Heyaṁ duḥkhamanāgatam
हेयं दुःखमनागतम्
Die Lösung naht ... :-)
Patanjali verdeutlicht in dieser Sutra, dass Yoga in gewissem Sinne eine vorbeugende Heilkunst ist. Ein Weiser bemüht sich, künftiges Leiden jetzt zu vermeiden.
Die heutige Sutra könnte zudem als Lebensmotto von Buddhisten und Yogis durchgehen. Man kann es als Mantra nutzen, sich täglich erinnern: „Heyam duhkham anâgatam“ – „Künftiges Leiden kann und sollte vermieden werden“. Um diesem Motto zu folgen, brauchen wir drei Dinge.
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:
- Heyam, heya = (um) zu vermeiden; überwinden; überkommen; überwältigt;
- Dukha, duhkham, duḥkha = Leid, Elend; Schmerz;
- Anagatam, anâgatam, anāgata = künftig, noch nicht eingetreten; (Zu-)Künftiges; Zukunft; noch nicht Aufgetretenes;
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?
Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
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Antwort 1
Überwinde auch das kommende Leid
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Für wen ist dieser Online-Kurs gemacht?
Dieser Online-Kurs ist für alle Yogi:nis, die sich für Yoga-Philosophie interessieren. Egal, ob Anfänger:in oder bereits fortgeschritten.
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Der Mensch leidet. Doch zukünftiges Leiden kann er verhindern, so Patanjali
3. Wo wir stehen
Wir befinden uns im zweiten Kapitel des Yogasutra von Patanjali. Es handelt von der Praxis des Yoga. Patanjali beginnt das Kapitel mit dem Versprechen, dass Yoga die Leiden des Yogis vermindert und zu Samadhi führt.
In Sutra II-3 bis II-11 schildert Patanjali die fünf Haupt-Hindernisse auf dem Yogapfad, die sogenannten Kleshas (Unwissenheit, Anhaftung, Ablehnung, Ego, Lebensdrang). Erste Wege zur Überwindung der Hindernisse werden angerissen (Gegenschöpfung, Meditation). Sutra II-12 bis II-15 handeln von Karma (Folgen von Handlungen und Gedanken, die auf Basis der Kleshas geschehen) und dem inhärenten Leid dieser Welt.
Was säst du heute?
4. Wir säen ständig frische Leidenssaat
Als Nicht-Erleuchteter säen wir über unsere Handlungen und Gedanken zu jeder Zeit neue Samen, deren Früchte wir in Zukunft ernten. Mit dieser Sutra verkündet Patanjali zweierlei:
- Zukünftiges Leid kann vermieden werden und – zweitens –
- sollte beseitigt werden.
5. Das große Ziel: Zukünftiges Leid vermeiden
Wer freut sich schon auf eine Zukunft, die Schmerz und Trauer parat hält? Wohl niemand. Darum ist eines der Hauptanreize yogischen (und buddhistischen) Handelns, künftiges Leid zu vermeiden oder zumindest so weit wie möglich abzuschwächen.
5.1. Soweit so gut. Doch wie gelingt uns das?
„Nur wenn wir uns an das Selbst erinnern, können wir hinauswachsen über das ›Leid, das noch kommt‹.“
(Govindan)
Die folgenden Sutras gehen näher auf das Wahre Selbst ein.
6. Die Grundbedingung: Wissen, was Leiden schafft
Eine Voraussetzung dafür, leidbringendes Handeln zu vermeiden liegt in dem Wissen, welche Handlungen, Gedanken oder Absichten uns in Zukunft leiden lassen. Die Sutras des Patanjalis wollen hier grundlegende Einsichten vermitteln.
Weiterhin braucht es:
7. Das entschlossene Handeln
Das Wissen um die leidvollen Folgen einer Handlung reicht nicht aus, um diese zu verhindern. Jeder (na gut, nahezu jeder) weiß, dass zu viel Zucker schadet. Ebenso das Rauchen. Das wir uns bewegen sollten. Dass wir keine bösen Gedanken hegen sollten. Das Wissen ist da, doch das Weglassen der unheilbringenden Tat, der zornigen Worte, der neidvollen Gedanken – das gelingt oftmals nicht.
8. Innere Stärke und Willenskraft entwickeln
Willenskraft und Entschlossenheit sind also notwendig. Sukadev rät darum, regelmäßig solche Dinge bewusst zu tun, die uns zwar zukünftig guttun, die wir jetzt aber eigentlich nicht freiwillig machen würden. Tapas bzw. Askese halt.
