Klesha-karma-vipâsakâshayair-aparāmṛṣṭaḥ puruṣa-viśeṣa īśvaraḥ
क्लेशकर्मविपाकाशयैरपरामृष्टः पुरुषविशेष ईश्वरः
Viele Sutras-Kommentatoren sehen zwei Aspekte in dieser Sutra: Ishwara findet sich IN UNS als ein göttliches Bewusstseinszentrum und wir müssen einige Dinge überwinden, um Gott in uns zu erfahren. Genauer gesagt handelt es sich um vier Punkte.
Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrit
- Klesha, Klesa = die störenden Kräfte; was einen belastet, aus der Konzentration wirft, beschwert; Leid, Belastung, Elend, Ursache des Elendes, des Leidens;
- Karma = Taten, (triebgesteuerte) Handlungen;
- Vipaka, vipâka = Wirkungen der Handlungen, Vollendung, Erfüllung;
- Asayaih, Ashyaih, âshayaih = Erinnerungen an Leid; Samenkeime (asaya), in denen Wünsche schlummern, die neue Handlungen hervorrufen; unterbewusste Prägungen; Rückstände; unterbewusste Eindrücke;
- Aparamrsta, Aparamrista, aparâmristah = (völlig) unberührt;
- Purusha = der Bewohner, das unsterbliche Selbst, Seele, eine individuelle Einheit oder ein Zentrum göttlichen Bewusstseins; inneres, unveränderliches, unbewegtes unsterbliches Selbst; reines Sein;
- Vishesha, visesa = außerordentlich, besonders;
- Îshwara, Ishwarah, Ishwara, Ishvara = Gott (mit Eigenschaften); Gottwesen aus Sicht eines Menschen; das Göttliche, das Mächtige; ideal gedachtes Wesen;
Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)
- Iyengar betont, dass Ishwara nichts "Widerstreitendes" in sich trägt und er nicht dem Gesetz von Ursache und Wirkung ausgesetzt sei.
- R. Sriram ergänzt, dass Ishvara somit nicht dem menschlichen Lebenskreislauf unterliege.
- Einen anderen Akzent setzt Sukadev bei seiner Übersetzung:" Ishwara ist das besondere Zentrum göttlichen Bewusstseins, das ..."
- Coster meint (lapidar): "Gott ist Geist ..."
- Chip Hartranft übersetzt auf arlingtoncenter.org anschaulich: "Gott ist ... nicht korrupt [unbestechlich] ...". Man kann im Geist ergänzen: korrupt wie der Mensch...
- 12koerbe.de wie immer mit eigenen Worten "... Handlungsfrucht, Lohnabsichten unberührte ..."
- Hariharananda Aranya: "Ishvara ist ein spezieller Purusha ...", Swami Satchidananda leicht anders: Ishvara ist der "... höchste Purusha ...".
- Barbara Miller übersetzt Ishvara mit "Lord (Gott) des Yoga".
- Ashtangayoga.info bezieht die Aussagen dieser Sutra wiederum (auch) auf den Schüler: "Ishvara ist ... Wesen, das unberührt ist von den Hindernissen des spirituellen Aspiranten ..."
Siehe vorab die Erläuterungen zu Isvarah in Sutra I-23.
Ishvara in uns?
Patanjali nennt Ishvara hier "Purusha", den gleichen Begriff, den er für das "wahre Selbst" im Menschen verwendet. Iyengar ergänzt darum Ishvara als hier gemeint mit "Purusha-Visesa" - "höchste Seele, Herr und Meister aller Wesen und Dinge".
Govindan nennt Ishvara vor diesem Hintergrund "das höchste Selbst ... das Selbst aller Selbste". Wir können dieses besondere Selbst in uns verwirklichen. Ähnlich äußert sich Deshpande, siehe dazu Sutra I-23.
Hindernisse der Erkenntnis
Was müssen wir überwinden, um Ishvara nachzustreben? Deshpande sieht auf Seite 50f die vier in dieser Sutra genannten Faktoren:
- leidvolle Spannungen (Leidenschaften),
- Handlungen daraus,
- Auswirkungen der Handlungen und
- Ansammlung dieser "Ergebnisse" in der menschlichen Psyche
als Hindernisse bei der Erkenntnis der wesenhaften Identität des Menschen. Der Weg des Yoga baue diese Hindernisse ab. Wer das mit "Übung und Loslassen" nicht hinbekomme, könne - so Deshpande - ergänzend oder stattdessen den Weg der Hingabe an Gott gehen.
