Bhakti-Yoga - der Weg der liebevollen Hingabe
Die Bedeutung: Bhakti-Yoga steht für liebevollen und verehrenden Hingabe zu Gott, einem Guru und/oder der gesamten Schöpfung. Es gibt viele Spielarten der Bhakti...
Einordnung des Bhakti Yoga in die indische Philosophie
Wiedergeburt und Erlösung im Hinduismus
Götter, Menschen und Tiere durchlaufen nach hinduistischer Glaubenstradition in einem durch ewige Wiederkehr gekennzeichneten Kreislauf (dem Samsara) die vier Weltzeitalter, Yuga.
Durch Handlungen und Geistestätigkeiten im Leben wird gutes oder schlechtes Karma angesammelt. Dieses hat Einfluss auf künftige Wiedergeburten und das Erreichen der eigenen Erlösung – Moksha.
Doch Mokscha, die Erleuchtung, ist nicht nur – langwierig – über gute Taten erreichbar. Der Weg des Yoga will diesen Vorgang erheblich beschleunigen.
Im Yoga stehen hierfür 3-4 (je nachdem, ob Raja-Yoga als eigenständiger Weg gezählt wird) Wege zur Verfügung:
- Bhakti Yoga, die liebende Verehrung Gottes
- Karma-Yoga, der Weg der selbstlosen Taten
- Jnana Yoga, der Weg des richtigen Wissens
- Raja Yoga, der „Königsweg“ des achtfachen Pfades (Ashtanga). Asanas (Hatha-Yoga etc.) sind hiervon ein Glied.
Eliade schreibt aus Seite 41: Für die meisten philosophischen Schulen Indiens mit Ausnahme der Bhakti ist Mosksa – die Befreiung – ein Freiwerden von der Idee des Bösen und des Schmerzes. Sie ist ein Bewusstwerden dieser Freiheit davon, die schon jederzeit in allen von uns vorhanden ist. Leid als Illusion.
Bhakti hingegen strebt zu einer Gottheit hin.
Was ist "Gott" im Bhakti Yoga?
Die Gottesvorstellung im Yoga hat eine Entwicklung durchlaufen, siehe dazu den eigenen Beitrag:
Gott im Yoga | Von Ishvara, Atheismus und Shiva
Im Yoga gibt es verschiedene Gottesvorstellungen. Manche Pfade kommen völlig ohne ein höchstes Wesen aus, andere suchen die Erlösung in der Verehrung einer persönlichen Gottheit. Dazwischen gibt es zahlreiche Abstufungen.
Bhakti als das I-Tüpfelchen
In einem Kommentar zu Vedanta -Sutra schreibt Ramanuja (Eliade, Fußnote auf Seite 153), dass die yogischen Techniken zwar zur völligen Erkenntnis allen Geschehens in den drei Welten führe, ja man sogar zur direkten Intuition von Brahman (Weltseele, absolute, göttliche Kraft ...) gelange, dass aber die "mystische Konzentration des Geistes" durch die Bhakti unterstützt werden müsse. Ganz wie es in der Bhagavad Gita geschrieben stehe.
Bhakti Yoga in der Bhagavad Gita
Stellvertretend hier folgende Verse aus der Gita, wo Krishna zu Arjuna sagt:
6-14: Mit heiterem Geiste, ohne Furcht, fest im Gelübde der Keuschheit (Bahmachari), mit beherrschtem Intellekt/Verstand/Geist, das Denken auf Mich gelenkt, übe er Yoga aus (sitze er) und nehme Mich zu seinem höchsten Ziele.
6-15: Wenn der Yogi so seine Seele dauerhaft in der Meditation hält, seinen Intellekt unterjocht (alternativ übersetzt: seinen Geist beherrscht), erreicht der Yogi den Frieden, der in Mir wohnt und dessen letzte Grenze das Nirvana ist.
Anmerkung: Nirvana meint hier nicht das Nirvana der Buddhisten noch das Samadhi des Yoga, sondern eine "vollkommene mystische Vereinigung zwischen der Seele und ihrem Gott" (Eliade, Seite 168).
Oder auch:
9-34: Denke an mich, sei mein Bhakta, verehre mich und erweise mir deine Ehrerbietung. Auf diese Weise, unerschütterlich mit mir verbunden, wirst du mich, das höchste Ziel, erlangen.
siehe: (Bhagavad-Gita Zusammenfassung)
Hier erhält Krishna als Gott in Form der Bhakti eine wesentlich stärkere Rolle für den Fortschritt des Yogi zur Befreiung, als es Patanjali Ishvara in der Yogasutra zuweist: Ein Yogi erreicht gemäß der Gita sein höchstes Ziel nur, wenn er sich auf Krishna ausrichtet.
Arten der Beziehungen zu Gott
Unter anderem jede Form der Religion mit Gott oder Göttern (auch die gesamte Schöpfung kann als göttlich betrachtet werden) kann als Form des Bhakti-Yoga betrachtet werden. Darin finden sich dann jeweils unterschiedliche Beziehungen zwischen Gott und Mensch.
