sati mūle tad-vipāko jāty-āyur-bhogāḥ
सति मूले तद्विपाको जात्यायुर्भोगाः
Weiter geht es mit der Karmalehre in den Yogasutras. In dieser Sutra schildert Patanjali in knapper Form, wovon unser Leben abhängt und warum es kein Entrinnen aus den Fängen des Karmas gibt. Schauen wir, wie sich unsere Gedanken, Worte und Handlungen auf Lebenszeit, den Erlebnissen in unserem Leben und unser menschliches Umfeld auswirkt.
Wo werden dich deine vergangenen Kleshas noch hinführen?
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:
- Sati = da sein; existent;
- Mula, mūla, mūle = Wurzel; Ursprung; Grund; Reifung;
- Sati mûle = die Wurzel da ist; der Grund vorhanden ist;
- Tad, tat = dessen; (von) ihm (von Karmâshaya);
- Vipakah, vipâkah = Frucht bringen; reifen; Frucht; Ergebnis; Reife;
- Jati, jâti = Klasse; Kaste; Sozialstand; soziale Schicht; Qualität; Art;
- Ayuh, âyuh = Dauer; Leben; Lebensspannen; wie lange die Wirkung anhält; Lebenskraft;
- Bhogah, bhoga, bhogâh = Erfahrungen; Genuss; Vergnügen; (Erfahrung von) Glück; Essen;
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?
Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
Der Mensch leidet. Auch im "Glück". Eine Ursache sind die Kleshas
3. Wo wir stehen
Patanjali beginnt das zweite Kapitel im Yogasutra mit der Auflistung und (knappen) Erläuterung der Kleshas, der leidvollen Spannungen bzw. -Zustände – den Hindernissen auf dem Pfad des Yoga. Diese Kleshas sind (Sutra II-3):
- Unwissenheit [Avidya],
- Identifikation mit dem Ego [Asmita],
- Begierde [Raga],
- Abneigung [Dvesha] und
- (Todes-)Furcht [Abhiniveshah]
Unwissenheit wurde (Sutra II-4) als die Wurzel aller übrigen leidvollen Zustände gebrandmarkt.
In Sutra II-10 und II-11 nennt er Methoden zur Überwindung der Kleshas (u. a. Meditation und Selbsterkenntnis), ab Sutra II-12 geht es um das Karma, das aus Klesha-basierten Handlungen folgt.
"Wenn die Wurzeln nicht vertrocknet sind, ist der Baum noch nicht tot."
Dalai Lama (*1935)
4. Manche Kommentatoren halten sich bedeckt
Mir fiel bei der Recherche auf, dass sich manche Kommentatoren zu dieser Sutra auffällig knapp hielten. Verwunderlich, da ein hohes Maß an „Brisanz“ in diesen Aussagen von Patanjali liegt. Behauptet er doch nicht weniger, als dass alle unsere Lebensbedingungen, einschließlich unseres Todeszeitpunktes, vom Karma bestimmt werden. Ist dieses Eisen für manche „zu heiß“?
Doch viele sprechen auch klar. Palm: „Aus der Taten-Ansammlung resultiert also meine gesamte Lebensrealität, ja Welterfahrung ...“ Und Govindan verkündet folgendes Schreckenszenario: Wenn jemand übermäßig essen will, kann das Karma besser im Körper eines Schweines ausgelebt werden. Diese Seele wird sich durch die Erfahrung im Körper eines Schweines weiter entwickeln. Swami Satchidananda schildert ein ähnliche karmabasierte tierische Wiedergeburt: Wenn ein Mensch stark zur List neigt, könnte das Karma „entscheiden“, dass er als Fuchs wiedergeboren wird. Einfach deshalb, weil sich dieses List-Karma als Fuchs besser entfalten könne. Ja, sogar der Hund da auf der Straße, so Swami Satchidananda, könnte mal ein Heiliger gewesen sein, der einfach nur einen Fehler im früheren Leben gemacht habe.
5. Komplexe Zusammenhänge
„Wenn du zu in einem Land mit Hungersnot geboren wirst, haben dich die Handlungen deiner früheren Leben dorthin geführt.“ Auch wenn man an Karma und Wiedergeburt glaubt – sind die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge immer so simpel?
Nicht zwangsläufig. Was ist zum Beispiel, wenn wir uns eine Inkarnation in solch einem sozialen und armen Milieu freiwillig ausgesucht haben, zum Beispiel um daran zu wachsen oder anderen dort zu helfen?
Schon allein dieses Beispiel zeigt: Auch wenn man an das Karma glaubt, darf man damit nicht gleich „Schuld“ bei sich und anderen (für die jeweiligen Lebensumstände) postulieren. Die konkreten Ereignisse, Handlungen und Gedanken, die zu einem Erlebnis führen, sind eventuell vielfältig und für Normalsterbliche kaum zu durchschauen.
Auch ein Gesichtspunkt:
"Das Schicksal nimmt nichts, was es nicht gegeben hat."
Lucius Annaeus Seneca, 1 - 65, römischer Philosoph
6. Besser nach vorne schauen
Vermutlich geht es Patanjali auch überhaupt nicht darum, vergangene Handlungen und deren Folgen akribisch zu durchdenken, um einen Schuldigen für ein momentanes Ereignis zu finden. Vielmehr ist der Yoga-Blick ja auf die Zukunft gerichtet: Wie kann ich auf Grundlage des Karma-Prinzipes eine bessere Zukunft ver-ursache-n?
Oder, wenn du gar nicht mehr an einer besseren Zukunft in dieser Welt interessiert bist: Wie kann ich durch Karma-Vermeidung aus dem Kreislauf der Wiedergeburt (= Samsara) aussteigen (= Moksha – Befreiung)?
7. Vom Sinn des Karma-Grübelns
Dennoch kann es natürlich durchaus lehrreich sein, sich zu überlegen, was man denn selbst früher dafür konnte, nun in der momentanen Situation gelandet zu sein. Aber auch nur wieder zu dem Zweck, es in der Zukunft weiser anzustellen. Nicht, um Schuld zu verteilen oder sich minderwertig zu fühlen.
„Die Seele ist das Bindeglied zwischem allem, was vorausgeht, und allem, was nachfolgt. Sie wird durch alle Erfahrungen bereichert, die der Persönlichkeit durch das Gesetz des Karmas zufließen.“
Sri Chinmoy, 1931- 2007, spiritueller Lehrer
7.1. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
8. Alle Sutras von Patanjali, die das Thema Karma behandeln
☰ Alle Sutras aus-/einklappen9. Übung zu Yoga Sutra II-13
Übungsvorschlag für die kommende Woche zu Sutra II-13:
Überlege dir, welche Taten, Worte oder Absichten [= Karma-Produzenten] zu den Ausprägungen deines jetzigen Lebens (Umgebung, deine Eigenschaften, deine Neigungen ...) geführt haben könnten.
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10. Videos zu Sutra II-13
In den Tabs finden sich Videos zu dieser Sutra.
{tab Sukadev}
Yoga-Vidya Videos zu den Sutras II-1 bis II-11:
Desikachar Video zu Sutra II-13:
{tab Nayaswami Asha}
Nayaswami Asha Video zu den Sutras II-13 bis II-14:
11. Beliebt & gut bewertet: Bücher zum Yogasutra
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11.1. Alte Schriften auf Yoga-Welten.de
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- Zusammenfassung der Bhagavad-Gita
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