Tasya vâchakah pranavah
तस्य वाचकः प्रणवः
Hier beschreibt Patanjali einen weiteren Weg, Gott (Ishvara) in uns zu erfahren. Doch unkonzentriertes Murmeln von OM reicht nicht aus:
Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrit
- Tasya = sein (Ishvarahs); dessen;
- Vachakah, vâchakah = Wort, das offenbart oder ausdrückt; Bezeichner, Anzeiger; Wortsymbol;
- Pranavah, Pranava = das prächtige Immer-Neue/Frische, immer seine Reinheit bewahrende; höchstes Lob, bestes Gebet; steht hier für das mystische & heilige OM, ausgesprochen AUM;
Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)
- Iyengar schreibt, dass OM Ishvara repräsentiert, Sriram übersetzt "symbolisiert".
- Govindan formuliert, das OM Ishvara offenbart.
- Deshpande: "Der ihn offenbarende Name ist OM", ähnlich Coster "... OM offenbart ihn".
- 12koerbe.de: "... das ihn aussprechende Wort ist ... OM".
- Swami Vivekananda: "Das ihn manifestierende Wort ist OM".
- Sein Wort ist OM.
Das Zeichen für OM
OM und Ishvara – die Alternative
Zur Einordnung: Patanjali beschreit in Sutra I-23 bis I-29 alternative Wege zu "Übung und Verhaftungslosigkeit" (Sutra I-12) hin zu citta–vritti–nirodhah, der Stille des Geistes, welche zu Samadhi führt. Sutra I-23 handelt vom Weg der Anbetung, der in vielen Kulturen beschrieben wird und der zur Gründung von Religionen führt. Hieraus ließe sich vermuten, dass dieses Vorgehen, diese Neigung zur Verehrung eines Gottes und zur Hingabe, in vielen Menschen veranlagt ist.Die OM-Rezitation bietet eine Ergänzung bzw. eine Alternative zu diesem Übungsweg.
OM gilt als das Wichtigste aller Mantras.
Die Aussprache – OM oder AUM?
Das A-U wird meist wie ein langes O gesprochen. Der eine betont mehr das O, der andere mehr das AU (insbesondere, wenn du es sehr langsam aussprichst), es geht klanglich ineinander über. Nach dem mmmmhhhhh wird ein lautloser Buchstabe gedacht, ein Lauschen der Stille, die den vierten Zustand symbolisiert, die Befreiung, siehe dazu weiter unten.
Die Silbe A steht in vielen Alphabeten als erster Buchstabe. Es wird hinten im Rachen gebildet, der Mund ist weit geöffnet. U ist dann der Laut in der Mitte der Mundhöhle, der Mund ist nur noch halb geöffnet. M verschließt dann den Mund. Darauf folgt die Stille.
OM - Symbol des Göttlichen
Iyengar schreibt, dass Schwingung die subtilste Form der Schöpfung sei und dass über die OM-Schwingung die größte Annäherung an Ishvara erlangt werden könne. Mit dem Mantra OM preise man somit die Vollkommenheit des Göttlichen.
Die Wiederholung von OM sei die Bahn, auf der das Ich die Universale Seele treffen könne, um mit ihr zu verschmelzen.
Woltz-Gottwald notiert im Yoga-Philosophie-Atlas: Om ist das Urwort, dass alle anderen Worte einschließt. Es ist das gesamte Universum, es symbolisiert die Einheit von Allem.
Gott in uns
Deshpande betont, dass Gott nicht in einem normalen Begriff erfasst werden könne. Der Mensch habe jedoch das Wissen von einem besonderen "Etwas" in sich, tief verschüttet von den Konditionierungen des Alltags. Dies drückt er mit dem Wort "Gott" aus. Die Sutras I-23 bis I-29 wollen einen Weg zeigen, dieses "Etwas" bewusst zu machen. So könne man sich, statt per "normalem" Yoga-Weg Verzicht zu üben, "auf den Großen Unbekannten einlassen", der in jedem von uns "west" und der landläufig mit Gott tituliert wird.
