frau herz leuchtend kurz 250Vishesha-darshina âtma-bhâva-bhâvanâ-vinivrittih
विशेषदर्शिनः आत्मभावभावनानिवृत्तिः

Wieder geht es um die Entwicklung von Unterscheidungsvermögen für das Erreichen von innerer Freiheit – Kaivalya. Wer das eigene (wahre) Selbst erkennt, entdeckt nicht neue Antworten, sondern das Verstummen alter Fragen. Der Text und seine Kommentare kreisen um eine Erfahrung, die kaum in Worten fassbar ist – das Aufhören der Identifikation mit den unruhigen Bewegungen des Geistes. Dieser Artikel lädt dich ein, die klassischen Stimmen, moderne Deutungen und eigene Übungswege zusammenzudenken.

Inhalt: Yogasutra Kapitel 4, Vers bzw. Sutra 25

Kurz zusammengefasst

  • Unterscheidung (Viveka): Yogasūtra 4.25 betont die klare Trennung von Geist (citta) und wahrem Selbst (puruṣa) – ein Schlüssel zur Befreiung.
  • Klassische Kommentare: Vyāsa und andere Kommentatoren beschreiben, wie das Fragen nach „Wer bin ich?“ endet, wenn die Verschiedenheit erkannt wird.
  • Übersetzungen: Verschiedene Varianten betonen mal das Aufhören von Neugier, mal das Ende der Ich-Illusion – die Essenz bleibt gleich.
  • Praxis: Meditation lehrt, Gedanken als Ereignisse zu sehen, nicht als Identität. Auch Alltagssituationen wie Stress im Stau oder Kritik sind Übungsfelder.
  • Wissenschaft: Studien zum Default Mode Network bestätigen, dass das Erleben von Selbstlosigkeit neurologisch fassbar ist.
  • Vyāsa-Kommentar: Innere Ergriffenheit beim Hören der Lehre gilt als Hinweis auf karmische Reife und den „Samen der Befreiung“.
  • Ziel: Das Ende der falschen Identifikation führt zu Kaivalya – Freiheit jenseits von Denken, Grübeln und Ego.

Details und Erläuterungen zu allen Punkten im weiteren Artikel.

Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:

  • Vishesha, viśeṣa, visesa = Unterschied; Einzigartigkeit; Verschiedenheit; Besonderes; Unterscheidung; Abgrenzung; das besondere (Sehen); besonderes Kennzeichen;
  • Darshinah, darśinaḥ, darsina, darshana = von dem (für den), der sieht; Einheit; Sicht; einsichtig; der Seher; einer, er sieht; beobachten; erkennen; verstehen;
  • Atma, ātma = das wahre Selbst; Hauch; Seele; Aufenthaltsort des Geistes;
  • Bhava, bhāva, bhavana, bhâvâna = Ziel; Sein; Wunsch; fixe Idee; Vorstellung; Wesenheit; Erfahrung;
  • Atmabhava, âtmabhâva, ātma-bhāva = Bewusstsein des Selbst; Selbsterkenntnis; Selbstverwirklichung; Existenz der Seele; das eigentliche Selbst; eigenes Wesen;
  • Bhavana, bhāvanā = Zielstrebigkeit; fixe Idee; Wunsch; Kultivierung eines Seinszustandes; die konstante Beschäftigung mit dieser Frage;
  • Vinivrittih, nivṛttiḥ = völliges Aufhören (der Gedanken, Vorurteile, Trübungen ...); Verschwinden (der Gedankenwellen); rückgängig machen; umkehren; zurückdrehen; Rückzug; für immer zu Ende gehen;

Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hervorhebungen weisen auf Besonderheiten der jeweiligen Übersetzung hin. Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • Sukadev: „Wer ... Unterschied (zwischen Selbst und Geist) erkennt ...“
  • Deshpande/Bäumer: „Derjenige, der die einzigartige Schau (des Purusa) besitzt, wird befreit von der Vorstellung der Selbstbezogenheit.“
  • Dr. R. Steiner: „Beobachte die Verschiedenheit Deines Wahrnehmungsraumes (citta) von Deinem Wesenkerns (puruṣa) ...“
  • Paul Deussen (1908): „Für den, welcher die Verschiedenheit [des Purusha vom Cittam] erkennt, schwindet der Wahn, dass es [das Cittam] der Atman sei.”
  • James R. Ballantyne (1852): „Die Beendigung der (falschen) Vorstellung von der Seele findet in demjenigen statt, der den Unterschied kennt."
  • Coster: „Der Wunsch nach Erkenntnis der Natur des Selbst wird ausgelöscht, ...“
  • Feuerstein: „... der den Unterschied ... erkennt, hört das Projizieren eines [falschen] Selst-Sinns (atma-bhava) auf.“
  • R. Palm: „... hört die Kultivierung der Eigenwesenheit auf.“
  • R. Sriram: „... hört der Wunsch nach Selbsterkenntnis auf.“
  • Govindan: „Jemand, der den Unterschied erkennt zwischen der Wahrnehmung und dem Selbst, ...“
  • Iyengar: „Wer die Schau des Sehers erlangt hat, ...“
  • Chip Hartranft: „Sobald man zwischen Bewusstsein und Gewahrsein unterscheiden kann, ...“
  • R. Skuban: „Wer richtig unterscheidet, ...“
  • T.K.V. Desikachar: „... ist frei von dem drängenden Wunsch, das Wesen der in seinem Herzen wohnenden erkennenden Kraft zu verstehen.“
  • G. Pradīpaka: „Für einen, der die besondere Unterscheidung (viśeṣa) kennt (darśinaḥ) ... gibt es ein Aufhören (vinivṛttiḥ) der Praxis des Grübelns (bhāvanā) über die Natur (bhāva) seines (eigenen) Selbst (ātma)“
  • 12koerbe.de: „... die Selbst-Wesens-Vergegenwärtigung findet ihr Ende
  • Hariharananda Aranya: „... hört das Nachfragen über die Natur seines Selbst auf.“
  • I. K. Taimni: „Das Aufhören (des Verlangens) nach dem Verweilen im Bewusstsein von Atma ...“
  • Swami Satchidananda: „... hören die Gedanken an den Geist als den Atman für immer auf.“
  • Swami Prabhavananda: „... hört auf, den Geist als den Atman zu betrachten.“
  • Swami Vivekananda: „Für den Unterscheidenden ...“
  • Wim van den Dungen (buddhistischer Kommentar zum Yogasutra): „... kommt es zum Abbruch der Kultivierung des falschen Selbstgefühls.“
  • Rainbowbody: “Man wird nicht mehr getäuscht - nicht mehr mitgerissen von der künstlichen Unterscheidung (visesa), ..., die den Seher und den Gesehenen von ihrem gesamten vereinheitlichten Kontext trennt. ...”

Zu den Quellen

Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:

Bücher

Internetseiten

Weitere Quellen, z. B. zu aktuellen Studien, sind direkt im Text verlinkt.

Dein Übersetzungsvorschlag

Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.

Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?

Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)

 

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Einordnung dieser Sutra im Yogasutra

Kurze Zusammenfassung der vier Kapitel des Yogasutras

  • 1. Samādhi Pāda – Über die Versenkung
    Beschreibt das Ziel des Yoga: das zur Ruhe bringen der Gedanken im Geist. Erläutert, was Yoga ist, die Arten von Samādhi (meditativer Versenkung) und wie der Geist durch Übung (abhyāsa) und Loslösung (vairāgya) zur Ruhe gebracht werden kann.
  • 2. Sādhana Pāda – Über die Praxis
    Behandelt die konkrete Praxis des Yoga. Führt die acht Glieder des Yoga (Ashtanga Yoga) ein: Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana, Samadhi. Schwerpunkt liegt auf der ethischen Vorbereitung und inneren Reinigung.
  • 3. Vibhūti Pāda – Über die übernatürlichen Kräfte
    Beschreibt die fortgeschrittenen Stufen der Praxis (Dharana, Dhyana, Samadhi = Samyama) und die daraus entstehenden übernatürlichen Kräfte (Siddhis). Warnt davor, sich von diesen Kräften ablenken zu lassen.
  • 4. Kaivalya Pāda – Über die Befreiung
    Erklärt das Ziel des Yoga: Kaivalya (vollkommene Befreiung des Selbst von der Materie). Diskutiert die Natur des Geistes, Karma, Wiedergeburt und wie durch Erkenntnis die endgültige Freiheit erlangt wird.

Im vierten Kapitel, dem Kaivalya-Pāda, entfaltet Patañjali die Idee der endgültigen Befreiung (Kaivalya) – der Zustand, in dem der Seher (Puruṣa) vollkommen frei von allen Bindungen des Geistes und der Materie steht. Kaivalya als Freiheit: Wörtlich heißt es „Alleinheit“ – nicht Einsamkeit, sondern die völlige Freiheit des Bewusstseins von allen Bindungen.

Beginnend mit Erklärungen über die Herkunft übernatürlicher Kräfte (Siddhis) zeigt Patañjali, dass diese zwar durch Geburt, Substanzen, Mantras, Askese oder Meditation entstehen können, aber keineswegs das Ziel des Yoga darstellen. Vielmehr warnt er davor, sie mit Befreiung zu verwechseln. Im Kern wird das Verhältnis von Geist (citta) und Selbst (puruṣa) präzisiert: Der Geist ist wandelbar, er nimmt Eindrücke auf und bringt Erfahrungen hervor, doch das Selbst bleibt stets unberührt.

Bis zu Sutra 4.25 steigert sich die Argumentation: Zunächst wird gezeigt, dass auch subtile Eindrücke (saṃskāras) weiterwirken, dass selbst das „Ich-Gefühl“ (ahaṃkāra) eine Funktion des Geistes ist. Entscheidend wird die Unterscheidungskraft (viveka): Wer erkennt, dass Geist und Selbst grundverschieden sind, löst die Identifikation mit mentalen Regungen auf. Damit endet das ständige Kreisen um das „Ich“, die innere Neugier, wer oder was das Selbst sei. 4.25 markiert somit den Wendepunkt: nicht durch weitere Fragen oder Kräfte, sondern durch klare Einsicht erlischt die falsche Identifikation und öffnet sich der Weg zur endgültigen Freiheit.

