Yoga Sutra Karma
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Yoga Sutra I-24: Ishvarah ist als besonderes Wesen unberührt von Leid, Karma oder Wünschen
Klesha-karma-vipâsakâshayair-aparāmṛṣṭaḥ puruṣa-viśeṣa īśvaraḥ
क्लेशकर्मविपाकाशयैरपरामृष्टः पुरुषविशेष ईश्वरःViele Sutras-Kommentatoren sehen zwei Aspekte in dieser Sutra: Ishwara findet sich IN UNS als ein göttliches Bewusstseinszentrum und wir müssen einige Dinge überwinden, um Gott in uns zu erfahren. Genauer gesagt handelt es sich um vier Punkte.
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Yoga Sutra II-12: Die Kleshas sind [somit] die Wurzel für das gespeicherte Karma. Es wird im sichtbaren [gegenwärtigen] oder in nicht sichtbaren [zukünftigen Leben] erfahren werden.
Klesha-mûlah karmâshayo drishtâ-adrishta-janma-vedanîyah
क्लेशमूलः कर्माशयो दृष्टादृष्टजन्मवेदनीयःKarma und Reinkarnation sind das Fundament der Yoga-Philosophie sowie der anderen indischen Religionen. Auch Patanjali gründet im Yogasutra ganz selbstverständlich auf diesen beiden Vorstellungen vom Leben und seinen Gesetzen. Sutra II-12 ist dem Zusammenhang Klesha – Karma gewidmet.
Schauen wir im Folgenden einmal genauer hin, wie aus den leidvollen Zuständen unser zukünftiges Leben beeinflusst wird. Und natürlich, wie wir es auf Basis dieser Prinzipien besser haben könnten. Oder – das eigentliche Yoga-Ziel – wie wir alle Einflussnahme auf uns beenden.
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Yoga Sutra II-13: Solange die Wurzeln [der Kleshas, der leidbringenden Hindernisse] verbleiben, muss es [das Karma] erfüllt werden, und erschafft die allgemeine Lebenssituation, die Lebensspanne und das Maß an freudvollen Erfahrungen in unserem Leben
sati mūle tad-vipāko jāty-āyur-bhogāḥ
सति मूले तद्विपाको जात्यायुर्भोगाःWeiter geht es mit der Karmalehre in den Yogasutras. In dieser Sutra schildert Patanjali in knapper Form, wovon unser Leben abhängt und warum es kein Entrinnen aus den Fängen des Karmas gibt. Schauen wir, wie sich unsere Gedanken, Worte und Handlungen auf Lebenszeit, den Erlebnissen in unserem Leben und unser menschliches Umfeld auswirkt.
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Yoga Sutra II-14: Die Ernte aus dem Karma ist entweder freudvoll oder schmerzhaft, je nachdem, ob die zugrunde liegende Tat heilsam oder leidbringend war.
Te hlādaparitāpaphalāḥ puṇyāpuṇyahetutvāt
ते ह्लादपरितापफलाः पुण्यापुण्यहेतुत्वात्Patanjali unterteilt die Karma-Folgen in leidvoll und freudebringend. In der Bhagavadgita (und an anderer Stelle im Yogasutra) ist sogar vom Karma „dreierlei Art“ zu lesen. Schauen wir uns einmal näher an, was hier genau gemeint ist und prüfen dann die Lösungswege gegen das Leid, die uns von Seiten des Yogas und vom Buddhismus feilgeboten werden.
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Yoga Sutra II-15: Für jemanden mit Unterscheidungsfähigkeit ist alles in dieser Welt leidvoll; das liegt an der Vergänglichkeit, unserem Verlangen, den unbewussten Prägungen und an der Wechselhaftigkeit der Natur
Parinâma-tâpa-samskâra-duhkhair guna-vritti-virodhâch cha duhkham eva sarvam vi-vekinah
परिणाम ताप संस्कार दुःखैः गुणवृत्तिविरोधाच्च दुःखमेव सर्वं विवेकिनःDieser Aspekt der Karmalehre trifft oft auf taube Ohren, obwohl es sich um eine ganz entscheidende Grundlage aller indischen Philosophien handelt. Wir hören einfach nicht gerne, dass wir letztendlich – wenn wir nur weise genug sind – alles in dieser Welt als unattraktiv und sogar leidvoll ansehen (sollten). Doch obgleich die Konsequenz aus dieser Sutra unangenehm scheint, lohnt es sich, die Auslegungen hierüber zu kennen. Denn auch dieses Postulat aus der Yogaphilosophie können wir positiv für uns nutzen.
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Yoga Sutra II-16: Künftiges Leiden kann und sollte vermieden werden
Heyaṁ duḥkhamanāgatam
हेयं दुःखमनागतम्Die Lösung naht... :-)
Patanjali verdeutlicht in dieser Sutra, dass Yoga in gewissem Sinne eine vorbeugende Heilkunst ist. Ein Weiser bemüht sich, künftiges Leiden jetzt zu vermeiden.