Der vierte Teil, das Unhörbare und Verbindende
Dem AUM wird wie oben geschildert ein unhörbarer, vierter Teil zugeordnet, der Synthese der drei hörbaren Teile. Im OM-Symbol wird er mit dem obenliegenden Punkt symbolisiert.
OM in Einzellauten
OM wird wie ebenfalls oben beschrieben mit den Vokalen AUM getönt, auch wenn es am Ende wie OM klingt. Darin sind die Vokale A, U und M enthalten. Laut Iyengar seien diese Buchstaben die Keime aller Worte.
Weitere Bedeutung für die drei Buchstaben, die ich gefunden habe:
- A = Wachzustand
- U = Traumzustand
- M = traumloser Schlafzustand, Rückkehr und Zur-Ruhe-Kommen.
Das Mantra AUM verbindet alle diese drei Zustände zum überbewussten Zustand Samadhi. Im Sanskrit steht turiya (turya) für "der Vierte". Dieser "Vierte" ist nicht wahrnehmbar und nicht zu beschreiben. Er ist die Essenz des Selbst, das Ruhen im Göttlichen. Die Urerfahrung.
Alle Artikel auf Yoga-Welten mit Bezug zu Turiya
Die Mandukya Upanishad (auf Deutsch)
Die Mandukya Upanishad ist die Kürzeste aller Upanischaden und umfasst lediglich zwölf Verse. Doch diese haben es in sich! Sollen Sie doch (gemäß Radhakrishnan) eine grundlegende Herangehensweise an die Erkenntnis der letzten Realität beinhalten.
Der Inhalt dreht sich hauptsächlich um das Mantra OM und die vier Zustände des Bewusstseins (Wachen, Träumen, Tiefschlaf und einen mystischen vierten Zustand der Erleuchtung – Turiya.
Der Text besteht nur aus 12 Versen. Ich habe eine eigene Übersetzung erstellt, die (hoffentlich) das Gemeinte korrekt wiedergibt, dabei aber verständlicher zu lesen ist.
Jnana Yoga – der Weg des verwirklichten Wissens in den alten Schriften
"Wer bin ich?", "Was ist wirklich?", "Was ist Schein?"
Jnana Yoga ist der Yoga der spirituellen Erkenntnis. Es handelt sich um den philosophischen Bereich des Yoga. Der Mensch sollte sich Fragen stellen wie: Wer bin ich? Wer ist dieser Handelnde? Woher komme ich, woher kommt die Welt? Was ist der Sinn des Lebens? Was ist wirklich usw.? Die Lehre vom Karma spielt dabei eine entscheidende Rolle. Reinkarnation ist integraler Bestandteil. Haupttechniken sind Meditationen um die Antworten auf diese Fragen in sich zu finden.
bāhya-ābhyantara viṣaya-akṣepī caturthaḥ
बाह्याभ्यन्तरविषयाक्षेपी चतुर्थः
Es wird geheimnisvoll: An dieser „kryptischen“ Sutra scheiden sich die Geister bei der Deutung des „vierten Zustandes“. Für manche wird hier schon Samadhi erreicht.
In II-51 wird „das Vierte“ Pranayama thematisiert ► Deutungen des vierten Pranayama ► Übersetzungsalternativen ► Wie dieser Zustand zu erreichen ist
śruta-anumāna-prajñā-abhyām-anya-viṣayā viśeṣa-arthatvāt
श्रुतानुमानप्रज्ञाभ्यामन्यविषया विशेषार्थत्वात्
Das Wissen, dass dem routinierten Nirvichara-Praktizierendem enthüllt wird, ist von einer ganz anderen Art, als jenes Wissen, dass wir gemeinhin als solches bezeichnen.
Ein scharfer Verstand ist notwendig für die Erkenntnis der Wahrheit sowie für deren Analyse und Anwendung.
Eliade schreibt auf Seite 131f. "... die Freiheit ist nur zu erlangen durch das Transzendieren der unterscheidenden Erfahrung", der vierte Zustand also, der alle drei vorigen umschließt und überwindet.
