Yoga Sutra Vrittis
-
Yoga Sutra I-2: Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Bewegungen im Geist
Yogash citta–vritti–nirodhah
योगश्चित्तवृत्तिनिरोधःWenn ich festlegen müsste, welche Sutra die Bedeutsamste ist, dann würde ich diese wählen. Hier wird der Yogaweg in einem Satz zusammengefasst. Alle weiteren Sutras erläutern den Weg.
Auslegung und Deutung dieser Sutra erfolgt unterschiedlich. Lies hier, welche Prioritäten du gemäß der Sutras-Deuter bei deiner täglichen Praxis setzen solltest.
-
Yoga Sutra I-3: Dann ruht der Wahrnehmende in seiner wahren Natur
Tadâ drashtuh swarûpe ‘vasthânam
तदा द्रष्टुः स्वरूपेऽवस्थानम्Hier wird das erste große Versprechen des Yoga verkündet. Die Tragweite dieser Zusicherung wird in den Kommentaren zur Sutra erläutert:
-
Yoga Sutra I-4: In den anderen geistigen Zuständen - mit Vrittis - identifiziert sich der Wahrnehmende mit den Bewegungen im Geist
Vṛitti sārūpyam-itaratra
वृत्तिसारूप्यमितरत्रAlso... In allen anderen Umständen, außer dem der klaren Sicht, identifiziert sich der Mensch mit seinen Vrittis. Das gilt es zu ändern. An Vorschlägen, was man als Yogi tun kann, soll es nicht mangeln...
-
Yoga Sutra I-5: Es gibt fünf Arten von Bewegungen im Geist (Vrittis), von denen einige leidvoll sind und andere nicht
Vrittayah pañchatayyah klistâklistâh
वृत्तयः पञ्चतय्यः क्लिष्टाक्लिष्टाःAb dieser Sutra geht Patanjali ins Detail. Zunächst unterteilt er die Vrittis in schmerzhaft und nicht-schmerzhaft. Doch wo bleibt dabei die Freude?
-
Yoga Sutra I-6: Die fünf Arten der Bewegungen im Geist sind wahrhaftes Wissen, falsches Auffassen, Wortirrtum, Schlaf und Erinnerung
Pramâna–viparyaya–vikalpa–nidrâ–smritayah
प्रत्यक्षानुमानागमाः प्रमाणानिWeiter geht es mit der Einteilung der Geistesaktivitäten. Die nachfolgenden Übersetzungsvarianten liefern Alternativdeutungen für die jeweilige Vritti:
-
Yoga Sutra I-7: Direkte Wahrnehmung, korrekte Schlussfolgerung und Überlieferung aus wahren Quellen sind Formen wahren Wissens
Pratyaksa-ânumânâ-agamâh pramânâni
प्रत्यक्षानुमानागमाः प्रमाणानिPatanjali erläutert die Vrittis. Das korrekte Wissen bzw. die Mittel zu dessen Erkenntnis: Pramana. Das hört sich zunächst harmlos an, doch auch korrektes Wissen wird auf dem Weg des Yoga zum Hindernis.
-
Yoga Sutra I-8: Falsche Aufffassung von etwas resultiert aus einer falschen Kenntnis von etwas, die nicht der wahren Natur des Erkannten entspricht
Viparyayo mithyâ–jñânam atad–rûpa–pratishtham
विपर्ययो मिथ्याज्ञानमतद्रूप प्रतिष्ठम्In dieser Sutra geht es um Fehleinschätzungen. Nicht schön: Viele Yogalehrer betrachten unser Leben als ein Schwimmen im Meer des Irrtums. Doch es gibt bewährte Wege, Viparyaya zu besiegen.
-
Yoga Sutra I-9: Wortirrtum wird verursacht durch Identifikation mit Worten, die in der Realität keine Grundlage haben
Shabda–jñânânupâtî–vastu–shûnyo–vikalpah
शब्दज्ञानानुपाती वस्तुशून्यो विकल्पःWortirrtum ist weit verbreitet, wir nehmen zu oft "Worte für bare Münze". Insbesondere die Manipulation durch Worte wird zum Problem. Der Yoga kennt Techniken, die dies bei dir verhindern.
