf das innere Licht, das jenseits des Leides ist".
- Sukadev: "... auf den inneren Zustand des Lichtes, der jenseits von Leid" sei.
- Iyengar: "... eines leuchtenden, strahlenden Lichts der Leidensfreiheit".
- 12koerbe.de: "... leidlose Lichterfülltheit".
- Vivekananda "... auf das glänzende Eine, das jenseits von Leid ist".
- Gabriel Pradīpaka: "... beim Erfahren von Gedanken, die leuchtend und frei von Kummer sind".
- Barbara Miller: "... wenn die Gedanken lichterfüllt und frei von Leid sind".
- Hariharananda Aranya: "... durch Wahrnehmung, die frei von der Leid und strahlend ist ...".
- Skuban übersetzt: "... das Strahlen in unserem inneren Raum ...".
- Govindan sieht eine Kausalität zwischen Licht und Leidfreiheit: "... auf das ewig glückselig machende höchste Licht im Inneren, [lässt man alles Leid hinter sich ...]".
Konzentration auf den Lotus des Herzens
Eliade schildert (Seite 80), wie Vyasa in seinem Kommentar zu Sutra I-36 von einem Erlebnis "reinen Lichtes" berichtet, zu dem man durch Konzentration (Dharana) auf den Lotus des Herzens gelangt. Dieses Erlebnis sei schon in den Upanishaden bezeugt und findet immer in Verbindung mit der Begegnung des eigenen Selbstes (Atman) statt. Hieraus resultiere "... ein ungewöhnliches Glück".
Auch Iyengar spricht in seinem Kommentar zu I-36 von der "Konzentration auf das Innerste des Herzens", da nur dort das Licht der Leidensfreiheit scheine. Dies müsse in völliger Gedankenruhe erfolgen. Zudem finde sich hier der Sitz der Seele.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Antoine de Saint-ExupéryAntoine de Saint-Exupéry in "Der Kleine Prinz"
Als leuchtender Lotus ...
Gemäß Vacaspati Misra (Eliade S. 80) befindet sich der Lotus des Herzens achtblättrig mit dem Kopf nach unten zwischen Bauch und Brust. Man müsse ihn in Gedanken umdrehen (Kopf nach oben), den Atem anhalten und den Intellekt darauf richten. Bei Eliade findet sich ab Seite 80 weitere Ergänzungen zur Variation bzw. Vertiefung dieser Kontemplation.
... oder Kugel
Satchidananda regt an, sich eine glänzende Kugel oder Lotus zu visualisieren, welche stellvertretend für dein göttliches Bewusstsein stehen.
Auch im Mahamudra des Buddhismus gilt laut Wim van den Dungen die Meditation auf das Herz als ein einfacher und schneller Pfad zur Erleuchtung.
... oder auf das unberührte Selbst
Sukadev schildert, dass wir uns unsere eigenes unberührtes Selbst als Licht vorstellen können. Dies könne "... zu einer großartigen Erfahrung werden".
... oder auf das dritte Auge
Skuban schildert (S. 66f) eine weitere Möglichkeit der inneren Lichterfahrung: Mittels Konzentration auf das dritte Auge im Punkt zwischen den Augenbrauen.
Hindu-Gebet
Viele Hindus beten täglich zur Morgendämmerung, zur Mittagszeit und zur Abenddämmerung das Gayatri Mantra. Darin heißt es
Möge das Höchste Göttliche uns erleuchten, auf dass wir die höchste Wahrheit erkennen.
alternativ übersetzt:
Lasst uns über das strahlende Licht Gottes meditieren, welches alles Dunkel, alle Unwissenheit, alle Untugenden vernichtet.
Übung zu Yoga Sutra I-36
Übungsvorschlag für die kommende Woche zu Sutra 1-36:
Meditiere diese Woche mittels Konzentration auf dein Herz. Bringe die Gedanken nach Kräften zum Schweigen und schau, ob du ein inneres Licht wahrnimmst.
Satchidananda schreibt: "Anfangs müssen wir uns dieses Licht noch vorstellen". Mit etwas Übung werde dieses Licht aber zu einer "... tatsächlichen Erfahrung".
Siehe auch Sutra I-45:
Yoga Sutra I-45: Die Meditation über das Subtile kann soweit verfeinert werden, dass sie sich bis zum Unmanifestierten erstreckt, zu Prakrti, der feinstofflichsten Ursache
sūkṣma-viṣayatvam-ca-aliṇga paryavasānam
सूक्ष्मविषयत्वं चालिङ्गपर्यवसानम्
Die Meditation über subtile Objekte kann bis an eine Grenze getrieben werden, die Patanjali mit Alinga umschreibt. Einem Zustand, der als "undefinierbar subtil" oder "unmanifest" beschrieben wird.
Videos zu Sutra I-36
In den rechten Tabs finden sich Videos zu dieser Sutra. Leider nur noch auf Englisch. Zu den ersten Sutra gibt es noch eine Reihe von deutschen Videos, siehe die dortigen Vorschläge.
{tab Nayaswami Asha}
{tab Sundara Krishnaswami}