Yoga Sutra Gunas
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Yoga Sutra I-16: Das Nichtbegehren nach den Elementen der Erscheinungswelt führt zur Wahrnehmung des wahren Menschen, des Purushas - die höchste Form der Verhaftungslosigkeit
Tatparaṁ puruṣa khyāte rguṇa vaitṛṣṇyam
तत्परं पुरुषख्यातेर्गुणवैतृष्ण्यम्In dieser Sutra geht es um die Frucht fortgeschrittener yogischer Praxis. Patanjali formuliert, dass wir durch den irgendwann voll integrierten Verzicht in der Lage sein werden, unser wahres Selbst (Purusha) von dem zu unterscheiden, was nicht unser wahres Selbst ist. Dadurch sinkt das Begehren weiter. So kann uns die Freude des Purushas immer häufiger erreichen.
Doch wie werde ich zum unbeteiligten Betrachter meines eigenen Lebens?
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Yoga Sutra II-3: Unwissenheit, Identifikation mit dem Ego, Begierde, Abneigung und (Todes-)Furcht sind die fünf leidbringenden Zustände (Kleshas)
Advidyâsmita–râga–dveshâbhiniveshah kleshah
अविद्यास्मितारागद्वेषाभिनिवेशः क्लेशाःKommen wir zu den leidvollen Zuständen, welche den Yogi an der Befreiung hindern. Patanjali gibt hier eine erste Definition der Hindernisse auf dem Yoga-Pfad. Interessant sind auch die Parallelen im Buddhismus.
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Yoga Sutra II-15: Für jemanden mit Unterscheidungsfähigkeit ist alles in dieser Welt leidvoll; das liegt an der Vergänglichkeit, unserem Verlangen, den unbewussten Prägungen und an der Wechselhaftigkeit der Natur
Parinâma-tâpa-samskâra-duhkhair guna-vritti-virodhâch cha duhkham eva sarvam vi-vekinah
परिणाम ताप संस्कार दुःखैः गुणवृत्तिविरोधाच्च दुःखमेव सर्वं विवेकिनःDieser Aspekt der Karmalehre trifft oft auf taube Ohren, obwohl es sich um eine ganz entscheidende Grundlage aller indischen Philosophien handelt. Wir hören einfach nicht gerne, dass wir letztendlich – wenn wir nur weise genug sind – alles in dieser Welt als unattraktiv und sogar leidvoll ansehen (sollten). Doch obgleich die Konsequenz aus dieser Sutra unangenehm scheint, lohnt es sich, die Auslegungen hierüber zu kennen. Denn auch dieses Postulat aus der Yogaphilosophie können wir positiv für uns nutzen.
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Yoga Sutra II-18: Die wahrgenommenen Objekte haben die Eigenschaften Klarheit, Aktivität und Trägheit und bestehen aus Elementen und Wahrnehmungskräften. Alles Wahrgenommene dient der (genussvollen) Erfahrung und der Befreiung.
Prakâsha-kriyâ-sthit-–shîlam bhûtendriyât-makam bhogâpavargârtham drishyam
प्रकाशक्रियास्थितिशीलं भूतेन्द्रियात्मकं भोगापवर्गार्थं दृश्यम्Wenn der Yogi langsam aus seiner Unwissenheit erwacht, nimmt er die Welt um sich herum mit Staunen wahr. Die Wirklichkeit ist eine geheimnisvolle Beziehung zwischen „Wahrnehmenden“ und „Wahrgenommenen“. Prakriti, die Natur, tanzt einen rätselhaften Tanz, der uns seit Urzeiten staunen lässt.
In dieser und den folgenden Sutra geht es um diesen Tanz, sprich die Eigenschaften der Natur, deren Wirkungsweisen und deren Nutzung durch den Menschen. Patanjali versucht zu beschreiben, „was da draussen ist“. Was unser wahres Selbst – Purusha – sehen und erfahren darf.
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Yoga Sutra II-19: Die Stufen der Eigenschaftszustände von den Grundbausteinen der Natur (den Gunas) sind spezifisch, unspezifisch, subtil-differenziert und undefinierbar.
