Virâma–pratyayâ-abhyâsa–pûrvah samskâra–seso nyah
विरामप्रत्ययाभ्यासपूर्वः संस्कारशेषोऽन्यः
Wir tauchen tiefer in die Welt des Samadhi ein. Sutra I-18 erläutert Virama-Pratyaya. Dieser Zustand muss schon sehr wonnevoll und reich an intuitiven Erkenntnissen sein. Aber Achtung! Es droht Gefahr ...
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:
- Virama, virâma = aufhören, fallen lassen, loslassen; ruhende, still-gewordene;
- Pratyaya = richtige Wahrnehmung, Geistesinhalt, Erkenntnis, Gedanke, Begriff, Erfahrung, Glauben, Eindruck; Inhalt des Verstandes (der „Keim“ von Samprajñâta Samâdhi);
- Abhyasa, abhyâsa = Übung; beharrliche Praxis;
- Pura, pûrvah = vorher (oben) erwähnt; vorausgegangen; vorausgesetzt; das Vorherige, Vorangegangene;
- Samskara, samskâra = psychische Eindrücke im Unterbewusstsein; Prägungen aus der Vergangenheit; erworbene Neigungen; Gewohnheiten;
- Sheshah, sesa, sesah, seso = Rest; (übrig) geblieben; das Verschonte;
- Anyah, anya = das andere
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
Hast du einen eigenen Übersetzungsvorschlag?
Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
Empfehlung: Man lese zunächst den Artikel über Samadhi und dann die Erläuterungen zu Sutra I-17.
3. Virama Pratyaya - der Zwischenzustand
Samprajnata Samadhi ist nicht das letztendliche Ziel des Yoga. Der Schüler muss sogar seine Anstrengung noch verstärken, um das "Absolute des Nirbija-Samadhi" (Iyengar) zu erreichen. Er dürfe nicht stehenbleiben, sonst verlasse er hier den Yoga-Pfad. Bleibt der Yogi dem Yogapfad treu, dann kommt er beim Durchlaufen von Samprajnata Samadhi (automatisch) zu Virama-Pratyaya.
Manche sehen in dieser Sutra schon Asamprajnata Samadhi beschrieben, nicht so Iyengar auf Seite 107: "Patanjali beschreibt einen Ruhezustand zwischen Sabija- und Nirbija-Samadhi, zwischen Samprajnata Samadhi und Asamprajnata Samadhi, den er Virama-Pratyaya nennt. Diesen Zustand zeichnet ein Freisein von Leidenschaften und Begierden aus. Nur die positiven Eindrücke im Geist (Samskaras) verbleiben. Es ist eine Art Zwischenzustand, den Patanjali einfach anya - anders - nenne. Hierbei (nächste Sutra I-19) verschmelze er dann (gemäß Iyengar) mit der Natur.
Iyengar schreibt weiter auf Seite 108, dass Virama-Pratyaya mit der seelischen Verfassung kurz vor dem Einschlafen vergleichbar sei, wenn die Gedanken nicht mehr vom Intellekt hervorgerufen werden, das Ich-Gefühl verlorengeht und eine innere Stille eintritt. Dieser Zustand erinnere an "Manolaya (=Ruhe/Auflösung des Geistes)". Er wird nicht absichtlich herbeigeübt, sondern stelle sich auf "natürliche Weise" ein.
Deshpande verweist auf Seite 45 darauf, dass der Mensch, der Asmita erreicht hat, noch nicht den Sinn der Beziehung Mensch-Welt erfahren kann. Er erlebt sich immer noch als Ich. Die Welt dort draußen ist Nicht-Ich. Dualität. Es bedarf einer "Explosion", um dies zu überwinden. Von dieser Explosion spreche Patanjali in Sutra I-18 in Form von Virama-Pratyaya, der Erfahrung des Stillstands bzw. Unterbrechung, frei von jeder Vritti (Bewegung des Geistes). Hierzu ist viel/tiefe Abhyasa - Übung notwendig.
Das "Ich" als Mittelpunkt der Erfahrung fällt weg, es bleibt die reine Erfahrung. Ein Buddhist würde dies vielleicht mit dem dauerhaften Verweilen eines Meditationsmeisters in "völliger Präsenz" ausdrücken.
4. Samskaras
Deshpande schreibt auf Seite 46, dass mit der reinen Schau ohne Ich die (schlechten) Samskaras, die unbewussten Eindrücke vom Yogi abfallen, da diese keinen Kristallisationspunkt mehr hätten, an denen sie sich klammern können: wieder ein Stück Freiheit gewonnen.