Oder auch:
- A = Rede
- U = Denken
- M = Atem (Prana)
Alle drei zusammen ergeben den lebendigen Geist, welcher ein Teil des universalen Geistes sei.
- Die drei Buchstaben stehen auch für die drei Geschlechter, männlich, weiblich und sächlich. Zusammen ergeben sie ein Symbol für die gesamte Schöpfung.
- Sie stehen für die drei Gunas, als Symbol stehen sie für die Überschreitung der Gunas.
- Sie stehen für die drei Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Als Symbol dann wieder für den Schöpfer, der die Zeit überschritten hat.
- Sie stehen für den zweiten großen Ausspruch "Tat Tvam Asi" - das bist du. Das gesamte Symbol steht für die Erkenntnis, was der Mensch wirklich ist.
Wurzel von OM
Nach Shri Vonoba Bhave besitzt das lateinische Wort Omne die gleiche sprachliche Wurzel wie OM – beide bedeuten "Alles".
{tab Übung}
Übung zu Yoga Sutra I-27
Übungsvorschlag für die kommende Woche:
Wiederhole diese Woche regelmäßig OM in vollem Bewusstsein von dessen Bedeutung. Wähle unterschiedliche Lautarten: Singen, sprechen, murmeln, in Gedanken, schnell, langsam, laut und leise. Spüre am Ende kurz nach, wie du dich danach fühlst.
{tab Sutras zu Ishvara}
Sutras zu Ishvara
Patanjali beginnt mit der Einführung von Ishvara in Sutra I-23:
Yoga Sutra I-26: Ungegrenzt von der Zeit ist er seit ältesten Zeiten der Lehrer aller Meister
(Sa esah) pūrveṣāmapi guruḥ kālenānavacchedāt
पूर्वेषामपि गुरुः कालेनानवच्छेदात्
Patanjali nennt in dieser Sutra die Quelle des Wissens aller Gurus. Interessant ist, was das für uns selbst bedeuten kann:
Yoga Sutra I-25: Er ist unübertroffen und Quell allen Wissens
Tatra niratishayam Sarvajna–bîjam
तत्र निरतिशयं सर्वज्ञबीजम्
Die Kommentatoren dieser Sutra beschäftigen sich vor allem mit der Frage, ob und wie der Mensch zur Allwissenheit Ishvaras gelangen kann.
Yoga Sutra I-24: Ishvarah ist als besonderes Wesen unberührt von Leid, Karma oder Wünschen
Klesha-karma-vipâsakâshayair-aparāmṛṣṭaḥ puruṣa-viśeṣa īśvaraḥ
क्लेशकर्मविपाकाशयैरपरामृष्टः पुरुषविशेष ईश्वरः
Viele Sutras-Kommentatoren sehen zwei Aspekte in dieser Sutra: Ishwara findet sich IN UNS als ein göttliches Bewusstseinszentrum und wir müssen einige Dinge überwinden, um Gott in uns zu erfahren. Genauer gesagt handelt es sich um vier Punkte.
Yoga Sutra I-23: Oder durch fromme Hingabe an Ishvara (Gott als ein ideal gedachtes Wesen) kann es erlangt werden
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Îshwara–pranidhânâd vâ
ईश्वरप्रणिधानाद्वा
Mit dieser Sutra weicht Patanjali deutlich vom Samkhya, der grundlegenden Yoga-Philosophie, ab: Gott tritt ins Spiel. Konkreter: Ishvara als Konzept einer persönlichen Gottheit mit ganz bestimmten Eigenschaften. Gott einmal anders, als man ihn sich üblicherweise vorstellt ...
Videos zu Sutra I-27
{tab Erläuterungen}
OM Mantra: Bedeutung und Erläuterungen von Sukadev:
{tab Erläuterungen 2}
OM Mantra: Einsatzmöglichkeiten und Erläuterungen von Olga Illichova. Hinweis: die Tonqualität wird im Laufe des Videos besser.
Dr. Kausthub Desikachar zu Sutra I-27-I-28
{tab Nayaswami Asha}
Nayaswami Asha zu Sutra I-27 bis I-29
Siehe auch: Mantra OM Namah Shivaya.