{tab Fünf Beziehungen}
Grundlegend unterscheidet man fünf Arten:
- Die neutrale Beziehung (shanta-rasa)
Als Beispiel könnte der Yogi gelten, der auf Ishvara meditiert, um seinen Geist dem Göttlichen anzugleichen. - Die Beziehung als Diener Gottes (dasya-rasa)
Beispiel: Fast alle Christen oder Moslems betrachten sich als Diener Gottes.
Nun folgen vertraulichere, intimere Beziehungsebenen: - Die freundschaftliche Beziehung (sakhya-rasa)
Beispiele: Im Islam als "Waadi" bekannt. Krishna, wie er als Junge mit seinen Freunden durch die Wälder tollt. - Die elterliche Beziehung (vatsalya-rasa)
Beispiel: Der Yogi sieht Krishna als Kind und empfindet elterliche Zuneigung. - Die eheliche Beziehung (madhurya-rasa)
Beispiel: Im Christentum gibt es Frauenorden die sich "Bräute Christi" nennen.
{tab Die 6 von Sivananda}
Swami Sivananda zählt sechs Arten:
Bhavas als liebende Hingabe im Bhakti Yoga
Es gibt sechs verschiedene Bhavas im Bhakti. Im Santa Bhava ist der Gläubige Santa, friedvoll. Er hüpft nicht und tanzt nicht. Er ist nicht hochgradig emotional. Sein Herz ist voller Liebe und Freude. Bhishma (Held aus der Mahabharata) war ein Santa Bhakta.
Shri Hanuman war ein Dasya Bhakta. Er hatte Dasya Bhava. Er diente Gott Rama mit ganzem Herzen. Er wollte seinen Meister in jeder erdenklichen Weise erfreuen. Er fand Freude und Glück im Dienst an seinem Meister.
Im Sakhya Bhava, ist Gott der Freund des Gläubigen. Arjuna hatte dieses Bhava Shri Krishna gegenüber. Der Gläubige bewegt sich mit Gott auf gleicher Ebene. Arjuna und Krishna pflegten wie enge Freunde zusammenzusitzen, zu essen, zu reden und zu gehen.
In Vatsalya Bhava sieht der Gläubige Gott als sein Kind. Yasoda hatte dieses Bhava zu Shri Krishna. In diesem Bhava ist keine Furcht, denn Gott ist das Kindlein. Der Gläubige dient Gott und füttert und umsorgt Ihn, wie eine Mutter es mit ihrem Kind tut.
Das fünfte Bhava ist Sakhya Bhava. Es wird auch Gopi Bhava genannt. Die Gopis führten Radha und Krishna zusammen, als sie getrennt waren. Sie identifizierten sich mit Radha und Krishna und frohlockten in der Wonne, die aus deren Vereinigung kam.
Das letzte ist Madhurya Bhava oder Kanta Bhava. Dies ist die höchste Form von Bhakti. Dies war die Beziehung zwischen Radha und Krishna. Dies ist Atmasamarpana. Liebender und Geliebte werden eins. Der Gläubige und Gott fühlen sich als eins und halten trotzdem eine Getrenntheit aufrecht, um die Wonne des Liebesspiels miteinander zu erfahren. Dies ist Einheit in Getrenntheit und Getrenntheit in Einheit. Die Beziehung ist die von Ehemann und Gattin. Jayadeva, Mira und Andal hatten dieses Bhava.
Übungen des Bhakti Yoga
Die liebevolle Verehrung eines Gottes oder eines Gurus oder der Schöpfung kann viele Formen annehmen. Die wichtigsten Bhakti-Techniken lauten:
1. Japa
Die Wiederholung von Mantren oder Gottesnamen in Gedanken, als Gesang (=Kirtana) oder in Worten. Beispiel: Om-Rezitation (LINK I-26), Wiederholung des Hare Krishna Mantras.
Video: Hare Krishna Mantra
Die Namen Gottes wiederholen
Nama Sankirtana – das gemeinsame Wiederholen der heiligen Namen Gottes – gilt vielen Bhaktis als wichtigste spirituelle Tätigkeit. Hierbei werde eine direkte Verbindung Gott-Mensch hergestellt.
Als wichtigstes Mantra hierfür gilt das Maha Mantra.
2. Bhajans
Das Singen religiöser Lieder.
3. Pujas
Religiöse Zeremonie vor einer Statue oder einem Bildnis der verehrten Gottheit.
4. Seva
Dienst an der verehrten Gottheit. Dabei kommt es auf die innere Haltung einer Handlung (Selbstlosigkeit, Gott widmend) an.
Prema
Dem fortgeschrittenen Bhakti-Yogi soll sich eine besondere Form der Liebe offenbaren: Prema.
Prema ist die höchste Form der Liebe, die ein Lebewesen erfahren darf. In den Schriften heißt es: Im Vergleich zu Prema sei der "Ozean der weltlichen Freuden" nur soviel, wie die Wassermenge im Hufabdruck eines Kalbes.
Wer von dieser Liebe gekostet habe, der wird keine Befriedigung mehr an den materialistischen Sinnesbefriedigungen erfahren.
