tatra sthitau yatno-bhyāsaḥ
तत्र स्थितौ यत्नोऽभ्यासः
Abhyasa sind alle Anstrengungen zur Beherrschung des Geistes. Nicht aus Selbstzweck, sondern um Zugang zum wahren Selbst zu finden. Es geht um die Beherrschung des Geistes, damit der Purusha durchscheinen kann.
Doch worauf kommt es beim Üben an?
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:
- Tatra = in diesen, von jenen, dort, hier, um das.
- Sthitau = Stabilität, ständig, um fest gegründet zu sein, standhaft.
- Yatnoh = (ununterbrochene) Anstrengung, Bemühung, Übung.
- Abhyasa, abhyâsah = Übung, Beharrlichkeit, Praxis, Methode, Enthusiasmus.
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
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Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
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Antwort 1
Um in der Stille zu bleiben, musst Du Dein Gedankenkarussell immer und immer wieder neu anhalten.
[readmore: Mehr zu dieser Sutra]
3. Nicht nur in der Yogastunde
Mehrere Kommentatoren interpretieren Abhyasa als "ständiges Üben". Nicht nur auf der Matte. Jedes Geschehen, jede Handlung, jedes Erlebnis betrachtet der Yogi als Übung bzw. Herausforderung. Irgendwann wird selbst der Schlaf zur Übung, wenn im Traum der Geist beherrscht wird. Gemeint ist demnach ununterbrochene Achtsamkeit, Wohlwollen, Positivität, Mitgefühl, Nicht-Anhaften, sich die Befreiung vergegenwärtigen etc.
Iyengar und Govindan betonen, dass der Sadhaka (der Yogaübende) dazu angehalten wird, alle yogischen Übungsformen von Yama bis Dhyana permanent und intensiv zu praktizieren. Auf allen Ebenen. Siehe zur inneren Haltung beim Üben Sutra I-20:
[readmore: Mehr zu dieser Sutra]
Govindan ergänzt, die Schulung des Geistes sei mit der eines Hundes zu vergleichen. Der Hund lerne nicht durch Tadeln und wird auch nicht gleich am ersten Tage den Befehlen des Herrchens gehorchen. Klare, ständig wiederholte Befehle sowie Geduld sind die Mittel der Wahl, um den Hund zu Gefolgsam zu führen.
Abhyasa, die Kontrolle des Geistes zu üben, ist also eine Lebensaufgabe. Das Erlernen der Fähigkeit, den Geist im Jetzt zu halten und dessen Bewegungen zu kontrollieren, kann wie das Üben eines Muskels betrachtet werden. Mit der Zeit werden wir kräftiger, das Üben wird zur Gewohnheit und fällt leichter.
4. Sthiti - die Ruhe aus einer anderen Welt
Deshpande schreibt: Wenn die Vrittis - die Bewegungen im Geist - eine Pause einlegen, nennt sich dies Sthiti - Ruhezustand. Deshpande betont, dass Sthiti in der Erscheinungswelt unbekannt ist, da es darin eine ununterbrochene Kontinuität von Ereignissen gibt. Er sagt: Sthiti gehört bereits einer anderen "Seinsordnung" an, das Bemühen um diese Pause der Ruhe wird "Übung oder Praxis" (Abhyasa) genannt.
5. Verhängnisvoller Ehrgeiz
Gewarnt wird vor Perfektionismus einhergehend mit Verstimmung, wenn es uns nicht gelingt, unsere inneren Zustände achtsam wahrzunehmen oder gar zu beherrschen. Demut ist förderlicher, sich der eigenen Grenzen bewusst zu werden. Schwächen oder Schwachheiten achtsam wahr- und ohne Hadern anzunehmen.
Förderliches Selbstbild: Du bist nicht nur dann "richtig", wenn du alles gut machst, wenn dir alles gelingt. Diese Einstellung macht unglücklich und führt sogar vom Yoga-Weg ab, der ja Kraft und positive Energie benötigt. Viel besser ist es, sich auch toll zu finden, wenn man fünfe gerade sein lässt oder sich völlig anhaftend über etwas enthusiastisch freut oder (mal) ärgert.
