Yoga Sutra Prakriti / Natur
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Yoga Sutra I-16: Das Nichtbegehren nach den Elementen der Erscheinungswelt führt zur Wahrnehmung des wahren Menschen, des Purushas - die höchste Form der Verhaftungslosigkeit
Tatparaṁ puruṣa khyāte rguṇa vaitṛṣṇyam
तत्परं पुरुषख्यातेर्गुणवैतृष्ण्यम्In dieser Sutra geht es um die Frucht fortgeschrittener yogischer Praxis. Patanjali formuliert, dass wir durch den irgendwann voll integrierten Verzicht in der Lage sein werden, unser wahres Selbst (Purusha) von dem zu unterscheiden, was nicht unser wahres Selbst ist. Dadurch sinkt das Begehren weiter. So kann uns die Freude des Purushas immer häufiger erreichen.
Doch wie werde ich zum unbeteiligten Betrachter meines eigenen Lebens?
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Yoga Sutra I-19: Dieses [Virama Pratyaya oder Asamprajnata Samadhi] kann [auch] von Geburt aus, durch frühere Körperlosigkeit oder durch Verschmelzung mit der Natur (Prakriti) erlangt werden
Bhava-pratyayo videha-prakṛti-layānām
भवप्रत्ययो विदेहप्रकृतिलयानाम्In den Sutras I-19 und I-20 geht es um "mittlere Samadhi-Zustände". Es ist nicht ganz klar, ob sich Patanjali mit "dieses/dieser" auf den Asamprajnata Samadhi allgemein oder den Zwischenzustand Virama Pratyaya aus Sutra I-18 bezieht. So unterscheiden sich die Übersetzungen erheblich und bieten ein schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich das alte Sanskrit gedeutet werden kann. Ich finde es trotzdem nützlich, sich die unterschiedlichen Deutungen vor Augen zu führen. Wir können sie in unserem Geist abwägen und die jeweilige Deutung in unserem eigenen Leben überprüfen.
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Yoga Sutra I-45: Die Meditation über das Subtile kann soweit verfeinert werden, dass sie sich bis zum Unmanifestierten erstreckt, zu Prakrti, der feinstofflichsten Ursache
sūkṣma-viṣayatvam-ca-aliṇga paryavasānam
सूक्ष्मविषयत्वं चालिङ्गपर्यवसानम्Die Meditation über subtile Objekte kann bis an eine Grenze getrieben werden, die Patanjali mit Alinga umschreibt. Einem Zustand, der als "undefinierbar subtil" oder "unmanifest" beschrieben wird.
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Yoga Sutra II-17: Die Identifikation des wahrnehmenden Selbstes mit den wahrgenommenen Objekten ist Ursache [des Leides] und sollte überwunden werden
Drashtri-drishyayoh samyogo heya-hetuh
द्रष्टृदृश्ययोः संयोगो हेयहेतुःIn dieser Sutra finden wir Ursache und Erlösung von allem Leid. Wir müssen nur unsere Unwissenheit, unsere Falsch-Wahrnehmung und Fehl-Identifikation überwinden, dadurch nicht mehr den Wahrnehmenden (Atman, Purusha) mit dem Wahrgenommenen (Prakriti) verwechseln und schon wären wir aller Sorgen ledig. Doch wie gelingt uns das?
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Yoga Sutra II-22: Die Welt verschwindet für den, für den sie ihren Zweck erfüllt hat; für alle anderen existiert sie als gemeinsame Realität weiter
Kritârtham prati nashtam apy anashtam tad-anya-sâdhâranatvât
तदर्थ एव दृश्यस्यात्माDies ist eine für den Normalmenschen kaum nachvollziehbare Sutra. Wie soll sich die Welt für mich auflösen, wenn ich sie völlig (und dauerhaft) durchschaue? Die Kommentatoren versuchen, diesen Prozess zu erklären und geben wertvolle Empfehlungen.
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Yoga Sutra III-49: Daraus [aus der Beherrschung der Sinne] folgt die Schnelligkeit des Geistes, Wahrnehmung unabhängig von den körperlichen Sinnesorganen und Beherrschung/Meisterschaft der Urnatur
Tato manojavitvam vikarana-bhâvah pradhâna-jayash cha
ततो मनोजवित्वं विकरणभावः प्रधानजयश्चDies ist die Fortsetzung der Beschreibung der Kräfte, die sich aus der Beherrschung der Sinne, wie in der Sutra zuvor beschrieben, ergeben. Manche der Kommentatoren sehen hier auch die Fähigkeit zu intuitivem Wissen und zur Sinneswahrnehmung (weit) außerhalb des menschlichen Körpers.
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Yoga Sutra III-50: Durch tiefgehendes Erkennen des Unterschiedes zwischen Sattwa (reine und lichtvolle Geist) und Purusha (dem wahren Selbst) erlangt der Yogi Allmacht (Oberhoheit über alle Wesen) und Allwissenheit
sattva-puruṣa-anyatā-khyātimātrasya sarva-bhāvā-adhiṣṭhātṛtvaṁ sarva-jñātṛtvaṁ ca
सत्त्वपुरुषान्यताख्यातिमात्रस्य सर्वभावाधिष्ठातृत्वं सर्वज्ञातृत्वं चWir nähern uns dem Finale des dritten Kapitels, Pada III, und es geht um nicht weniger als die größten Kräfte, die ein Yogi mittels tiefer Meditation erreichen kann. Doch Vorsicht ist geboten...
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Yoga Sutra IV-2: Die überfließenden Kräfte der Natur bewirken die Umwandlungen
jāty-antara-pariṇāmaḥ prakṛty-āpūrāt
जात्यन्तरपरिणामः प्रकृत्यापूरात्Veränderung ist kein Projektplan. Kein Willensakt. Und schon gar nicht die Folge exzessiver Selbstoptimierung. So könnte man diese Sutra lesen.
In Yogasutra 4.2 deutet Patanjali auf eine Wahrheit hin, die so einfach ist, dass sie leicht übersehen wird: Wachstum geschieht, wenn innere Kräfte überfließen. Nicht vorher. Nicht später. Was das mit Pflanzen zu tun hat, mit psychologischer Reifung – und mit deinem ganz persönlichen Yogaweg –, zeigt dieser Artikel. Mit vielen Kommentaren und Deutungen zu dieser Sutra.
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Yoga Sutra IV-3: Das Wirken (sichtbare Ursachen, das Üben) setzt die natürlichen Abläufe nicht in Gang, es beseitigt aber die Hindernisse aus den Kanälen, ähnlich einem Bauern, der ein Hindernis entfernt und so Wasser auf seine Felder lässt
nimittam aprayojakam prakëtînâm varaña-bhedas tu tataï kæetrikavat
निमित्तमप्रयोजकं प्रकृतीनांवरणभेदस्तु ततः क्षेत्रिकवत्Dieser Artikel führt durch Patañjalis Yogasutra 4.3 – vom alten Gleichnis des Bauern bis zur Neurowissenschaft – und zeigt, wie Hindernisse lösen oft wirksamer ist als "Ergebnisse erzwingen" sein soll. Die klassischen Kommentare liefern die Tiefe, moderne Studien die Bodenhaftung, und konkrete Übungen sorgen dafür, dass aus Philosophie Praxis wird: weniger Druck, mehr Durchfluss. Und wer weiß, wer bereit ist, Jäten wichtiger zu nehmen als Zerren, wird vielleicht rasch erleben, wie erstaunlich oft das Richtige von selbst geschieht – unaufgeregt, aber hartnäckig.