Übersichtstabelle

Abschnitt (Sutren)HauptthemaKernaussage
4.1 – 4.3 Ursprung von Siddhis (außergewöhnliche Fähigkeiten) Siddhis entstehen durch Geburt, Substanzen, Mantra, Askese oder Meditation – sie sind Begleiterscheinungen, nicht das Ziel des Yoga.
4.4 – 4.6 Vielfalt des Geistes Auch viele Geistformen (citta) sind letztlich Ausdruck einer einzigen Intelligenz – sie entstehen aus karmischen Eindrücken.
4.7 – 4.11 Karma und Eindrücke Der Yogi übersteigt Dualität von Gut und Böse; saṃskāras speichern Erfahrungen, doch durch Unterscheidung können sie aufgelöst werden.
4.12 – 4.18 Zeit, Wahrnehmung und Geist Vergangenheit und Zukunft sind Potenzialformen; Objekte bestehen unabhängig, der Geist spiegelt sie – Wahrnehmung ist relativ.
4.19 – 4.24 Geist ist nicht das Selbst Das citta kann nicht sich selbst erkennen; es spiegelt Puruṣa. Verwechslung von Geist und Selbst ist die Quelle von Bindung.
4.25 Wendepunkt: Unterscheidung (viveka) Wer die Verschiedenheit von Geist und Selbst erkennt, hört auf, das Geistfeld als „Ich“ zu begreifen – Illusion und Neugier verstummen.
 

Zum Verständnis dieser Sutra lies auch alle vier Sutras: IV 22-25:

Yoga Sutra IV-22: Selbsterkenntnis tritt ein, wenn der Geist nicht mehr von Ort Ort wandert und sich selbst wahr nimmt

Zur Sutra


Yoga Sutra IV-23: Wenn der Geist in der Lage ist, den Sehenden und das Gesehene widerzuspiegeln, versteht er alles

Zur Sutra


Yoga Sutra IV-24: Obwohl der Geist von unzähligen Wünschen und Eindrücken (Vasana) geprägt ist, dient er dem wahren Selbst (Purusha), denn beide sind miteinander verbunden

Zur Sutra


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Yogasutra 4.25: Erkennen des Geistes und wahren Selbst

Das Sutra 4.25 besagt sinngemäß: Wer den Unterschied (Viveka) zwischen Geist (citta, inklusive Gedanken, Emotionen u. ä.) und dem wahren Selbst (ātman/Puruṣa) erkennt, der verliert die Illusion, sein Ich im Denken zu suchen. Praktisch heißt das: Sobald man klar wird, dass Gedanken und Bewusstseinszustände nicht identisch sind mit dem unveränderlichen Selbst, hören die endlosen Gedankenschleifen des Ego auf. Moderne Übersetzer fassen dies etwa so: „Für den, der die Verschiedenheit erkennt, schwindet der Wahn, dass das Geist-Feld sein wahres Selbst sei.“. Andere Varianten sprechen vom Ende der Selbst-Befragung („curiosity ceases“) oder vom Verschwinden des falschen Selbstbildes. Allen Übersetzungen ist gemeinsam, dass mit Viveka – dem unterscheidenden Erkennen – die Ātma-Bhāva-Bhāvanā-nivṛtti eintritt, also das Aufhören, das Geistesfeld als das Selbst anzusehen.

Unterschiedliche Übersetzungen

In der Literatur findet man diese Varianten: Paul Deussen (1908) übersetzt: „Für den, welcher die Verschiedenheit erkennt, schwindet der Wahn, dass es [das Citta] der Ātman sei.“. James R. Ballantyne (1852) schrieb ähnlich: Die Beendigung der (falschen) Vorstellung von der Seele findet in demjenigen statt, der den Unterschied kennt.

Alternativdeutung von Sutra 4.25: Genug der Erkenntnis! R. Sriram und andere (siehe oben bei den Übersetzungsvarianten) übersetzen und deuten diese Sutra dahingehend, dass für denjenigen, der “den unveränderlichen Kern des Selbst erkannt hat”, das Verlangen nach (weiterer) Selbsterkenntnis erlischt. Swami Satyananda Saraswati fasst diese Sichtweise so zusammen: „Inquiries about self cease.“ (Selbstbefragung hört auf). Frank Ziesing formuliert: „Bei dem, der den Unterschied erkennt, hört das stetige Denken an die eigene Geschichte auf.“. Gemeint ist auch: Das permanente Grübeln über „Wer bin ich?“ endet.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ob Neugier auf das Selbst endet oder Ego-Illusion zerbricht – alle Deutungen sehen den Kern darin, dass nach dem Erkennen der Verschiedenheit von Puruṣa (reines Bewusstsein, wahres Selbst) und Geist das Ich-Gefühl (Ahaṃkāra) zerfällt. Grundlegend andersartig sind diese Lesarten nicht; sie betonen nur verschieden stark, ob es um das Aufhören des Denkens („Geschichte des Ich“) geht oder um das Verschwinden der Illusion. In jedem Fall steht Viveka (Unterscheidungsweisheit) im Mittelpunkt.

