
Maha Mudra – das große Siegel | Anleitung aus der Pradipika
Sanskrit: Maha-Mudra = das große Siegel. Eine wirkungsvolle Übung, die laut Hatha Yoga Pradipika, Vers 3-18 "... geheim gehalten werden müsse und nicht an jeden weitergegeben werden dürfe." Hier findest du Übungsanleitung & Variationen.
Übungsanleitung aus der Hatha Yoga Pradipika zu Maha Mudra
3-10: Nun Maha-Mudra: Die linke Fuß-Wurzel (Ferse) drückt gegen die Yoni (Damm, Perineum oder Beckenboden), das rechte Bein ist ausgestreckt. Mit beiden Händen halte man den rechten Fuß fest.
In seinem Kommentar zur Pradipika schreibt Brahmananda, dass man den großen Zeh des rechten Fußes mit beiden Zeigefingern berühren soll.
Andere sagen, dass man beide Daumen auf den großen Zeh geben soll.
Wo ist die Yoni?
Die Ferse soll gegen "Yoni" gepresst werden. Wo ist diese Stelle genau?
Yoni hat viele Bedeutungen. Meist steht es für die weiblichen Genitalien (siehe Wikipedia). Es kann aber auch für Anus, Perineum, Beckenboden oder Damm stehen.
Ich lese als Übersetzung für diese Stelle im Kontext der Sitzhaltung meist "Beckenboden/Perineum", also beim Mann der Bereich zwischen Hoden und Anus, bei der Frau der hintere Teil der Scheide, knapp vor dem Anus.
Siehe auch die Erläuterungen zu Siddhasana, der ab Vers I-36 in der Pradipika besonders gepriesen wird.
3-11: Man setze den Hals-Verschluss (Jalandhara Bandha), halte den Atem (Prana) an (zurück) und leite ihn nach oben. So wie eine Schlange, die von einem Stab geschlagen wird, die Form eines Stabes annimmt.
Alternative Übersetzung: "... halte man den Atem oben an, so wird man gleich einem Stock ..." Diese Übersetzung hört sich danach an, dass man den Atem oben halten soll und dadurch selbst (und nicht die Kundalini in der Sushumna) wie ein Stock wird.
Meist wird Maha Mudra dann wie folgt gelehrt:
- Fußstellung einnehmen (erst das linke Knie beugen, beide Hände an den rechten Fuß, Wirbelsäule gerade halten, Arme gestreckt),
- Luft tief einatmen,
- Luft anhalten,
- (in manchen Übungsanleitungen:) Mula-Bandha, um die Energie nach oben zu ziehen, nicht in allen Übungsanleitungen enthalten (= Geschlechtsorgane und Anus hochziehen),
- Jalandhara-Bandha, damit die Energie nicht nach außen entweicht, Wirbelsäule trotzdem gerade halten (= Kinn auf die Brust),
- (in manchen Übungsanleitungen:) Zungenspitze hinten in der Kehle an den Gaumen legen (= Khechari Mudra),
- (in manchen Übungsanleitungen:) Uddhiyana Bandha setzen (= Bauch ein- und hochziehen)
und dann im Geiste Prana bzw. Energie die Sushumna hochziehen, eventuell mit einer Licht-, Stern- oder Klangvorstellung (Licht fließt vom Muladhara-Chakra die Wirbelsäule empor) verbinden.
Aber eigentlich steht in der Pradipika nur:
- Linke Ferse gegen Yoni pressen,
- Rechte Bein ausstrecken und Fuß mit beiden Händen halten,
- Einatmen,
- Atem anhalten,
- Jalandhara-Bandha (= Kinn auf die Brust),
- Atem "hochziehen",
- Langsam ausatmen,
- Seite wechseln, gleich oft wiederholen
Generelle Tipps zur Asana-Ausführung
Wenn du in die Stellung kommst, mache diese zunächst bewegungslos. Es ist eine gute Basis, eine Asana für zehn ruhige Atemzüge regungslos (oder zumindest sehr ruhig) zu halten. In dieser Zeit auch keine Korrekturen vorzunehmen oder tiefer zu dehnen.
- Der Atem in der Asana
Wenn du in Stellung gehst und dich dabei ausdehnst, atme beim In-Die-Stellung-Gehen ein. Umgekehrt, bei zusammenziehenden Stellungen, atme beim Reingehen aus. Beim Auflösen der Stellung entsprechend umgekehrt.
Wenn du in der Stellung bist, beruhige den Atem. Immer weiter (siehe dazu auch: Yoga - wie atmen?. Atme mit dem Bauch und verlangsame und verfeinere deine Atmung im Laufe des Haltens der Stellung. Wenn problemlos möglich baue kleine Atempausen ein. Verlangsame den Atem so weit, wie es ohne Stress möglich ist.
