yathā-abhimata-dhyānād-vā
यथाभिमतध्यानाद्वा
Hier scheint Patanjali jegliches Objekt zur Meditation freizugeben. Die Kommentatoren schränken das dann jedoch ein klein wenig ein:
Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrit
- Yatha = (so) wie; entsprechend;
- Abhimata, âbhimata = gewünscht; angenehm; Liebe, Zuneigung;
- Dhyanad, dhyânâd = durch Meditation; durch Kontemplation;
- Va, vâ = oder; auch;
Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)
- Satchidananda: "Oder mittels Meditation über irgendetwas, das erhebend ist".
- Iyengar: Kontemplation über etwas, "... das er wünscht", das aber der "Stabilität des Bewusstseins" dient.
- Chip Hartranft: "... jedem gewünschten Objekt".
- Sukadev: "... über das, was einem zusagt".
- Hariharananda Aranya: "Oder durch Kontemplation über was immer einer mag ...".
- Barbara Miller "... über ein geeignetes Objekt".
- Prabhavananda: "... durch Fixieren des Geistes auf irgendeine göttliche Form oder ein göttliches Symbol, das einen an Gutes appelliert". Ähnlich auch Vivekananda, allerdings ohne Hinweis auf Göttliches.
- Gabriel Pradīpaka: "... über was immer geeignet ist – natürlich von einem yogischen Standpunkt aus ...".
- 12koerbe.de: "... beliebig gewählte Inhalte versenkt".
- Deshpande: "... über einen geliebten Gegenstand".
- R. Sriram: "... das, was unsere Zuneigung hat".
- Govindan: "... nach [eigenen] Wünschen [beliebig gewähltes] Meditationsthema".
- Skuban: "... kann jede andere Meditationsform ... zur Stille führen".
- Dr. Ronald Steiner übersetzt einen eigenen Ansatz: "... Versenkung ... auf Liebe".
Wo wir stehen
Dies ist die letzte Anregung Patanjalis in der Reihe Sutra I-32 bis I-39, welche alle zur Ruhe des Geistes führen und bei der Überwindung der Hindernisse aus Sutra I-30 bzw. I-31 helfen sollen. All dies sind neben Empfehlungen in anderen Sutra alternative oder ergänzende Hilfsmittel zu Übung (Abhyasa) und Loslassen (Vairagya) aus Sutra I-12 für das Erreichen des Yoga Zieles (Sutra I-2).
Alles wirkt
Viele Yoga-Aspiranten fragen sich zu Beginn ihres Yoga-Weges, welche Technik, Schule oder Mantra am besten wirken. Sutra I-39 kann so gelesen werden, dass diese Frage obsolet ist. Wichtig sei lediglich, dass wir über etwas meditieren (das wir mögen).
Skuban berichtet in seinem Kommentar zur Sutra von einer Zen-Geschichte, in der ein Bauer beharrlich über seine innig geliebte(!) Kuh meditierte und dabei Satori, Erleuchtung, erlangte.
Empfehlungen zur Eingrenzung bei der Auswahl des Meditationsobjektes
Wim van den Dungen schreibt, das Nirodha (der stille Geist) durch "perfekte Konzentration" auf jedes Objekt, das "praktische Zweckmäßigkeit" besitzt, erreicht werden kann.
Sukadev rät dazu, sich ein sattwiges Meditationsobjekt zu wählen, nicht "... Schnitzel mit Pommes frites oder Abfalleimer". Als sattwig gilt, was
- rein,
- tugendhaft,
- lichthaft,
- zur Wahrheit führend oder
- aus der Wahrheit entstanden
ist. (es gibt allerdings auch sattwiges Essen, aber ob das so geeignet ist ... :-) )
Ähnlich äußert sich Satchidananda: "Es [das Meditationsobjekt] soll nicht nur bei dir wirken, es soll dich erheben und zum Guten führen". Iyengar bläst ins selbe Horn und ergänzt, dass der Schüler irgendwann über jeden Gegenstand meditieren könne und dabei zur Ruhe des Geistes finden.
Für mich besonders
Verschiedene Kommentatoren (z.B. Deshpande auf S. 69) empfehlen, dass unser Meditationsobjekt idealerweise etwas sein sollte, an dem wir leidenschaftlich interessiert sind. So können wir uns diesem Objekt am ehesten mit Engagement, hartnäckig und eventuell über viele Jahre widmen.
Govindan: "… was uns fasziniert und emporhebt".
Eventuell steht hinter diesem Gedanken das Abhalten einer Zeremonie für die Mantra-Vergabe. Mit dem feierlichen und mystischen Akt wird die Bedeutsamkeit des Mantras für den Schüler stark angehoben.
Auch die weitreichenden Ausführungen zur Bedeutsamkeit des Atems in den Yoga-Schriften und den breit gefächerten Erkenntnismöglichkeiten, die sich durch die Konzentration auf den Atem ergeben können, mögen nicht zuletzt deswegen so oft betont werden, um diesen "Leidenschafts-Effekt" in der Meditation über den Atem zu erzielen.
Satchidananda schreibt: "Wenn du [das Meditationsobjekt] für dich selbst auswählen kannst: nur zu! Ansonsten frage jemanden, dem du vertraust, nach einem Vorschlag". Er empfiehlt Letzteres, um Irrwege zu vermeiden und dadurch Zeit auf dem Yogaweg zu sparen.
Kein Hin und Her
Auffällig oft liest man in den Besprechungen zu dieser Sutra den Rat, das Meditationsobjekt nicht ständig zu wechseln. Hin und wieder mal eine Alternative ausprobieren ist wohl in Ordnung, aber zu den meisten Zeiten sollte man bei einem Meditationsobjekt bleiben.
Ansonsten erreicht man keine tieferen Ebenen, sondern kratze immer nur an der Oberfläche und hüpfe dann weiter zur nächsten "Meditationsblume".
Man könnte auch sagen:
"Treue wird belohnt."
oder
"Hin und her macht´s unnötig schwer".
Objekt: Das eigene Selbst
Iyengar sieht in dieser Sutra mehr, als die Freigabe beliebiger Meditationsobjekte. Patanjali komme hier "zur subjektiven Meditation" und hierbei wäre das geeignetste Objekt "das eigene Selbst". Die "Wurzel allen Seins". Iyengar sieht somit in Sutra I-39 die Aufforderung Patanjalis, den Ursprung "dieses innersten Seins aufzuspüren".
Übung zu Yoga Sutra I-39
Übungsvorschlag für die kommende Woche zu Sutra 1-39:
Suche dir diese Woche (d)ein Meditationsobjekt (Atem, Mantra, Vorstellung, Buddha, Jesus ...), dem du am ehesten mit Leidenschaft lange Zeit deine volle Aufmerksamkeit schenken kannst.
Falls du es schon gefunden hast, mache dir noch einmal deine Gründe für dieses Objekt bewusst.
Videos zu Sutra I-39
In den rechten Tabs finden sich Videos zu dieser Sutra. Leider nur noch auf Englisch. Zu den ersten Sutra gibt es noch eine Reihe von deutschen Videos, siehe die dortigen Vorschläge.
{tab Nayaswami Asha}