Schlüsselbegriffe von Sutra 4.25

Wichtige Worte sind hier Darśin, Viveka, ātma-bhāva-bhāvanā und nivṛtti.

  • Viśeṣa-darśinaḥ bezeichnet den „Erkennenden der Verschiedenheit“ – also den Übenden, der die innere Unterscheidung schafft.
  • Viveka bedeutet Unterscheidungskraft.
  • Atma (ātman) ist das unveränderliche Selbst/äußere Bewusstsein,
  • citta (Geist) dagegen das sich verändernde Bewusstseinsfeld aus Gedanken und Wahrnehmungen.
  • Ātma-bhāva lässt sich wörtlich mit „Empfindung bzw. Gefühl des Selbst“ übersetzen – im Kontext meint es das Festhalten am eigenen Selbst, die Identifikation des Geistes als Ich. Frank Ziesing definiert ātma-bhāva etwa als „das Dasein des Selbstes, das eigene Sein, die eigene Persönlichkeit, das eigene Werden, die eigene Geschichte“.
  • Bhāvanā steht hier für „ständige Gedankenrunden“ um dieses Ich-Gefühl.
  • Nivṛtti heißt „Aufhören“ oder „Abklingen“.
  • Darshinah steht für sehen/erkennen. Drashtri heißt im Sanskrit wörtlich "der Seher". Wird auch mit „Beobachtender“ oder „wahrnehmendes Subjekt“ übersetzt. Im Yogasutra steht Drashtri für Purusha als wahrnehmende Instanz, unberührt vom Gesehenen. Hier steht es für das Erkennen (des Unterschiedes). Siehe weitere Erläuterungen bei Sutra IV-23.

Man könnte Sutra 4.25 auch so zusammenfassen: Sobald du die Verschiedenheit von flüchtigen Gedanken und dem wahren Selbst erkennst, hört das ständige Grübeln am eigenen Ich-Bild auf.

Citta wird nicht mehr als Purusha (hier Atman) gesehen, unser Bewusstsein nicht mehr als unser wahres Selbst.

Der Yogi, der das bisher Geschriebene völlig verstanden und verwirklicht hat, erhält (gemäß Deshpande/Bäumer, S. 189) eine völlig neue Schau auf die Welt. Eine einzigartige Sicht, welche die Zeitlichkeit auflöst, transzendiert.

Zum Atman

Atman bzw. Atma (Sanskrit wörtlich Lebenshauch, Atem) steht in der indischen Philosophie für das Wahre Selbst, unzerstörbar, ewig und unbewegt. Gerne wird Atman mit Seele übersetzt. Im Yogasutra wird es meines Erachtens nach synonym zu Purusha gebraucht.

Gibt es einen Unterschied zwischen Atman und Purusha?

Ātman

  • Vedische und Upanishadische Tradition: Ātman bezeichnet das innere, unveränderliche Selbst.

  • Es ist das, was hinter allen Rollen, Gedanken und Emotionen unverändert bleibt, also genau wie es dem Purusha zugeschrieben wird.

  • In den Upanishaden wird Ātman oft direkt mit Brahman, dem absoluten Prinzip, identifiziert („Tat tvam asi“ – „Das bist du“).

  • Hier ist die Tendenz monistisch: Am Ende sind Ātman und Brahman eins.

Puruṣa

  • Sāṃkhya und Yoga-Philosophie (z. B. Patañjali): Puruṣa ist der reine Seher, das reine Bewusstsein.

  • Puruṣa ist passiv, unveränderlich, unberührt – er schaut nur.

  • Ihm gegenüber steht Prakṛti, die Urmaterie, aus der sich Geist (citta), Körper und Welt entwickeln.

  • Im Yoga geht es darum, Puruṣa und Prakṛti auseinanderzuhalten.

  • Hier ist die Tendenz dualistisch: Es gibt viele Purushas (jede individuelle Bewusstseinsinstanz), und sie sind vom materiellen Kosmos verschieden.

Kurz gesagt:

  • Ātman = das Selbst im vedischen/vedantischen Kontext, meist identisch mit dem Absoluten (Brahman).
  • Puruṣa = das Selbst im sāṃkhya-yogischen Kontext, verstanden als reines Bewusstsein, das getrennt von Natur/Geist ist.

Beide sind unveränderlich, frei von Eigenschaften und das Zentrum des Erkennens – aber:

  • Ātman wird oft als kosmisch-eins gedacht,
  • Puruṣa eher als vielfach-individuell.

Siehst du Unterschiede zwischen Purusha und Atman?

 

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In anderen Kontexten wird Atman mit vielen weiteren Bedeutungen verwendet: Hauch, Seele, das (höchste) Selbst, Wesen, Natur, eigene Person (im Sinne von "sich selbst"), Eigentümlichkeit, Leib, Körper, Verstand, Intelligenz, Allseele, Weltseele, Einzelseele, Brahman.