Wenn du einen Schritt weiter gehen willst, atme während deiner gesamten Asana Praxis in der Ujjayi-Atmung (hier erläutert). Halte dann deine Konzentration während der gesamten Übung beim Atem. - Bandhas in der Asana
In vielen Asanas ist es förderlich, Mula Bandha (ggf. leicht) zu halten. - Entspanne dich
Wenn die Asana fest und der Atem ruhig geworden ist, entspanne alle Körperbereiche, die nicht zum Halten der Asana angespannt sein müssen, so wie es Patanjali in Sutra II-47 empfiehlt. Gehe vom Kopf (Gesicht!) den ganzen Körper bis zu den Füßen durch und entspanne dabei alle Bereiche. - Die Konzentration
Konzentriere dich bei jeder Asana mit allen Sinnen und deinem ganzen Geist auf die Bereiche, die gestreckt oder gestaucht werden. Werde innerlich eins mit diesem Bereich. - Variante: Konzentriere dich auf die Unendlichkeit
In Sutra II-47 empfiehlt Patanjali zudem, sich in der Asana auf die Unendlichkeit zu konzentrieren. Mache dir z. B. bewusst, dass du in der Asana mit dem ganzen Universum verbunden bist, über das Prana mit Allem im Austausch stehst. Oder stelle dir vor, wie du in der Asana inmitten eines Sternenmeeres stehst. Finde deine eigene Verbindung zum Unendlichen. - Variante: Tipp zur Förderung von Freude und innere Stärke
Spüre die positiven Belebungs-, Dehnungs- und Stimmungswirkungen während und nach der Übung. Erfreue dich ganz bewusst daran, mache diese Freude in deinem Inneren für 5-10 Sekunden lebendig und stark.
Dies ist eine von uns empfohlene Ergänzung zu jeder Asana. Sie dient dazu, förderliche Neuronenverbindungen im Gehirn aufzubauen und sukzessive zu verstärken, siehe nähere Erläuterungen beim Beitrag "Spirituelles Tagebuch". - Spüre nach
Wenn du aus der Asana herausgekommen ist, spüre ihrer Wirkung im ganzen Körper nach.
Gehen wir weiter:
3-12: So wird die Shakti (hier: Kundalini-Energie) gerade, dann entsteht der Zustand des Todes (still, leblos) in den zwei Kanälen.
Mit den beiden Kanälen sollen Ida und Pingala gemeint sein. Brahmananda schreibt, dass Ida und Pingala durch den Eintritt der Kundalini in die Sushumna vom Prana getrennt werden.
Nun muss ja irgendwann auch mal wieder geatmet werden. Dies dann aber bitte genau so:
3-13: Daraufhin soll ganz sachte, nach und nach, langsam und gleichmäßig – ja nicht schnell oder ruckartig – ausgeatmet werden. So wurde Maha Mudra von den großen Weisen gelehrt.
Also: Mula Bandha, Uddhiyana Bandha und Jalandhara Bandha lösen und sanft ausatmen.
Weiter geht es dann mit der anderen Seite:
3-15: Nachdem auf der Seite des Mondes (links) praktiziert wurde, wechsle man zur Seite der Sonne (rechte Ferse an den Beckenboden usw.). Man löse das Siegel dann, wenn die Anzahl [auf beiden Seiten] gleich ist.
Erst eine Seite komplett oder immer abwechselnd?
Dieser Vers kann so gedeutet werden, dass Maha Mudra abwechselnd mit links und rechts geübt werden soll. Nach jeder Ausatmung wechsle man das Bein und beende die Übung, wenn beide Seiten gleich oft dran gewesen sind.
Meist habe ich aber die Übungsanweisung gehört und gelesen, das zunächst einige Runden mit angewinkelten linken Bein durchgeführt werden, dann Beinwechsel, dann genauso viele Wiederholungen Maha Mudra mit angewinkeltem rechten Bein durchgeführt werden.
Auswirkungen von Maha Mudra
Das Ziel von Maha Mudra ist die Erweckung der Kundalini. Als "Nebeneffekt" soll es zur Überwindung der Dualität kommen.
Maha Mudra soll aber laut Vers 3-17 auch
- Verdauungsstörungen wie Verstopfung,
- Tuberkulose.
- Lepra,
- Unterleibsgeschwulst (Hämorrhoiden?) und
- manche Bauch- und Unterleibserkrankungen
heilen.