Das kann
- kalt Duschen sein,
- einen Fastentag einzulegen,
- öffentlich eine Frage zu stellen,
- früh aufzustehen,
- oder eine Woche auf Süßes zu verzichten.
Die Möglichkeiten dieser Form der Geistesstärkung sind zahlreich und können jeden Tag in den Alltag eingebaut werden.
9. Nicht anhaften, nicht ablehnen
Anhaftung und Ablehnung dessen, was ist, führt zu zukünftigem Leid. Siehe Sutra II-7 und Sutra II-8. Von daher ist eine Folge des Übens der Yoga-Praxis des Loslassens, dass wir zukünftiges Leid verhindern. Steiner schildert in diesem Zusammenhang die Geschichte von einem Yoga-Meister, dessen Haus bei seiner Rückkehr in hellen Flammen stand und nahezu heruntergebrannt war. Statt sich zu ärgern (ablehnen) oder den Verlust zu beklagen (anhaften) nutze er noch rasch die Glut und wärmte sich seine Hände an den glimmenden Resten seines Hauses auf ...
9.1. Mantra „Heyam Dukham Anagatam“
Die drei Worte „Heyam Dukham Anagatam“ können auch als Mantra immer dann gemurmelt werden, wenn wir erkennen: Wenn ich das jetzt mache, werde ich später dafür zahlen müssen. Heyam Dukham Anagatam – zukünftiges Leid kann und sollte vermieden werden.
10. Die vier edlen Wahrheiten
In absoluter Konsequenz formuliert es Buddha in seinen vier Wahrheiten. Wahrheit Nummer drei und vier, die Aussagen, dass es einen Weg gibt, künftiges Leiden zu verhindern, lauten:
"... die edle Wahrheit über die Beendigung von Leiden;
und die edle Wahrheit über den Pfad der Ausübung, der zur Beendigung des Leidens führt.
Aber nun, so diese verwirklicht und durchdrungen wurden, das Verlangen nach Existenz abgeschnitten ist, zerstört das, was zu neuerlichem Werden führt, und da ist kein frisches Werden mehr.“
DN16
11. Auf Dauer keine Aussicht auf Erfolg: mit sinnlichen Freuden dem Leid entkommen
Wim van den Dungen weist darauf hin, dass gemäß der Lehre Buddhas auch reiche Menschen – früher oder später – an der zyklischen Existenz leiden. Sie versuchen, dieses inhärente Leid durch eine ununterbrochene Kette von sinnlichen Freuden bis zum Lebensabend zu überdecken. Dies verzögere jedoch auf Dauer nur das Erkennen des Pfades, der zur Befreiung vom Leid führt. Von daher ist Reichtum (vor diesem Hintergrund betrachtet) durchaus ein zweischneidiges Schwert.
Da war ja auch was mit einem Nadelöhr ...
11.1. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
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Antwort 1
die vier Wahrheiten
1) Alles Leben ist Leid.
2) Begierden sind die Ursache von Leid und führen zu Verblendung.
3) Durch Aufhebung der Begierde wird Leid aufgehoben.
4) Der Wiedergeburtskreislauf kann aufgehoben werden.
Der Grundgedanken ist glaube ich einfach zu formulieren. 1. Das Leben bedeutet Leid (Dukkha) 2. Wir sind daran selbst schuld. 3. Durch Loslassen können wir das selbstverschuldete Leid aufheben. 4. Der Weg führt vom Ich zum Selbst. Es geht immer um die Überwindung des Ichs (Anatta) D. Löchle
12. Übung zu Yoga Sutra II-16
Übungsvorschlag für die kommende Woche zu Sutra II-16:
Mache eine Liste von Handlungen und Gedanken, die deiner Meinung nach zu zukünftigem Leid führen. Eventuell ergänzt du jeweils gleich alternative, heilsame Handlungsweisen oder Gedanken, die du stattdessen zukünftig anstrebst.
13. Videos zu Sutra II-16
In den Tabs finden sich Videos zu dieser Sutra.
{tab Sukadev}
Yoga-Vidya Videos zu den Sutras II-1 bis II-11:
Yogaprasad Institute zu Sutra II-10 bis II-18:
Desikachar Video zu Sutra II-16:
{tab Nayaswami Asha}
Nayaswami Asha Video zu den Sutras II-15 bis II-16:
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14.1. Alte Schriften auf Yoga-Welten.de
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Weitere oft aufgerufene alte Schriften
- Yoga im Mahabmarata – erste Systematik
- Goraksa-Sataka – die älteste Hatha-Abhandlung
- Brahma-Sutra Bhashya von Sankara – der Kommentar von Sankara
- Mrigendra Tantra Yoga Pada
- Die Shiva Samhita