Im Hinduismus ist “Jiva” (wörtlich Leben, Lebewesen) die individuelle Persönlichkeit des Menschen und steht für einen feinstofflichen Leib, welcher der Wiedergeburt unterliegt. Der Atman ist in diesem Glauben (dieser Philosophie) unveränderlich, ewig, unsterblich und frei. 

Bei der Erleuchtung vereinigt sich Atman gemäß den Upanishaden mit Brahman, der Weltseele - alles ist/wird eins.

Im Buddhismus herrscht (vordergründig) eine andere Sichtweise vor. Einigen Historikern zufolge soll der junge Siddhartha Gautama (“der” Buddha) noch an einen Atman geglaubt haben. Bei seiner Suche danach, in strenger Askese, kam er zu der Überzeugung, dass so ein unzerstörbarer, unveränderlicher ewiger Kern im Menschen nicht existiere. In dieser Erkenntnis sah er einen Meilenstein zur Erleuchtung. Darum hat er seine Lehre auch selbst “Anatmanvada” (Nicht-Atman-Lehre) genannt. Erst später wurde dafür der Name “Buddhismus” genutzt.

Doch in den Mahayana-Schriften der „Tathagatagarbha“-Sutras soll der Buddha Aussagen gemacht haben, die stark an die Atman-Vorstellung erinnern. Darin lehrt Buddha, dass nur die vergänglichen Elemente (Skandhas) eines empfindenden Wesens das „Nicht-Selbst“ („Anatman“) bilden. Daneben gäbe es aber durchaus etwas Ewiges. Die innewohnende Essenz (Svabhava) eines Wesens, Buddha nannte es Buddha-Prinzip oder Buddha-Natur, sei rein und todlos. Im „Mahayana Mahaparinirvana Sutra“ wird dieses innewohnende, unsterbliche Buddha-Element als das „wahre Selbst“ bezeichnet. Darin wird es so beschrieben, dass es nicht durch die Wiedergeburt beeinflusst wird, immer vollkommen makellos und strahlend rein sei. Zudem warte es in den Tiefen des verunreinigten Alltagsbewusstseins eines jeden Wesens auf seine Entdeckung. Im „Tathagatagarbha Sutra“ beschreibt der Buddha, dass er mit seinem Buddha-Auge dieses verborgene Buddha-Juwel in jedem Wesen erkennen könne. (Quelle: Atman-Erläuterungen bei Wikipedia).

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Klassische Kommentare

Die altindischen Kommentatoren erklären 4.25 im Geist der Sankhya-Yoga-Lehre. Nach Vyāsa löst sich die „Neugier“ nach dem Selbst auf, wenn der Übende Puruṣa und Geist unterscheidet. Er beschreibt, wie für jene, die sich fragen „Wer war ich? Wie werde ich?“ dieses endlose Fragen verstummt, sobald die Dualität klar wird. Vyāsa sagt: „Dies hört jedoch auf bei dem, der die Verschiedenheit (zwischen Puruṣa und Geist) sieht … Auch die Neugier nach dem Wesen und den Beziehungen des Selbst erlischt beim Weisen.“. Vācaspati Miśra betont ähnlich: Für den Seher der Verschiedenheit „ermüdet“ die Beschäftigung mit dem Selbst. Sobald man in der Erfahrung erkennt, dass das subjektive Bewusstsein (Puruṣa) von der objektiven Existenz (Geist und Welt) verschieden ist, erübrigen sich alle Fragen nach dem Ich. Beide Kommentatoren sind sich einig: Erfahrene Yogis wenden tiefe Viveka-Praxis an und lösen so selbst subtile egozentrische Gedanken (Samskāras) auf. In der Folge tritt Samādhi ein, ein Zustand innerer Freiheit ohne Ahaṃkāra (Ichbewusstsein). (Vgl. Sutra 4.26-4.29.)

Auch spätere Kommentare wie der Rājamārtaṇḍa des Königs Bhoja (11. Jh.) sehen hier den Wendepunkt im Geist: Das Denken wird von weltlicher Voreingenommenheit zurück zur unterscheidenden Einsicht gelenkt. Auch Bhoja spricht davon, dass das Citta sich dem Pfad der Unterscheidungsweisheit (viveka) zuwendet und „vom Gewicht der herannahenden Befreiung (Kaivalya) gebogen“ wird. Im Kern stimmen alle: Wer die Wesensverschiedenheit durchschaut, lässt die Iden­ti­fikation des Geistes als Selbst fallen und erfährt tiefen inneren Wandel.

Du bist nicht dein Kopfkino

Für viele Kommentatoren geht es Patanjali hier also wiededr darum, dass der Yogi erkennen sollte, dass er nicht der Körper, seine Gedanken oder Emotionen ist. Dass dahinter ein regloser Beobachter dein Wahres Selbst darstellt: Atman oder Purusha. Geist und Körper sind nur Instrumente, die wir nutzen, um Erfahrungen zu machen und uns zur Befreiung hin zu entwickeln.