Darüber hinaus soll es (Pradipika Vers 3-14)
- die fünf großen Leiden (Kleshas: Avidya (Unwissenheit), Asmita (Egoismus), Raga (Begehren), Dvesha (Ablehnen) und Abhinivesa (Anklammern an das Leben))
- und weitere Übelstände (Imbalancen)
- und (natürlich :-)) den Tod
beseitigen/überwinden.
Darum, weiter in Vers 3-14:
... genau aus diesem Grunde nennen es die besten Weisen "das große Siegel".
Der positiven Effekte sind noch mehr:
3-16 [Für den, der so übt] gibt es nichts, was gesund oder ungesund ist, auf den Geschmack kommt es nicht an, selbst wenn man schreckliches Gift isst, wird dies verdaut.
Erweiterungen von Maha Mudra
Du kannst dich beim Atemanhalten auf das dritte Auge konzentrieren, die Zungenspitze nach hinten rollen und OM wiederholen. Dies soll das Hochziehen der Kundalini fördern.
Weiteres
- Sukadev schreibt: "... man spürt die Wirkung von Maha Mudra auch erst, wenn man lange geübt hat."
- Noch eine kleine Mahnung:
Pradipika 3-25: So wie eine anmutige und liebreizende Frau ohne Mann ohne Frucht bleibt, so werden auch Maha Mudra und Maha Bandha ohne Vedha bleiben.
Vedha soll sich hier auf Maha Vedha beziehen. Meint nach allgemeiner Auffassung: Alle körperlichen Yoga-Übungen machen keinen Sinn, wenn nicht alle Disziplinen des Raja Yogas einbezogen werden.
„Ida und Pingala zu stoppen und das Prana in die Sushumna zu bringen, ist der Sinn jeden Yogas.“
Maha Mudra, Maha Bandha und Maha Vedha werden oft zusammen als machtvolle Kombination geübt. Anschließend bietet sich eine Meditation an.
Anleitung und Erläuterungen zu Maha Mudra im Video
Übungsanleitung
Länge: 6 Minuten
Video: Maha Mudra und seine Wirkung
Erläuterungen
Länge: 17 Minuten
Yoga-Siegel auf Yoga-Welten
- Mula Bandha
- Uddiyana Bandha
- Maha Mudra – das große Siegel
- Shambhavi Mudra
- 3. Kapitel Gheranda Samhita: Die 25 Mudra
Shambhavi Mudra: Original-Anleitung aus den alten Schriften
Im 4. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika werden Mudras beschrieben. Das erste ist Shambhavi Mudra, das „Siegel der Gattin Shambhus“, auch mit „das wohlwollende Mudra“ übersetzt.
Shambhavi Mudra findet sich sowohl unter den zehn Mudras der Hatha Yoga Pradipika als auch bei den 32 Mudras in der Gheranda Samhita.
Es gibt mehrere Übungsvarianten von Shambhavi Mudra. Man sitzt stets in einer Meditationshaltung und bringt seinen Geist zur Ruhe. Dann übt man meist eine der beiden Varianten
- Oberes Shambhavi Mudra (Bhrumadhya Drishti): Der Blick ist auf den Punkt zwischen den Augenbrauen gerichtet.
- Unteres Shambhavi Mudra (Nasikagra Drishti): Der Blick ist auf die Nasenspitze oder auf den Boden ca. einen Meter vor dem Yogi gerichtet.
Hier findest du die wörtlichen Anleitungen zu Shambavi-Mudra aus der Hatha Yoga Pradipika und der Gheranda Samhita plus einem erläuternden Übungsvideo.
3. Kapitel Gheranda Samhita: Die 25 Mudra
Das dritte Kapitel der Gheranda Samhita widmet sich den Mudras. Gheranda schreibt: Es gibt nichts auf der Welt, dass so schnellen Erfolg im Yoga bringt wie die Mudras. Obwohl diese "unbedingt geheim gehalten" werden sollen, beschreibt er 25 davon doch recht ausführlich ...
Auch Khecari geschrieben, Sanskrit: "die im Himmel wandelnde".
Vajroli Mudra sowie Sahajoli und Amaroli
Vajroli Mudra soll die sexuelle Energie sublimieren und in die höheren Chakras führen.
Shakti Chalini Mudra: Die Mudra, welche die Kundalini (oder den Yogi) durchschüttelt.
Shanmukhi Mudra – das „Siegel der sechs Öffnungen“.
Die Mudra – Umkehrstellung.
Sanskrit: Maha Vedha = „der große Durchbruch“. Maha Vedha ist das dritte „Hauptmudra“ in der Hatha Yoga Pradipika.