-
Yoga Sutra I-10: Schlaf wird die Erscheinungsform des Geistes genannt, welche von Abwesenheit jedwedes Inhaltes gekennzeichnet ist
Abhâva–pratyayâlambanâ [tamo-]vrittir nidrâ
अभावप्रत्ययालम्बना वृत्तिर्निद्राNun geht es um den traumlosen Schlaf. Eigentlich ist dabei nicht viel los. Doch ein Yogi weiß auch diesen Zustand zu nutzen.
-
Yoga Sutra I-11: Die Vritti "Erinnerung" ist das Bewahren von Erfahrungen der Vergangenheit
Anu-bhūta-viṣaya-asaṁpramoṣaḥ smṛtiḥ
अनुभूतविषयासंप्रमोषः स्मृतिःSmrti, die Erinnerung kann schön, neutral oder unerquicklich ausfallen. Doch warum halten einige die Fähigkeit des Geistes zur Rückbesinnung für das größte Hindernis auf dem Weg zum Samadhi?
-
Yoga Sutra I-12: Die bewusste Kontrolle der Bewegungen im Geist wird durch Übung und Verhaftungslosigkeit erlangt
Abhyâsa–vairâgyâbhyâm tan–nirodhah
अभ्यासवैराग्याभ्यां तन्निरोधःIn den folgenden Sutras wendet sich Patanjali einem neuen Bereich zu. Es geht um zwei zentrale Konzepte (oder Prinzipien bzw. Vorgehensweisen) für die eigene spirituelle Entwicklung:
Abhyasa und Vairagya
Übung und NichtanhaftenSomit kann auch diese Sutra als grundlegend eingeordnet werden. Sie begründet die tägliche Praxis des Yogi und fordert eine bestimmte Geisteshaltung zu "weltlichen Dingen" und emotionalen Verstrickungen.
Eine Geschichte verdeutlicht die anzustrebende Geistesverfassung...
-
Yoga Sutra I-30: Diese Hindernisse lauten körperliche Einschränkung, geistige Stumpfheit, Zweifel, Gleichgültigkeit, Faulheit, Haften an Dingen, falsche Anschauung und die Nichterreichung einer geistigen Stufe
... bzw. die Unfähigkeit, darin beständig zu bleiben. Diese Hindernisse zerstreuen den Geist.
yâdhi–styâna–samshaya pramâdâlasyâ–virati–bhrânti–darshanâ–labdhabhûmi–katvânavasthitatvâni chitta–vikshepâs te’ntaraayaaH
व्याधिस्त्यानसंशयप्रमादालस्याविरतिभ्रान्तिदर्शनालब्धभूमिकत्वानवस्थितत्वानि चित्तविक्षेपास्तेऽन्तरायाः
Ziel des Yoga ist Erleuchtung, Erkennen des wahren Selbstes, des Purushas. Der Weg dorthin führt über die Ruhigstellung des Geistes, siehe Sutra I-2. Doch vor den Erfolg hat der liebe Gott... Hindernisse gestellt.
In dieser Sutra I-30 nennt Patanjali nun neun solcher Hindernisse. Die Kommentatoren nehmen schon einmal die kommenden Sutras vorweg und besprechen Yoga-Wege zu deren Überwindung:
-
Yoga Sutra II-11: Die aktiven bzw. gröberen Formen (der Kleshas) werden durch Meditation überwunden
dhyāna heyāḥ tad-vṛttayaḥ
ध्यानहेयास्तद्वृत्तयःDie vorige Sutra widmete sich der Auflösung subtilerer Probleme mittels der Rückführung zu deren Wurzel, hier gehen wir nun die gröberen Beschwernisse mittels Meditation an.
-
Yoga Sutra II-15: Für jemanden mit Unterscheidungsfähigkeit ist alles in dieser Welt leidvoll; das liegt an der Vergänglichkeit, unserem Verlangen, den unbewussten Prägungen und an der Wechselhaftigkeit der Natur
Parinâma-tâpa-samskâra-duhkhair guna-vritti-virodhâch cha duhkham eva sarvam vi-vekinah
परिणाम ताप संस्कार दुःखैः गुणवृत्तिविरोधाच्च दुःखमेव सर्वं विवेकिनःDieser Aspekt der Karmalehre trifft oft auf taube Ohren, obwohl es sich um eine ganz entscheidende Grundlage aller indischen Philosophien handelt. Wir hören einfach nicht gerne, dass wir letztendlich – wenn wir nur weise genug sind – alles in dieser Welt als unattraktiv und sogar leidvoll ansehen (sollten). Doch obgleich die Konsequenz aus dieser Sutra unangenehm scheint, lohnt es sich, die Auslegungen hierüber zu kennen. Denn auch dieses Postulat aus der Yogaphilosophie können wir positiv für uns nutzen.
