omTatparaṁ puruṣa khyāte rguṇa vaitṛṣṇyam
तत्परं पुरुषख्यातेर्गुणवैतृष्ण्यम्

 

In dieser Sutra geht es um die Frucht fortgeschrittener yogischer Praxis. Patanjali formuliert, dass wir durch den irgendwann voll integrierten Verzicht in der Lage sein werden, unser wahres Selbst (Purusha) von dem zu unterscheiden, was nicht unser wahres Selbst ist. Dadurch sinkt das Begehren weiter. So kann uns die Freude des Purushas immer häufiger erreichen.

Doch wie werde ich zum unbeteiligten Betrachter meines eigenen Lebens?

Inhalt: Yogasutra Kapitel 2, Vers 16

Punkt 1

1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:

  • Tat, tad = dies, dessen, jenes, dieses, das;
  • Param, paraṁ = das ultimativste, das reinste, das höchste;
  • Puruṣa = das wahre Selbst, das Individuum, das unwandelbare Selbst.
  • Khyateh, khyāti = klares Sehen, Gewahrung, Verständnis, (aufgrund der) Verwirklichung, Bewusstheit, Erfahrung;
  • Purushakhyâteh = durch Wahrnehmung des Purushas, des Selbst;
  • Guṇa = die drei Grundeigenschaften bzw. grundlegenden Kräfte oder Energien der Natur;
  • Vaitrsnyam, vaitṛṣṇyam = Ohne Anhaftung, wunschlos, Freiheit, frei werden, ohne Durst, durstlos;
  • Gunavaitrishnyam = Freiheit von dem geringsten Begehren nach den Gunas;

2

2. Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hervorhebungen weisen auf Besonderheiten der jeweiligen Übersetzung hin. Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • Die höchste Vollendung des Nicht-Anhaftens rührt vom Bewusstsein des Purushas her. Dann entsagt der Yogi den drei Gunas.
  • Das Nicht-Begehren nach den Elementen der Welt der Erscheinungen führt zur Schau des ursprünglichen Menschen - des Purushas - und ist die höchste Form der Loslösung.
  • Der vollendete Verzicht besteht darin, dass man die Gunas transzendiert und die Seele schaut.
  • Die tiefgehende Erfahrung des Purusha ist die höchste Stufe des Gleichmuts. Die Gunas enthalten sich ihrer Triebhaftigkeit.
  • Ein noch höherer Zustand ist erlangt, wenn nur noch der Purusha besteht.
  • Das Höchste ist, wenn der Mensch durch die Selbstverwirklichung von den Kräften der Natur frei wird.
  • Wenn das ultimative Niveau der Nicht-Reaktion erreicht ist, kann reines Gewahrsein sich selbst klar als unabhängig von den fundamentalen Qualitäten der Natur sehen.
  • Die Vollendung liegt darin, in der Allgeist-Kenntnis die Erscheinungsfaktoren nicht mehr zu begehren.
  • Indifferenz gegenüber den Gunas oder den konstituierenden Prinzipien erreicht durch ein Wissen über die Natur des Purushas wird Paravairagya - höchste Ablösung - genannt.
  • Das höchste Vairagya besteht darin, in Gewahrsein des Purushas, die letzten Wünsche der Gunas zu beendigen.
  • Die höchste Nicht-Anhaftung ist das Nichtklammern an den Gunas, während man sich mit dem Purusha identifiziert.
  • Höchste Leidenschaftslosigkeit ist völlige Abwesenheit vom Verlangen nach Materiellem, was durch die Unterscheidung zwischen Spirit und materieller Natur erreicht wird.
  • Wenn während der Realisierung des Purushas sogar der Durst nach den Gunas erlischt, ist die höchste Nicht-Anhaftung erlangt.
  • Wenn durch das Wissen über Atman die Wünsche nach allen Manifestationen der Natur enden, ist die höchste Form der Nicht-Anhaftung erreicht.
  • Das ist extreme Nicht-Anhaftung, welche sogar die Qualitäten aufgibt, und welche von dem Wissen über die reale Natur kommt.
  • Absolute Verhaftungslosigkeit erlangt im Bewusstsein des wahren Selbstes erfolgt frei von den Eigenschaften der Natur.
  • Indifferenz von den Gunas aufgrund des Wissens über den Purusha wird das Höchste genannt.
  • Höchste Gelassenheit kommt durch die Erfahrung des Purusha. Dann verlieren alle Naturkräfte ihre Macht.
  • Das Höchste ist der Nicht-Durst nach den Schichten der Natur durch die Vision des Purushas.
Zu den Quellen

Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:

Bücher

Internetseiten

Dein Übersetzungsvorschlag

Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.

