meditation sehnsucht 250Tîvra–samvegânâm âsannah
तीव्रसंवेगानामासन्नः

Endlich einmal eine nahezu eindeutige Sutra. Doch natürlich gehen die Übersetzungen auch hier unterschiedliche Wege. Es geht um das Wort "Samveganam". Übersetzt man es nun eher mit Wunsch, mit Wille ober mit Übungsbemühungen?

Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrit

  • Tîvra, tivra = konsequent, stark, intensiv, scharf;
  • Samvega, Samveganam, samvegaj samvegânâm = Übung, Praxis, Wille, Wunsch; spirituelle Dringlichkeit; Streben; Sehnsucht;
  • Tîvra–samvegânâm = von jenen, deren Wunsch von intensiver Stärke ist;
  • Asanna, âsannah = „nahe sitzend“, nahe; Nähe;

 

gesicht blick blau 564

 

Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

  • Zumeist verwenden die Übersetzungen die Begriffe Wille, Wunsch oder Übung/Praxis. Dies soll "intensiv", "stark" sein.
  • Hariharananda Aranya übersetzt Saṃvega hingegen mit "Konzentration".
  • Vyasa Houston übersetzt etwas exotischer Saṃvega mit "Frequenz".
  • R. Sriram akzentuiert auf das Wort "Tatkraft" und sieht mit deren Intensität das Ziel nahe.
  • Govindan kapriziert sich auf die "Konsequenz". Wer konsequent übt ...
  • Deshpande schreibt: "Dem intensiv strebenden ist ..." der Samadhi bald nahe.
  • Auch Iyengar bezieht als Hatha-Yogi diese Sutra auf die Übungspraxis: "... der mit größtem Eifer und Einsatz übt."
  • Coster (Psychologin) übersetzt mit "Ablösung", die es zu erreichen gilt: "Ablösung wird am schnellsten ... erreicht, die ihren Willen einzusetzen verstehen." Hier geht es also eher um die Art und Weise des Willen-Einsatzes als rein um dessen Stärke.
  • 12koerbe.de favorisiert "... die mit Kraft und Stärke vorgehen ...".

gesicht nebel geist 564

Wonach wünschen?

Nehmen wir an, Patanjali meine mit dem Sanskritbegriff Saṃvega "Wunsch". Da stellt sich manchem die Frage: Wonach soll ein Yogi eigentlich wünschen? Dem finalen Ziel des Yogas, der Selbstverwirklichung, dem Erkennen des wahren Selbstes? Oder einige Stufen darunter, dem Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken im Geist aus Sutra I-2. I. K. Taimni meint, dass Patanjali hier den Wunsch nach Samadhi im Sinn hat.

Sukadev nennt das Wunschziel "Befreiung" und legt sich auf eine Zahl fest: Wenn du mehr als 50 Prozent deiner Wunschkraft auf diese richtest, machst du rasche Fortschritte (mehr dazu in Sutra I-22).

Buddhismus-Parallelen

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Der Begriff Samvega könnte von Patanjali auch wieder dem Buddhismus entnommen sein. Samvega ist nämlich auch ein Pali-Begriff (Palis ist eng verwandt mit Sanskrit) aus dem Buddhismus. Samvega bezeichnet dort ein Gefühl von "Schock, Angst und geistiger Dringlichkeit die Befreiung zu erreichen und dem Leiden von Samsara zu entkommen". (Wikipedia)

Nach Thanissaro Bhikku ist Samvega die "... erste Emotion, welche ein Buddhist in sich ausbilden sollte. Er definiert Samvega folgendermaßen:

"Samvega ist das beklemmende Gefühl von Schock, Bestürzung und Entfremdung, die mit der Realisierung der Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit des Lebens kommen, wie man es normalerweise gelebt hat; ein ernüchterndes Gewahrwerden unserer eigenen Selbstgefälligkeit und Dummheit, die uns so blind leben ließ; und ein ängstliches Gefühl der Dringlichkeit, einen Ausweg aus diesem sinnlosen Zyklus zu finden."