Die heutige Sutra könnte zudem als Lebensmotto von Buddhisten und Yogis durchgehen. Man kann es als Mantra nutzen, sich täglich erinnern: „Heyam duhkham anâgatam“ – „Künftiges Leiden kann und sollte vermieden werden“. Um diesem Motto zu folgen, brauchen wir drei Dinge.
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Yoga Sutra II-17: Die Identifikation des wahrnehmenden Selbstes mit den wahrgenommenen Objekten ist Ursache [des Leides] und sollte überwunden werden
Drashtri-drishyayoh samyogo heya-hetuh
द्रष्टृदृश्ययोः संयोगो हेयहेतुःIn dieser Sutra finden wir Ursache und Erlösung von allem Leid. Wir müssen nur unsere Unwissenheit, unsere Falsch-Wahrnehmung und Fehl-Identifikation überwinden, dadurch nicht mehr den Wahrnehmenden (Atman, Purusha) mit dem Wahrgenommenen (Prakriti) verwechseln und schon wären wir aller Sorgen ledig. Doch wie gelingt uns das?
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Yoga Sutra II-18: Die wahrgenommenen Objekte haben die Eigenschaften Klarheit, Aktivität und Trägheit und bestehen aus Elementen und Wahrnehmungskräften. Alles Wahrgenommene dient der (genussvollen) Erfahrung und der Befreiung.
Prakâsha-kriyâ-sthit-–shîlam bhûtendriyât-makam bhogâpavargârtham drishyam
प्रकाशक्रियास्थितिशीलं भूतेन्द्रियात्मकं भोगापवर्गार्थं दृश्यम्Wenn der Yogi langsam aus seiner Unwissenheit erwacht, nimmt er die Welt um sich herum mit Staunen wahr. Die Wirklichkeit ist eine geheimnisvolle Beziehung zwischen „Wahrnehmenden“ und „Wahrgenommenen“. Prakriti, die Natur, tanzt einen rätselhaften Tanz, der uns seit Urzeiten staunen lässt.
In dieser und den folgenden Sutra geht es um diesen Tanz, sprich die Eigenschaften der Natur, deren Wirkungsweisen und deren Nutzung durch den Menschen. Patanjali versucht zu beschreiben, „was da draussen ist“. Was unser wahres Selbst – Purusha – sehen und erfahren darf.
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Yoga Sutra II-21: Die Welt existiert nur für den Sehenden
Tadartha eva dṛśyasyātmā
तदर्थ एव दृश्यस्यात्माEine durch und durch positive Sutra. Und eine, aus der wir viel Kraft schöpfen können – in guten und in schlechten Zeiten. Eine Sutra, die unser Interesse für die Welt und unsere permanente Achtsamkeit stark zu motivieren vermag. Die uns bei einer Entscheidung „Soll ich das jetzt tun oder lieber lassen“ als Richtschnur zur Verfügung steht.
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Yoga Sutra II-22: Die Welt verschwindet für den, für den sie ihren Zweck erfüllt hat; für alle anderen existiert sie als gemeinsame Realität weiter
Kritârtham prati nashtam apy anashtam tad-anya-sâdhâranatvât
तदर्थ एव दृश्यस्यात्माDies ist eine für den Normalmenschen kaum nachvollziehbare Sutra. Wie soll sich die Welt für mich auflösen, wenn ich sie völlig (und dauerhaft) durchschaue? Die Kommentatoren versuchen, diesen Prozess zu erklären und geben wertvolle Empfehlungen.
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Yoga Sutra II-23: Der Sinn der Vereinigung unseres Wahren Selbstes mit der äußeren Welt besteht darin, dass wir unsere Wahre Natur und deren Kräfte erkennen.
svasvāmi-śaktyoḥ svarūp-oplabdhi-hetuḥ saṁyogaḥ
स्वस्वामिशक्त्योः स्वरूपोपलब्धिहेतुः संयोगःWieder eine positive Sutra in Bezug auf unser Dasein und unsere Erfahrungen in der Welt. Sie gibt eine (Teil-)Antwort auf den Sinn des Lebens. Wir schauen uns die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten dazu an.
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Yoga Sutra II-24: Die Ursache unserer „Verbindung mit der Welt“ (= Samyoga) ist Unwissenheit
Tasya hetur avidyâ
तस्य हेतुरविद्याEine eher ernüchternde Sutra. Erfahrung in der Welt ist ja ganz schön und auch sinnvoll, hält uns aber im „Gefängnis dieser Welt“. Führt zu irrigen Identifikation. Letztendlich lautet das Ziel Erleuchtung. Der Weg dorthin: Vidya!