Anders ausgedrückt: Der Yogi muss den Unterschied zwischen Purusha (Wahres Selbst, Seele) und Prakritie (Natur, Schöpfung und damit auch die Gedanken, Gefühle, der Körper) erkennen.

„Wer dies vollständig und klar sieht, ist von der falschen und eingebildeten Vorstellung des Selbst befreit.“

Swami Venkatesananda

Wie häufig erlebst du das Gefühl, aus deinem „wahren Selbst“ zu handeln?

 

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Moderne Deutungen und wissenschaftliche Bezüge

Zeitgenössische Kommentatoren knüpfen an diese klassischen Ideen an und sehen in 4.25 eine Bestätigung der psychologischen Abkehr vom Ego. Dr. Ronald Steiner etwa formuliert: „Beobachte die Verschiedenheit Deines Wahrnehmungsraumes (citta) von Deinem Wesenkerns (puruṣa). Du wirst erkennen, dass Dein Wesenskern nicht der Wahrenhmungsraum ist.“. Im Yogakurs oder der Meditation kann sich das so anfühlen, dass man einen stillen Zeugen hinter den Gedanken wahrnimmt. Sobald das „Zeugengefühl“ etabliert ist, verlieren innere Ängste und Selbstzweifel ihre Macht – eine Befreiung, die Praktizierende bestätigen.

Neurowissenschaft und Kognitionswissenschaft liefern eine spannende Parallelperspektive: Viele Studien zeigen, dass in tiefen Meditationszuständen das Standardnetzwerk des Gehirns (mit dem wir unser Ego-Modell aufrechterhalten) abgeschwächt wird. Dies korreliert mit dem berühmten Gefühl des ego-loss oder „Verlusts des Ich-Gefühls“ (z. B. verminderte Aktivität im Default-Mode-Network). Neue Forschungsansätze wie die Neuroanthropologie deuten darauf hin, dass das feste „Ich“ neurobiologisch konstruiert ist, aber – wie das Yoga-Sutra sagt – durch innere Einsicht und Meditation abgeschmolzen werden. Anders ausgedrückt: Die Empfindung eines getrennten Selbst ist im Gehirn eine Sammlung von Annahmen und Gewohnheiten (einer „Selbst-Modell“-Vorstellung). Yogaübungen, Achtsamkeit und Selbsterforschung reduzieren diese Hirn-Selbstdarstellung, so dass am Ende nur noch das reine Gewahrsein (die Erfahrung des Atman) bleibthjssh.sharadpauri.org.

Erfahrungsberichte von Yogis sprechen von einem sanften Loslassen innerer Dramen und einer plötzlich spürbaren inneren Ruhe, wenn der Geist dem wahren Selbst weicht. Dies unterstreichen auch kognitive Konzepte wie „Decentering“ (Loslösung vom Ich-Gefühl) in der Psychologie und „nondual awareness“ in der Bewusstseinsforschung.

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Übungsvorschläge zu Sutra IV-25

Wie kann ich das Erkennen meines „Wahren Selbst“ üben? Viele Kommentatoren raten, die inneren Vorgänge dauerhaft zu beobachten. Abstand zwischen den eigenen Gedanken und Emotionen zum beobachtenden wahren Selbst zu erfahren.

Andere, wie Govindan, sagen, dass man im Zustand tiefster Meditation an die „Grenzen des individualisierten Bewusstseins“ gelange. Dann blieben die Gedanken zurück und „ohne Anstrengung“ werde man sich seines wahren Selbst bewusst. Aurobindo habe dazu geschrieben (so Govindan): “Man verliert die Gewohnheit zu denken”. Man bleibt dann in dem Bewusstsein, dass man ein „universelles und unvergängliches“ Subjekt sei. Ein angenehmer Nebeneffekt dieses Zustandes sei zudem, dass man über alles und jeden in der Welt lächeln könne.

In der Meditation

Setz dich hin, ganz schlicht. Schließ die Augen. Und dann warte. Da kommen Gedanken. „Ich sollte die Wäsche machen.“ „Bin ich eigentlich ein guter Mensch?“ – oder noch platter: „Ich hab Hunger.“ Normalerweise springst du sofort ins Boot und fährst mit dieser Welle los. Stattdessen bleib sitzen. Beobachte. Sag dir innerlich: Da ist ein Gedanke. Nicht: Ich bin dieser Gedanke. 

Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Und es fühlt sich anfangs unnatürlich an, fast distanziert. Aber genau darum geht’s. Die Sutra lädt dich ein, diese Mikro-Sekunde zu spüren, in der du siehst:

Da ist „etwas“ in mir, das beobachtet – und das ist nicht identisch mit dem Strom der Gedanken.

Es ist wie ein Stuhl hinter der Bühne: Du sitzt da, während vorne das Stück gespielt wird.