Saṃvega wird in logischer Folge im Buddhismus auch mit der Entwicklung von Energie zur rechten Anstrengung assoziiert (mehr dazu auf Wikipedia).

freude

Flammende Sehnsucht

Auch Swami Krishnananda schreibt (Übersetzung von Sri Divya Jyoti) "... diese Notwendigkeit ist erst spürbar, wenn die Welt unter den eigenen Füßen zusammenbricht. Jeder Mensch macht irgendwann in seinem Leben eine solche Erfahrung. ... Dieses kann heute oder morgen geschehen. Und solange dieses Ereignis nicht stattfindet, wird unsere Seele auch nicht aus tiefstem Herzen aufschreien und danach verlangen, was sie wirklich will."

Intensität und Verfeinerung

Deshpande fasst es auf Seite 47 so zusammen: "Die Sutras I-21 und I-22 betonen die Notwendigkeit einer starken Intensität und eines verfeinerten und empfindsamen Gefühls als Voraussetzung für Samadhi."

Früchte des Strebens

Eliade bemerkt auf Seite 102 zu dieser Sutra: Der Asamprajnata Samadhi ist die Frucht des Samprajnata Samadhi und die Frucht von Asamprajnata Samadhi ist wiederum Kaivalya - die absolute Isolierung, die vollständige Freiheit, die Befreiung des Purusha aus der Umklammerung der Prakriti. Eliade zitiert hier Vacaspati Mishras Anmerkungen zu Sutra I-21.

Fazit:

Wie auch immer die genaue Akzentuierung der Sutra von Patanjali gemeint war, immer geht es um das intensive Praktizieren des Yogaweges. Sei es in Form des Wunsches, des Willens, der Sehnsucht oder der Übungspraxis. Patanjali geht in der nächsten Sutra weiter darauf ein.

 

{tab Übung}

uebung sutre

Übungsvorschlag für die kommende Woche:

Gehe deine eigene Übungspraxis durch. Meinst du, dass du bereits eine ausreichende Intensität an den Tag legst? Würdest du deine eigene Intensität gerne erhöhen? Welche Wege könntest du gehen? Notiere deine Ideen. Du kannst dir auch Anregungen aus der Übung zu Sutra I-20 holen. So kann z.B. Wille und Wunsch nach Befreiung nicht nur durch reine Anstrengung, sondern auch durch das Lesen spiritueller Lektüre erhöht werden.

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{tab Verwandte/ergänzende Sutras}

Verwandte/ergänzende Sutras

Siehe zu I-21:

haende klatschen 250

 Sa tu dīrgha kālanairantarya satkārāsevito dṛḍhabhūmiḥ
स तु दीर्घकालनैरन्तर्यसत्कारासेवितो दृढभूमिः

 

Eigentlich ist dies auch eine zentrale Sutra, da sie ein wichtiges Übungsprinzip hervorhebt: Wenn du nicht dranbleibst, fällst du zurück. Inwiefern eine Pause in der Meditation mit einem Stein, der den Berg wieder herabrollt oder mit "Zwei Schritt vor, einen zurück" verglichen werden sollte, darüber streiten sich die Sutraskommentatoren.

Noch hilfreicher: Lese hier ihre Tipps, wie du dauerhaft falsches Üben vermeidest.

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kugel rahmen 250Trayam ekatra samyamah
त्रयमेकत्र संयमः

Kapitel 3 des Yogasutras startete mit den Erläuterungen von Dharana (Konzentration), Dyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). Wendet man nun diese drei Bewusstseinszustände auf ein Objekt an bzw. bringt sie an einem Ort zusammen, so nennt sich das laut Patanjali: Samyama. Daraus können dann wundersame Dinge folgen - abhängig davon, worauf man Samyama ausrichtet. 

Wir klären: ► Was ist genau unter Samyama zu verstehen und ► wie erfahre ich es?

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Videos zu Sutra I-21

Leider verbleiben nur noch englische Videos, die sich mit dieser Sutra beschäftigen. Wenn du ein deutschsprachiges Video kennst, nenne es bitte unten in den Kommentaren. Danke!

 

Dr. Kausthub Desikachar zu Sutra I-21 und I-22:

Youtube-Video

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{tab Nayaswami Asha}

Nayaswami Asha zu Sutra I-21 und I-23

Youtube-Video

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Swami Nikhilananda Saraswati zu Sutra I-19 bis I-24

Youtube-Video

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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