Visheshâvishesha-lingamâtrâlingâni guna-parvâni
विशेषाविशेषलिङ्गमात्रालिङ्गानि गुणपर्वाणिDas Ziel von Patanjalis Ausführungen liegt in der Befreiung von allem Leid. Dazu muss die falsche Identifikation mit dem Materiellen (Prakriti) durch den Wahrnehmenden (Purusha, Atman) aufgehoben werden. Hilfreich hierfür ist die Kenntnis der Wirkkräfte der Natur, deren Zusammenwirken und ihr Einfluss auf uns.
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Yoga Sutra IV-13: Diese (Eigenschaften/Formen) sind manifest oder subtil und bestehen aus den drei Gunas
te vyakta-sūkṣmāḥ guṇa-atmānaḥ
ते व्यक्तसूक्ष्मा गुणात्मानःWieder – wie so häufig im 4. Kapitel – eine rätselhafte Sutra, die viele Kommentare auf den Plan ruft.
Nach dem Samkhya (altes indisches Philosophiesystem) ist das Universum (die Urmaterie Prakriti) durch drei Gunas, meint wesentliche Eigenschaften oder Kennzeichen, charakterisiert: Tamas (steht für Trägheit, Dunkelheit, Chaos), Rajas (Rastlosigkeit, Bewegung, Energie) und Sattva (Klarheit, Güte, Harmonie).
Yogasūtra 4.13 erklärt, dass alles Wahrnehmbare und auch das noch Ungeborene aus diesen drei Guṇas besteht. Was trocken klingt, entpuppt sich als Einladung, den eigenen Alltag mit neuen Augen zu sehen – denn wer erlebt und bewusst wahrnimmt, dass selbst Gedanken, Erinnerungen und Gefühle nur Spielarten dieser drei Grundkräfte sind, genießt beispielsweise Gelassenheit an Stellen, wo zuvor Drama herrschte.
Dieser Artikel verbindet klassische Kommentare von Vyāsa und Śaṅkara mit modernen Deutungen, psychologischen Studien und praxisnahen Übungen – ein Versuch, Philosophie aus dem Elfenbeinturm auf die Yogamatte und mitten in den Alltag zu holen.
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Yoga Sutra IV-14: Die Verwirklichung und Essenz aller Dinge beruht auf ihrem einheitlichen Wandel
pariñâmaikatvâd vastu-tattvam
परिणामैकत्वाद्व्स्तुतत्त्वम्Hochphilosophisch geht es weiter. Yogasutra 4.14 klingt wie ein feines Stück Philosophie – „alles ist im Wandel“ liest sich schnell, doch die Tiefe erschließt sich erst, wenn man sie spürt. Der Artikel nimmt dich mit in alte Kommentare, moderne Auslegungen und wissenschaftliche Parallelen. Er zeigt, wie diese knappe Formel von Patanjali nicht nur ein Gedankenspiel bleibt, sondern zur Haltung wird: in der Yogapraxis, in der Meditation, im Alltag – und manchmal auch im banalen Zähneputzen.
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Sutre IV-32: Dadurch verschwinden die Veränderungen durch die drei Gunas, weil sie ihren Zweck erfüllt haben
tataḥ kṛtārthānaṁ pariṇāma-krama-samāptir-guṇānām
ततः कृतार्थानां परिणामक्रमसमाप्तिर्गुणानाम् -
Sutre IV-33: Die Empfindung eines bedingten Aufeinanderfolgen von Augenblicken endet, wenn die Wandlungen der Gunas enden
kæaña-pratiyogî pariñâmâparânta-nirgrâhyaï kramaï
क्षणप्रतियोगी परिणामापरान्तनिग्रार्ह्यः क्रमः -
Yoga Sutra IV-34: Die komplette Freiheit (Kaivalya) als Ziel des wahren Selbst (Purusha) überwindet die Gunas. Die Seele lebt in ihrer wahren Natur und besitzt die Kraft des absoluten Wissens
Purushârtha-shûnyânâm gunânâm pratiprasavah kaivalyam svarûpapratishthâ va chiti–shakter iti
पुरुषार्थशून्यानां गुणानांप्रतिप्रसवः कैवल्यं स्वरूपप्रतिष्ठा वा चितिशक्तिरिति