Das Vorgehen ist wie gewohnt: Richte dich auf den Atem. Einatmen. Ausatmen. Gedanken ziehen vorbei wie Wolken, du bleibst der Himmel. Du wirst feststellen, dass der „Ich-bin-das-alles“-Reflex immer wieder reinspringt. Kein Problem. Genau darin übst du: bemerken, loslassen, zurück ins Beobachten.

Meine Erkenntnisse/Erfahrungen bei/mit dieser Übung

... oder kannst du eine andere Übung zum besseren Verständnis bzw. zum Erfahren dieser Sutra ergänzen?

 

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Im Alltag

Du brauchst keine Meditationskissen, um diese Sutra zu üben. Alltag ist dein Trainingsfeld, hier noch einmal die immer wieder genannten Übungsbeispiele: Jemand kritisiert dich im Job. Dein Geist springt sofort: „Ich bin unfähig!“ – Stop. Spür den Moment, wo du das bemerkst. Atme. Frag dich: Ist das jetzt mein Selbst, oder ist das nur ein Gedanke, ein Gefühl? Das bringt Abstand. Du merkst: Der Geist produziert Geschichten, aber sie sind nicht dein Kern.

Noch ein Beispiel: Du stehst im Stau. Ärger wallt auf. Dein Geist brüllt: „Das ist unerträglich!“ – Schau dir diesen Satz an wie eine Laufschrift. Lass ihn durchziehen. Du kannst üben, den Ärger nicht als „mein Ich“ zu übernehmen, sondern als Wetterlage, die gerade durchs Bewusstsein zieht.

Und vielleicht das Alltags-Königsbeispiel: Dein Handy vibriert. Sofortige innere Bewegung: „Ich muss reagieren!“ – Hier ist das perfekte Labor für 4.25. Leg das Ding weg, beobachte nur, wie der Impuls aufsteigt. Und sieh: Da ist ein Geist, der reagiert. Aber das bist nicht du.

Allgemein

Mache dir bei so vielen Gelegenheiten wie möglich deutlich: Ich bin nicht dieser Körper, ich bin nicht dieser Gedanke, nicht dieses Gefühl. Damit stärkst du dein Unterscheidungsvermögen und näherst dich gemäß vieler Kommentatoren dem Erkennen deines Atman. Übe weiterhin die völlige (freudvolle) Bewusstheit. Mit jedem dieser Beobachtungsakte wächst die Unterscheidungsfähigkeit (Viveka), bis die alten automatischen Gedanken‑Selbst-Identifikationen verblassen. Viele Lehrer empfehlen dabei Selbstbefragung oder das stille Merken des Gedankens „Ich bin dieses Bedürfnis/Angst/Gedanke nicht“, um das Erkennen zu vertiefen. Sobald das Versteckspiel des Geistes als Selbst endet, kehrt laut Sutra 4.25 der Geist von allein zum Zustand der reinen Freiheit (Kaivalya) zurück – eine Erfahrung, die weit über das normale Denken hinausgeht.

Kommentar von Vyasa zu Sutra 4.25: über die Neugier am Selbst

Erläuterungen zu Vyasa

Vyasa war ein indischer Philosoph des 5. bzw. 6. Jahrhunderts nach Christi, der den ältesten überlieferten Kommentar zum Yogasutra des Patanjali schrieb. Der Text wird Yogabhashya (wörtlich "Kommentar (Bhashya) zur Yogaphilosophie") genannt und um 600 nach Christi datiert. Vyasas Kommentare zu den Sutras sind oftmals recht kurz.

Ohne Vyasas Kommentar wären viele Sutras heute fast unverständlich. Manche Gelehrte sagen, der Text ist erst durch den Kommentar wirklich „lesbar“.

Vyāsa war vielleicht/wahrscheinlich kein einzelner Autor, sondern ein Titel, der mehrere Kommentatoren der indischen Tradition umfasst. Die Stimme, die wir im Yogasutra-Kommentar hören, ist also vielleicht ein Chor.

Vyasas Yogabhashya wurde im 8./9. Jh. von Shankara (788–820 n. Chr, indischer Gelehrter, Vedanta-Philosoph, Begründer der Advaitavedānta-Tradition) kommentiert. Sein Kommentar nennt sich Yogabhashyavivarana, Vivarana ist ein Unterkommentar.

Auch Vachaspati Mishra hat einen frühen, berühmten Kommentar zum Yogasutra geschrieben. (Meine Quellen für diese Kommentare waren unterschiedliche Bücher und Webseiten, zum Beispiel Legget (siehe Literatur) und wisdomlib.org/hinduism/book/yoga-sutras-with-commentaries/). Ich gebe hier diese Kommentare in für mich relevanten Auszügen in Worten wieder, die für mich den Sinn in heutigen Worten am besten wiedergeben. Dies ist explizit kein Bemühen, die Originalkommentare wortgetreu wiederzugeben. Fehlinterpretationen sind natürlich in meiner Verantwortung.

Du siehst etwas anders, hast einen Fehler gefunden oder möchtest etwas ergänzen? Bitte schreibe dies unten bei "Ergänzungen von dir".