6. Wahrnehmung & Stille
Nur wahrnehmen solltest du möglichst immer. Einen Moment innerer Stille dazwischenschalten, zwischen Erleben und inwendigem Empfinden. Diese Achtsamkeitsmomente führen uns zu uns selbst.
Unser Geist wird sich aber gegen Achtsamkeit wehren, wenn diese stets mit Selbstverurteilung einhergeht. "Aha, wieder mal ne sinnlose Liebesschnulze gesehen. So wird das nix mit dir ..." Besonders Yogalehrer sind gefährdet, da diese oft zusätzlich meinen, von den eigenen Schülern kritisch gemustert zu werden und so ihre Selbstkritik weiter erhöhen.
6.1. Einfach meditieren
Von Clark Strand ist aus seinem Buch "Einfach meditieren" bekannt, dass er als Zen-Meister in eine tiefe Krise geriet. Er erkannte, dass die Erwartung, in der Meditation die Lösung aller Probleme zu finden, in Enttäuschung und Wiederholung alter Fehler mündet.
Er plädiert nach dieser Erfahrung dafür, Meditation eher als "Hobby" zu betrachten, als einen Raum im Leben, der leistungsfrei bleibt, ohne Hetze, indem man einfach nur ist. Man solle es um ihrer selbst willen tun, statt immer auf den damit einhergehenden geistigen Fortschritt zu zielen.
6.2. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
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Antwort 1
Der Text ist ein-leuchtend und passt genau.
Antwort 2
Guten Abend :)
Mir ist etwas unklar.
Eine Übersetzung im Sutra besagt, die Unterdrückung von allen Geistesformen.
Ich verstehe die Wichtigkeit des benötigten Abstands zum Geist.
Aber ist das überhaupt möglich, gar nicht zu denken?
Es ist ja seine Aufgabe.
Man kann ihn mit dem Üben beruhigen und kontrollieren, aber ganz ausschalten?
Kommen irgendwann, die Gedanken vom wahren Selbst oder bringen diese hervor?
Oder bringt es keine hervor?
Herzlichsten Grüß
6.3. Übung zu Yoga Sutra I-13
Übungsvorschlag für die kommende Woche:
Überlege dir jetzt eine(!) Ausdehnung deiner Übungspraxis in deinen Alltag. An welcher Stelle willst du hier in der nächsten Woche Achtsamkeit, Geistesberuhigung und/oder Nicht-Anhaftung üben?
Dies kann der Umgang mit deinem Partner oder die Zubereitung des Tees sein. Führe dies eine Woche lang konsequent durch.
Wenn du magst, kannst du dir in der darauf folgenden Woche ein anderes Übungsfeld suchen. Nach und nach wirst du so alle Bereiche deines Lebens einmal "durchgeübt" haben.
7. Verwandte Sutras

Shraddhâ–vîrya–smriti–samâdhi–prajnâ-pûrvaka itareshâm
श्रद्धावीर्यस्मृति समाधिप्रज्ञापूर्वक इतरेषाम्
In dieser Sutra wird Patanjali angenehm konkret. Er richtet sich an uns Fußvolk, die nicht von Geburt aus Begnadigten. Wir brauchen vier oder fünf Mittel, um uns dem Ziel des Yoga zu nähern.
8. Video zu Sutra I-13
Erfolg in der Meditation - die Sutras I-12 bis I-16.
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9.1. Alte Schriften auf Yoga-Welten.de
- Das Yogasutra – jede Sutra detailliert erläutert
- Die Hatha-Yoga-Pradipika – kapitelweise zusammengefasst
- Zusammenfassung der Bhagavad-Gita
- Eine kurze Zusammenfassung der Upanishaden und des Mahabharata
- Die Mandukya Upanishad – deutsche Übertragung
- Die Gheranda Samhita – kapitelweise zusammengefasst
- Yoga in der Bhagavad Gita – die bunte Vielfalt
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- Goraksa-Sataka – die älteste Hatha-Abhandlung
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