Gott zwingt uns nicht ...
Sukadev interpretiert diese Sutra dahingehend, dass Gott des Menschen nicht zwingend bedarf, nicht enttäuscht ist, wenn wir ihn nicht anbeten. Gott habe keine Wünsche oder Vorlieben. Er strafe auch niemanden, der ihn nicht verehre und sei auch nicht leidend. Das gelte auch im Christentum: Jesus leidet zwar, aber er ist nicht Gott.
{tab Übung}
Übungsvorschlag für die kommende Woche:
Denke über dich nach. Führe dir zu Bewusstsein, wie sehr du an der Vorstellung von dir als einer eigenständigen Wesenheit festhältst. Was müsstest du aufgeben, um diese "Sicherheit" zu verlassen (meine Stellung, meine Erfolge, meine Hoffnungen in die Partnerschaft, die Vorstellung von dem, was nach meinem Tode von mir weiterlebt ...)? An welchen Stellen fällt dir das leicht? Wo merkst du, dass sich alles in dir dagegen sträubt? Werde dir einfach nur gewahr - selbstbewusst - urteile nicht.
Vielleicht schreibst du deine Erkenntnisse auf und schaust diese in einem Jahr noch einmal an. Was hat sich verändert?
Hier weiterlesen: Übung zu Yoga Sutra I-24
{tab Verwandte/ergänzende Sutras}
Verwandte/ergänzende Sutras
Siehe zu I-24 auch:
Advidyâsmita–râga–dveshâbhiniveshah kleshah
अविद्यास्मितारागद्वेषाभिनिवेशः क्लेशाः
Kommen wir zu den leidvollen Zuständen, welche den Yogi an der Befreiung hindern. Patanjali gibt hier eine erste Definition der Hindernisse auf dem Yoga-Pfad. Interessant sind auch die Parallelen im Buddhismus.
Wissen um und Bewusstsein für das wahre Selbst entsteht durch Samyama auf dessen Interessen.
Sattwa-purushayor atyantâsamkirnayoh pratyayâvishesho bhogah parârthât svârtha-samyamât purusha-jnânam
सत्त्वपुरुषायोः अत्यन्तासंकीर्णयोः प्रत्ययाविशेषोभोगः परार्थत्वात्स्वार्थसंयमात् पुरुषज्ञानम्
Wer sich nicht nur mit dem „was“, sondern auch mit dem „warum“ hinter dem Yoga beschäftigen möchte, landet früher oder später bei den tiefgründigen Versen des Yoga Sutra von Patanjali. Einer davon – Sutra III.36 – hat es besonders in sich. Hier geht’s nicht um akrobatische Posen oder Atemtechniken, sondern um das feine Gespür für das, was in uns wirklich echt ist. Im Artikel findest du die Deutungen und Erläuterungen der Kommentatoren des Yogasutra zu wahrem Selbst, Verstand, inneren Impulsen, äußeren Reizen und spirituellem Ehrgeiz. Und vielleicht – nur vielleicht – bringt dich dieser Vers ein kleines Stück näher an das, was du tief in dir längst bist.
Diese Sutra ist für viele Kommentatoren ein sehr wichtiger Vers. Denn wenn ein Yogi unterscheiden kann, was im Leben dem wahren Selbst dient bzw. in dessen Interesse liegt, so kann er stets eine gute Entscheidung treffen und viele Klippen auf dem spirituellen Pfad umschiffen. Patanjali mahnt vermutlich mit dieser Aussage auch davor, die übersinnlichen Fähigkeiten, die in diesem dritten Kapitel das Hauptthema sind, nicht allzu wichtig zu nehmen bzw. ihnen nicht allzu sehr nachzueifern.
Videos zu Sutra I-24
{tab Ishvara-Meditation}
Meditation zu Ishvara
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
{tab Ishwara Pranidhana}
Ishwara Pranidhana - Hingabe an Gott
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
Dr. Kausthub Desikachar zu Sutra I-23-25
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.
{tab Nayaswami Asha}
Nayaswami Asha zu Sutras I-24 - 26
Mit Klick auf dem Button wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und die bei Youtube üblichen Daten erhoben und Cookies gesetzt.