Pramâna–viparyaya–vikalpa–nidrâ–smritayah
प्रत्यक्षानुमानागमाः प्रमाणानि
Weiter geht es mit der Einteilung der Geistesaktivitäten. Die nachfolgenden Übersetzungsvarianten liefern Alternativdeutungen für die jeweilige Vritti:
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:
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Pramana, pramâna, pramânâni = akkurate oder richtige Wahrnehmung, Wahrnehmungen; gültiges, rechtes, zutreffendes oder korrektes Wissen, bezeugte Tatsachen bzw. die Mittel des Geistes dazu; etwas anders: Mittel, um wahres Wissen zu erlangen, richtiges Erkennen; etwa anders: Mittel, wahres Wissen zu erlangen, richtige Auffassung, Wahrnehmung von etwas real Vorhandenem, Wahrnehmung von Gegenständlichem. Patanjali definiert im Sutra I-7 Pramana, das Mittel zu gültiger Erkenntnis, als von dreierlei Art. Im Yogasutra gilt Pramana als eine der fünf Citta-Vrittis.
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Viparya, viparyaya = irrtümlicher Eindruck; falsches Wissen; falsche Wahrnehmungen, falsche Wahrnehmung bis zu Verblendung, Irrtum, falsche Meinung, falsche Auffassung, Fehler, Fehlwahrnehmung, Fantasie.
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Vikalpa = „Wortirrtum“; kann lediglich Vorstellung oder Gedanke heißen. Hier wohl eher als Einbildung, eingebildetes Wissen, falsche Vorstellung basierend auf Worten, kann aber auch für Zweifel und Unschlüssigkeit, Konzeptionalisierung, Fantasie, verbale Einbildung oder Täuschung stehen.
Ashtangayoga.info schreibt: Vikalpa ist die Fähigkeit des Geistes, vom Großen (Weizenfeld) auf das Kleine (Weizenähre) zu schließen, das Gegenteil wäre Samkalpa. -
Nidrâ, Nidra = Schlaf, Schlafbewusstsein, Tiefschlaf (einer auch: dösen).
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Smrtis, smritayah = Erinnerung, Gedächtnis
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?
Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
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Antwort 1
Da ist Wahrnehmung der Wirklichkeit, Illusion der Realität, Vorstellungen, Gewährenlassen und Erinnerung
3. Deutung: Patanjalis Geistesaktivitäten
Patanjali untergliedert hier die Aktivitäten (Vrittis) unseres Geistes:
- Wahrhaftes Wissen (Pramana) - erläutert in Sutra 1.7.
- Falsche Auffassung (Viparyaya) - erläutert in Sutra 1.8.
- Wortirrtum/bloße Vorstellung (Vikalpa) - erläutert in Sutra 1.9.
- Tiefer traumloser Schlaf (Nidra) - erläutert in Sutra 1.10.
- Erinnerung (Smriti) - erläutert in Sutra 1.11.
Verschaffen wir uns einen ersten Überblick über diese fünf Aktivitäten:
3.1. Pramana
Pramana ist als korrektes Wissen zunächst unproblematisch. Beachte jedoch, dass auch Pramana ein Vritti ist. Wenn du also dein wahres Selbst schauen möchtest, muss nach Patanjali auch Pramana zur Ruhe kommen.
3.2. Viparyaya
Die falschen Wahrnehmungen führen zu falschem Wissen, wenn diese als (komplette) Realität angesehen werden. Ein anschauliches Beispiel für dieses Phänomen sind die sechs Blinden, die jeweils unterschiedliche Stellen eines Elefanten berühren und daraus folgend völlig divergierende Beschreibungen des Elefantens abgeben.
Doch man muss nicht blind sein, um Viparyaya zu erleiden. Bedenke zum Beispiel, dass wir mit unseren Augen nur ein gewisses Spektrum innerhalb des Lichtes erkennen, Farben nur in unserem Kopf existieren, alle Gegenstände eigentlich zu mehr als 99 Prozent aus Nichts bestehen, entsprechende Analogien im Hörbereich anzufinden sind und viele weitere solcher "Sinnestäuschungen" bei uns vorliegen. So gesehen könnte man jeden Menschen als nahezu blind und taub ansehen. Wir leben in der Höhle.
3.3. Vikalpa
Wortirrtum umfasst ein weites Feld. Es umfasst alle verbalen Aussagen, denen keine Realität zugrunde liegt. Zu Vikalpa gehören z.B. auch Lob und Tadel.
3.4. Smritayah
Das Gedächtnis Smrti führt zur Erfahrung, Erinnerung an vorhergehende Erlebnisse. Auch Erinnerung ist eine Gedankenwelle, eine Fluktuation, ein Schleier, der die klare Sicht auf das wahre Selbst trübt.
3.5. Nidra
Überraschung! Auch der Schlaf ist eine Geistesbewegung. Ansonsten wäre der Schlaf ja schon Nirodha und immer wenn wir schliefen, befänden wir uns in Samadhi. Dem ist aber leider offenkundig nicht so ... :-(
4. Geisteszustände und ihr Wechsel
Der Geist besitzt laut Iyengar ebenfalls fünf Arten von Intelligenz (Achtung Zahlensymbolik - gibt es hier einen Zusammenhang?):
- Mudha: töricht und unwissend
- Ksipta: nachlässig oder abgelenkt
- Viksipta: aufgewühlt oder zerstreut
- Ekagrata: auf einen Punkt gerichtet oder konzentriert aufmerksam
- Nirodha, Niruddha: gezügelt oder beherrscht
Nur die letzten beiden gilt es auf dem Weg des Yoga anzustreben. Doch wie komme ich zum Beispiel aus einer depressiven Mudha-Stimmung zu einer konzentrierten Ekagrata-Verfassung? Du könntest zum Beispiel:
- Achtsam deinen Geisteszustand beobachten.
- Diese Zustände benennen, ihre Zeitdauer und Auftreten einige Wochen lang notieren.
Vielleicht findest du hier schon erste Anhaltspunkte, wie du einen ungünstigen Geisteszustand verlässt. In den folgenden Sutras wirst du noch viele Tipps finden. Auf jeden Fall hilft dir dieses Gewahrwerden dabei, dich der Identifizierung mit deinen Geisteszuständen bewusst zu werden. Dies ist stets ein erster Schritt zu dessen Aufhebung.
4.1. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
4.2. Übung zu Yoga Sutra I-6
Übungsvorschlag für die kommende Woche: Blicke diese Woche abends zurück und mache dir jeweils drei Beispiele für korrektes Wissen, falsche Auffassung, Wortirrtum und Erinnerung bewusst. Denke jeweils darüber nach, inwiefern hier eine Bewegung des Geistes vorliegt.
Noch nicht genug? Frage dich jeweils: Wie kann die jeweilige Bewegung zur Ruhe gebracht werden?
5. Videos zur sechsten Sutra
Erläuterung zur sechsten Sutra auf Deutsch:
{tab Englische Erläuterung}
{tab Englische Zusammenfassung}
... der Sutras I-4 bis I-6:
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