Praktiken als Bhakti-Yogi
Die folgenden neun Praktiken des Bhakti-Yoga finden sich in der Bhagavatapurana.
- Sravana
Hören von Gott, meist in spirituellen Texten - Kirtana
Wie im obigen Video "Seinen" Namen singen. Gemeinsam ausgeführt nennt es sich sam-kirtan. - Smarana
Ständiges Denken und Erinnern an Gott, Wiederholen Seines Namens oder eines Mantras wie OM, das an die göttliche Schöpfung erinnert. - Padasevana
Dienst zu Seinen Füßen in Form von Altar-/Tempeldienst, auch beim Altar im eigenen Haus. - Archana
Darbringen von Gottesgaben wie Blumen, der Gang zum Gottesdienst. - Vandana
Sich vor Gott und dem Göttlichen (oder dem Guru) verneigen; auch in Form innerlicher Verneigung möglich. - Dasya
Dienst für Gott, sich als Instrument einer höheren Wirklichkeit betrachten. Jede Handlung kann Gott gewidmet werden: Einen Text schreiben, den Abwasch tätigen, Auto fahren, Yoga üben ... - Sakhya
Gott als Freund ansehen. - Atmanivedana
Steht für völlige Hingabe an Gott. Das Bhagavata Purana 3.29.14 schildert den weitentwickelten Bhakti-Yogi als einen, der sogar den Wunsch aufgegeben hat, mit Gott zu verschmelzen, und es stattdessen vorzieht, nur als sein Werkzeug und nach seinem Willen zu dienend tätig zu sein.
Videos zu Bhakti Yoga
{tab Einführung}
Einführung in den Bhakti Yoga
{tab Bhakti-Musik}
Bhakti-Musik – 239 Lieder
Einfach abspielen, laufen lassen ...
{tab Bhakti-Yogastunde}
Eine Bhakti-Yogastunde
{tab Bhakti-Meditation}
Eine typische Bhakti-Meditation
{tab Swami Sivananda}
Sivananda zu Bhakti Yoga
Bhakti Yoga ist der Yoga der selbstlosen Liebe. Im Zentrum steht die Bekennung zu Gott und der daraus folgernden Liebe zu allem Sein.
Bhakti ist innige Liebe zu Gott. Bhakti ist der Pfad der Hingebung. Er entspricht der Mehrzahl der Menschen am meisten. "Liebe um der Liebe willen" ist das Motto oder die Formel des Bhakti Yogin. Gott ist eine Verkörperung der Liebe. Wer Gott liebt gelangt zu Gott. Gott kann nur durch eine Liebe, die so innig wie die eheliche Leidenschaft ist, erfaßt werden. Die Liebe zu Gott muß stufenweise entwickelt und gepflegt werden.
Wessen Liebe in Gott ruht hat weder Wünsche noch Sorgen. Der Hass auf andere Wesen oder Gegenstände verschwindet, ebenso wie die Bindung der Freude an weltliche Dinge. Solche Menschen schließen jede in ihre warme Liebesumarmung ein.
Es gibt keine Worte, um die Liebe zu Gott und die berückende Extase des Einswerdens mit Gott zu beschreiben. Es ist, als ob ein stummer Mensch irgend eine schmackhafte Speise gekostet hätte und nun nicht darüber sprechen könnte. Sie kann nur den wenigen Auserwählten enthüllt werden. Wer einmal die Erfahrung der Gottesliebe gemacht hat, will nichts anderes sehen und hören und von nichts anderem sprechen als von ihr allein, weil er ständig nur an sie allein denkt.
Bhakti Yoga ist höchstes Wissen. Wer Liebe zu Gott besitzt, ist in der Tat reich. Es gibt keine andere Sorge als die, um fehlende Liebe zu Gott. Es gibt keinen anderen rechten Weg als den der hingebungsvollen Liebe zu Gott. Der Name, die Eigenschaften und die Lilas (Spiele) Gottes sind die wichtigsten Dinge, die man im Gedächtnis haben soll. Die Lotosfüße des Göttlichen sind die wichtigsten Gegenstände der Meditation. Der Fromme trinkt den Nektar von Prem, der göttlichen Liebe.
Gott offenbart sich seinen Frommen auf verschiedene Art. Er nimmt jene Form an, die der Fromme für seine Verehrung gewählt hat. Wenn du Ihn als Gott Hari verehrst, der vier Hände hat, so wird Er sich dir als Siva zeigen. Wenn du Ihn als Mutter Durga (die Mutter Siva's) oder Kali (Gemahlin Siva's) verehrst, wird Er als die göttliche Mutter zu dir kommen. Wenn du Ihn als Rama, Krishna, Dattatreya verehrst, wird Er als Rama, Krishna oder Dattatreya zu dir kommen. Wenn du Ihn als Christus oder Allah verehrst, wird Er als Christus oder Allah zu dir kommen.
Quelle: Inspirationen von Sivananda, zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung von Yoga-Vidya.
{tab Weitere Inspirationen}