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Yoga Sutra II-25: Wenn das Nichtwissen endet, löst sich die Verbindung mit der Welt auf – dadurch erlangt der Sehende absolute Freiheit
tad-abhābāt-saṁyoga-abhāvo hānaṁ taddṛśeḥ kaivalyam
तदभावात्संयोगाभावो हानं तद्दृशेः कैवल्यम्Diese Sutra geht auf den Prozess der Erleuchtung ein. Die Kommentatoren erläutern den Zusammenhang Unwissenheit → Anhaftung in der Welt → Leid. Sie ermuntern uns, die scheinbaren Freuden dieser Welt nicht allzulange hinterherzulaufen, sondern zügig und konsequent die wahre Wirklichkeit zu erkennen.
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Yoga Sutra II-26: Die Entwicklung und ununterbrochene Anwendung einer reinen Unterscheidungskraft beendet die Unwissenheit
Viveka-khyâtir aviplavâ hânopâyah
विवेकख्यातिरविप्लवा हानोपायःMit dieser Sutra nennt Patanjali die konkrete Fähigkeit, die unsere Unwissenheit beendet und uns dadurch zur Erlösung führt. Betont wird, dass wir uns um deren ständige Anwendung bemühen. Dazu gibt es eine Reihe konkreter Tipps und Empfehlungen.
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Yoga Sutra II-27: Die Anwendung der reinen Unterscheidungskraft führt zur siebenfachen Erkenntnis
tasya saptadhā prānta-bhūmiḥ prajña
तस्य सप्तधा प्रान्तभूमिः प्रज्ञाHier endet der Abschnitt des zweiten Kapitels vom Yoga Sutra zur Erlangung der Einsicht. Die Beschreibung des Weges, an dessen Ende für den Yogi die Welt aufhört zu sein. Patanjali macht in dieser Sutra eine geheimnisvolle Andeutung: Die Einsicht entfalte sich in sieben Stufen oder Schritten. Ohne näher darauf einzugehen. Es gibt denn auch mehrere Mutmaßungen dazu, was diese Stufen sein könnten.
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Yoga Sutra III-23: Die Folgen einer Handlung (Karma) zeigen sich entweder sofort oder ruhen erst und zeigen sich später. Samyama über das eigene Karma führt zur Vorahnung des Zeitpunktes des eigenen Todes.
Sopakramam nirupakramam cha karma tat-samyamâd aparântajnânam arishtebhyo vâ
सोपक्रमं निरुपक्रमं च कर्म तत्संयमातपरान्तज्ञानम् अरिष्टेभ्यो वाIn dieser Sutra geht es Karma und um die Fähigkeit eines versierten Yogis, den Moment seines Todes in Erfahrung zu bringen. In den Kommentaren wird beides eingehend beleuchtet und mit Beispielen verdeutlicht.
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Sutre III-53: Durch Samyama auf den Strom der Augenblicke erlangt der Yogi Wissen, das auf Unterscheidungskraft beruht
Kshana-tat-kramayoh samyamâd vivekajam jnânam
क्षणतत्क्रमयोः संयमात् विवेकजंज्ञानम् -
Sutre IV-7: Die Handlungen (und die Folgen daraus; Karma) eines Yogi sind weder schwarz noch weiß, für andere sind sie jedoch dreierlei Art
Karmâshuklâkrishnam yoginas tri-vidham itareshâm
कर्माशुक्लाकृष्णं योगिनः त्रिविधमितरेषाम्Dreierlei Art könnte bedeuten: lasterhaft, tugendhaft oder gemischt.
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Sutre IV-8: Aus diesen drei Arten des Handelns entspringen Früchte, die den zugrunde liegenden Neigungen entsprechen
tataḥ tad-vipāka-anugṇānām-eva-abhivyaktiḥ vāsanānām
ततस्तद्विपाकानुगुणानामेवाभिव्यक्तिर्वासनानाम् -
Sutre IV-9: Erinnerungen und unbewusste Prägungen sind gebunden im Wesen und überdauern Ortswechsel, Zeiten und Geburten. Darum wird jeder Wunsch irgendwann eine Folge haben (Karma)
jâti-deåa-kâla vyavahitânâm apyânantaryaä smëti-saäskârayor eka-rûpatvât
जातिदेशकालव्यवहितानामप्यानन्तर्यं स्मृतिसंस्कारयोरेकरूपत्वात् -
Yoga Sutra IV-10: Die Wünsche und Neigungen haben keinen Anfang im Wesen, denn allein schon der Wille zu leben besteht seit ewig
Tâsâm anâditvam châshisho nityatvât
तासामनादित्वं चाशिषो नित्यत्वात् -
Sutre IV-11: Diese Kette von Ursache und Wirkung wird durch äußere Objekte und unterstützende Faktoren aufrecht erhalten. Verschwinden diese, wird der Yogi von Wünschen befreit
hetu-phala-āśraya-ālambanaiḥ-saṁgṛhītatvāt-eṣām-abhāve-tad-abhāvaḥ
हेतुफलाश्रयालम्बनैः संगृहीतत्वादेषामभावे तदभावः -
Sutre IV-30: Dann folgt das Ende aller Leiden und des Karma
tataï kleåa-karma-nivëttiï
ततः क्लेशकर्मनिवृत्तिः