Die Kommentare von Vyasa, Mishra und Shankara sind oft wörtlich übersetzt worden, zum Beispiel bei den oben angegebenen Quellen.

Vyāsa greift zu einem Bild: So wie man an den Grashalmen im Regen erkennt, dass es Samen geben muss, so erkennt man an bestimmten inneren Regungen, dass im Menschen bereits ein Keim zur Befreiung vorhanden ist.

Wenn jemand Tränen vergießt oder Gänsehaut bekommt, sobald er von der Möglichkeit der Befreiung hört, dann zeigt das: In ihm schlummert ein „Karmavorrat“, der ihn auf den Weg zur Erkenntnis führt. Diese spontane Rührung ist wie ein Samen des Unterscheidungswissens – die Fähigkeit, Geist (citta, sattva) und das wahre Selbst (puruṣa) auseinanderzuhalten.

Die Neugier nach dem Selbst

Vyāsa beschreibt, wie sich diese innere Bewegung oft äußert:

  • „Wer war ich?“

  • „Wie war ich?“

  • „Was ist das hier?“

  • „Wie ist es?“

  • „Was werde ich werden?“

  • „Wie soll das geschehen?“

Diese Fragen sind wie innere Antreiber, eine Art metaphysische Neugier, die uns nach der Natur des Selbst forschen lässt. Sie sind, so Vyāsa, nicht künstlich, sondern eine natürliche Manifestation, wenn der Keim zur Befreiung in einem Menschen lebendig ist.

Aber: Der Wendepunkt

Doch Vyāsa setzt eine Zäsur: Für denjenigen, der die Verschiedenheit von Geist und puruṣa wirklich erkennt, hören diese Fragen auf. Warum? Weil all diese unendlichen Veränderungen und gedanklichen Variationen nur das Feld des Geistes betreffen. Das Selbst ist unveränderlich, unberührt, jenseits aller Fragerei.

Mit anderen Worten: Die Neugierde, die wir für so tief halten – Wer bin ich eigentlich? – ist in Wahrheit ein Produkt der Unwissenheit. Sobald die Unwissenheit (avidyā) verschwindet, sobald klare Sicht (viveka) da ist, hört auch diese Neugier auf. Nicht, weil man stumpf oder uninteressiert würde, sondern weil das Rätsel gelöst ist: Das wahre Selbst war nie betroffen von dem, was der Geist durcheinanderwirbelt.

Praktische Bedeutung

Vyāsas Worte sind kein trockener Kommentar, sondern ein Hinweis auf etwas, das du im eigenen Leben beobachten kannst:

  • Wenn dich ein Text oder eine Lehre plötzlich tief bewegt, fast körperlich, dann könnte das genau dieser „Samen“ sein, von dem Vyāsa spricht.

  • Solange du in Gedanken ständig um „Wer bin ich? Was werde ich?“ kreist, bist du noch mitten im Spielfeld des Geistes.

  • Wenn du aber einen Moment erlebst, in dem diese Fragen verstummen und eine stille Klarheit bleibt – dann bist du vielleicht kurz in die Spur des puruṣa hineingeraten.

Kleine Spitze am Rande

Vyāsa erlaubt sich beinahe eine ironische Wendung: Wer diese innere Neugier nicht kennt, der wendet sich oft dem Gegenteil zu. Er lehnt die Suche nach dem Selbst ab, liebt eher das Gegenteil – nämlich das ständige Spiel der Erscheinungen – und verachtet die ernsthafte Suche. Auch das, sagt Vyāsa, ist eine Haltung. Aber eben eine, die im Kreis dreht.


Siehe auch folgende Sutras

Yoga Sutra I-47: Erreicht der Yogi Routine im Nirvichara Samadhi, erscheint ihm allmählich das innerste Selbst

Zur Sutra


Yoga Sutra II-10: Die subtilen Formen [der Kleshas, der schmerzbringenden Hindernisse] können überwunden werden, indem man sie zu ihrem Ursprung zurückführt

Zur Sutra


Yoga Sutra II-12: Die Kleshas sind [somit] die Wurzel für das gespeicherte Karma. Es wird im sichtbaren [gegenwärtigen] oder in nicht sichtbaren [zukünftigen Leben] erfahren werden.

Zur Sutra


Yoga Sutra III-56: Wenn der Geist so rein (Sattva) wird wie das wahre Selbst (Seele, Purusha), erreicht der Yogi Befreiung (Kaivalya, Vollendung im Yoga)

Zur Sutra



Ergänzungen und Fragen von dir zur Sutra

Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?

Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:

 

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Videos zu Sutra VI-25

Ruhe des Geistes führt zur Selbsterkenntnis – Kommentar von Sukadev zu Yoga Sutra – Kap. 4, Vers 22 bis 26

Länge: 9 Minuten

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Erschaffung von Vishesha Darshin – Kommentar von Anvita Dixit zu Yogasutra 4.25

Länge: 9 Minuten

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Video von Ahnand Krishna zur Sutra

Wer bin ich? Asha Nayaswami (Class 67) zu Sutra 4.24 bis 4.34

Länge: 95 Minuten

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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