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Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)

 

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Punkt 3

3. Nicht-Anhaftung wird zur Gewohnheit

Govindan betont in seiner Besprechung von Sutra I-16, dass irgendwann die Wunschlosigkeit keine Anstrengung mehr erfordert. Der Zustand der Selbstverwirklichung wird dann immer dauerhafter. Er zitiert Svami Hariharananda Aranya:

"Das innere Wissen des Menschen führt direkt oder indirekt zur Beseitigung des Leidens. ... Danach gibt es nichts Höheres mehr zu wissen."

Und in der Katha Upanishad heißt es:

"Die Weisen, die die ewige Glückseligkeit kennen, suchen nicht nach dem Unwandelbaren in vergänglichen Dingen."

Mehr dazu zur Katha Upanishad auf Yoga-Vidya.

Sukadev verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass drei Viertel aller Raucher, die eine gewisse Zeit Yoga betreiben, zu Nichtrauchern werden. Ungefähr die Hälfte mutieren zu Vegetariern. "Der Wunsch, Fleisch zu essen, hört mehr oder weniger von selbst auf. Es geschieht einfach."

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4. Der Beobachter

Deshpande fasst zusammen: Wenn der Mensch sich von allen Begehren befreit hat, wird er zum reinen Betrachter von Allem. Sowohl der äußeren Phänomene als auch der Energien, welche die Welt am Laufen halten (Gunas). Diese reine Schauen - die Schau des Purusha (Purusa-Khyati) sei zwar auch eine Form der Energie, die sich aber grundlegend von den anderen unterscheidet. Khyati, das sehende Bewusstsein, wird unterschieden vom zerstreuten, in das physische verstrickte Bewusstsein.

5. Die Welt: komplex und chaotisch

Deshpande meint, dass Mensch und Welt ein (zu) verwirrendes Komplex seien. Aufgabe des Menschen sei es, zunächst das Geheimnis des Verhältnisses von Beobachter und Beobachtetem zu ergründen. Dieses Vorgehen verhindere zusätzlich, dass der Mensch sich als reines Objekt in der Welt sieht und sich als Manipulator einer äußeren Welt erlebt, so wie es beim rein intellektuellen Vorgehen der Wissenschaft der Fall sei.

Irgendwann erkennt der Yogi (er weiss! dann), dass Welt und Mensch in einem ständigen Wechselspiel verwoben sind. Alles ist miteinander verbunden. Diese Erkenntnis ist nur möglich, wenn der Mensch ohne die "geistigen Verstrickungen" sich und das Äußere betrachtet.

Ziel von Abhyasa und Vairagya sei es damit (auch), diese klare Sicht zu erreichen.

5.1. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text

Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?

Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:

 

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5.2.

uebung sutre

Übungsvorschlag für die kommende Woche:

Du weißt ja, dass sich ein Yogi ständig in Wunschlosigkeit, Nicht-Anhaften, eines heiteren Gemütes, Geduld und Furchtlosigkeit üben sollte. Immer (zumindest einmal am Tag) wenn dir das die kommende Woche nicht gelingt, frage dich: "Warum nicht?"

Sei ehrlich, schaue tief. Wenn du die Ursachen dessen kennst, das dich von der Selbstverwirklichung abhält, legst du den Grundstein zu deren Auflösung.

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6. Verwandte Sutras

  
Tadâ sarvâvarana-malâpetasya jnânasyâ-nantyâj jneyam alpam
तदा सर्वावरणमलापेतस्य ज्ञानस्यानन्त्यात् ज्ञेयमल्पम्

 

 

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  prasaṁkhyāne-'py-akusīdasya sarvathā vivekakhyāteḥ dharma-meghas-samādhiḥ
प्रसङ्ख्यानेऽप्यकुसीदस्य सर्वथा विवेकख्यातेर्धर्ममेघः समाधिः

 

 

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tad-vairâgyâd api doæa-bîja-kæaye kaivalyam
तद्वैराग्यादपि दोषबीजक्षये कैवल्यम्

 

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spinnennetz gruen muster astVisheshâvishesha-lingamâtrâlingâni guna-parvâni
विशेषाविशेषलिङ्गमात्रालिङ्गानि गुणपर्वाणि

Das Ziel von Patanjalis Ausführungen liegt in der Befreiung von allem Leid. Dazu muss die falsche Identifikation mit dem Materiellen (Prakriti) durch den Wahrnehmenden (Purusha, Atman) aufgehoben werden. Hilfreich hierfür ist die Kenntnis der Wirkkräfte der Natur, deren Zusammenwirken und ihr Einfluss auf uns.

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Purushârtha-shûnyânâm gunânâm pratiprasavah kaivalyam svarûpapratishthâ va chiti–shakter iti
पुरुषार्थशून्यानां गुणानांप्रतिप्रसवः कैवल्यं स्वरूपप्रतिष्ठा वा चितिशक्तिरिति

 

 

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7. Video zu Sutra I-16

Erfolg in der Meditation - die Sutras I-12 bis I-16.

Youtube-Video

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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