-
Yoga Sutra II-50: [Beim Pranayama werden] Zeit, Ort und Anzahl der Einatmung, Ausatmung und des Anhaltens reguliert und laufend verlängert und verfeinert.
Tasmin sati shvâsa-prashvâsayor gati-vicchedah prânâyâmah
वाह्याभ्यन्तरस्तम्भवृत्तिः देशकालसङ्ख्याभिः परिदृष्टो दीर्घसूक्ष्मःIn dieser Sutra wird Patanjali zum Glück deutlicher in Bezug auf Pranayama. Aber dennoch bleibt viel Interpretationsspielraum zu den einzelnen Gliedern des Pranayama und deren korrekter Regulierung. Manche Kommentatoren lehnen eine Regulierung des Atems sogar komplett ab und wollen Pranayama auf Beobachtung und subtile Steuerung beschränken.
In II-50 werden die einzelnen Bestandteile und das Ziel des Pranayama angesprochen ► Was wird unter „Zeit, Ort und Anzahl“ verstanden? ► Wie verlängern und verfeinern? ► Übersetzungsalternativen ► Lohn der Pranayama-Praxis
-
Yoga Sutra III-44: Wenn dieser reale Geisteszustand außerhalb [des Körpers] beibehalten wird (auch Maha-Videha oder große Körperlosigkeit genannt) löst sich der Schleier über dem inneren Licht auf
bahir akalpita vrittih maha videha tatah prakasha avarana kshayah
वहिरकल्पिता वृत्तिर्महाविदेहा ततः प्रकाशावरणक्षयःIn dieser Sutra erläutert Patanjali die außerkörperliche Erfahrung genauer. Er beschreibt, wie man die Erfahrung dauerhaft machen kann und betont durch seine Wortwahl, dass es sich bei diesem Siddhi nicht um Einbildung, sondern um eine echte Erfahrung handelt.
Mit klarem Ziel: den Schleier vor dem inneren Licht zu lüften.
Dieser Artikel bietet nicht nur Interpretationen, sondern auch handfeste Ideen, wie diese eher mystisch anmutende Sutra praktisch erfahrbar wird.
-
Sutre IV-18: Herr des Bewusstseins (Citta) ist das wahre Selbst (Purusha). Es kennt infolge seiner unveränderlichen Natur immer alle Vorgänge im Geist (Citta)
Sada jnâtash chitta-vrittayas tat-prabhoh purushasyâparinâmitvât
सदाज्ञाताः चित्तव्र्त्तयः तत्प्रभोः पुरुषस्यापरिणामित्वात्Weiter geht es mit yogischen Erkenntnissen zur Natur unseres denkenden Geistes (yogisch: Citta) und zu dessen Verhältnis zu dem, was wir wirklich sind – unserem Wahren Selbst, unserer Seele, auf yogisch: Purusha.
Sutra 4.18 erklärt, dass hinter all dem mentalen Durcheinander ein ruhiger Beobachter lebt. Dieser Artikel bietet Übersetzungen und Kommentare von Klassikern wie Vyāsa oder Vācaspati Miśra, sowie Brücken in die heutige Praxis, bis hin zu Einsichten aus Psychologie und Neurowissenschaft. Leserinnen und Leser finden auch Anregungen, wie sich die alte Weisheit im Alltag spüren lässt.
-
Yoga Sutra IV-25: Wer den Unterschied zwischen Geist und wahrem Selbst erkannt hat, hört auf, den eigenen Geist bzw. dessen Regungen als Ich zu verstehen
Vishesha-darshina âtma-bhâva-bhâvanâ-vinivrittih
विशेषदर्शिनः आत्मभावभावनानिवृत्तिःWieder geht es um die Entwicklung von Unterscheidungsvermögen für das Erreichen von innerer Freiheit – Kaivalya. Wer das eigene (wahre) Selbst erkennt, entdeckt nicht neue Antworten, sondern das Verstummen alter Fragen. Der Text und seine Kommentare kreisen um eine Erfahrung, die kaum in Worten fassbar ist – das Aufhören der Identifikation mit den unruhigen Bewegungen des Geistes. Dieser Artikel lädt dich ein, die klassischen Stimmen, moderne Deutungen und eigene Übungswege zusammenzudenken.