4.1. Nicht stehenbleiben!
Der Zustand im Samprajnata muss viele Yogis dazu verführen, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben. Iyengar warnt dezidiert davor. Virama-Pratyaya sei ein unsicherer Zustand, der zwar zur Grundlage der Vollendung werden, anderseits den Yogi auch lange Zeit festhalten kann. Iyengar deutet die Sutra I-20 in diesem Sinne als Mahnung, die Anstrengungen bei Erreichen von Virama Pratyaya noch einmal zu erhöhen.
Yoga Roots schreibt: "Wenn alle Schwankungen des Geistes beseitigt sind und der Geist aufhört, [was] der Rest der karmischen Spuren ist, dann ist dies „samādhi ohne Erkenntnis“ (asaṃprajñāta samādhi). Ihre Methode ist höchste Leidenschaftslosigkeit. Da eine Übung mit einer [meditativen] Stütze nicht geeignet ist, um dies zu erreichen, wird die Betrachtung der Beendigung, die keine Substanz hat, zur Stütze gemacht. Und das ist ohne Gegenstand. Weil der Geist nach dem Üben dieser [Betrachtung des Aufhörens] keine Stütze mehr hat, wird dieses samādhi ohne Samen „ohne Erkenntnis“ genannt."
4.2. Dein Feedback / deine offene Frage an den Text
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
5. Übung zu Sutra I-18
Übungsvorschlag für die kommende Woche:
Hast du die Übung zu Sutra I-17 ab und an durchgeführt?
Dann führe diese Übung in dieser Woche fort und lasse den dortigen vier Zuständen die in Sutra I-18 beschriebene "Stille" folgen. Wie schon gesagt, du musst dabei nicht perfekt sein. Probiere es einfach aus ...
6. Verwandte Sutras
Siehe auch:
6.1. Yoga Sutra I-51: Wenn auch diese Prägungen (Samskaras) zur Ruhe gebracht worden sind, tritt der Yogi in Nirbija (samenlosen) Samadhi ein – die Erleuchtung
tasyāpi nirodhe sarva-nirodhān-nirbījaḥ samādhiḥ
तस्यापि निरोधे सर्वनिरोधान्निर्बीजः समाधिः
Patanjali endet hier mit der Beschreibung der Stufen des Yogapfades. Nirbija Samadhi – Samenlose Versenkung. Erleuchtung! Wie kann man sich das konkret vorstellen? Einige Autoren versuchen sich an der Beschreibung des Nichtbeschreibbaren.
6.2. Yoga Sutra I-50: Dieses neue Wissen aus Nirvichara Sampatti erzeugte neue Eindrücke im Unterbewusstsein (Samskaras), welche die ungüstigen bisherigen Samskaras ersetzen
Taj-jah samskâro ’nya-samskâra-prati-bandhî
तज्जस्संस्कारोऽन्यसंस्कार प्रतिबन्धी
Dies ist eine spannende Sutra: Das Wesen des Yogis wandelt sich durch seine Erkenntnisse in Nirvichara Samapatti. Genauer: Seine Samskaras, seine Eindrücke im Unterbewusstsein. Iyengar: "Ein neues Leben beginnt mit diesem wahrheitstragenden Licht." Wohin kann das führen?
6.3. Yoga Sutra II-9: Haften am Leben (Abhinivesa) ist das instinktive Verlangen nach Leben, das man sogar beim Weisen findet
svarasvāhi viduṣo-i samārūḍho-bhiniveśaḥ
स्वरसवाही विदुषोऽपि तथारूढो भिनिवेशः
Der Selbsterhaltungstrieb Abhinivesa, die (panische) Angst vor dem Tod, ist eigentlich nur eine Form von Raga (›Haben-Wollen‹). Der Mensch wünscht sich, weiter zu leben. Doch Patanjali widmet diesem Klesha (= leidvolles Hindernis) eine eigene Sutra. Und das aus guten Gründen.
7. Videos zu Sutra I-18
Leider verbleiben nur noch englische Videos, die sich mit dieser Sutra beschäftigen. Wenn du ein deutschsprachiges Video kennst, nenne es bitte unten in den Kommentaren. Danke!
{tab Dr. Kausthub Desikachar}
Dr. Kausthub Desikachar zu Sutra I-18 und I-19:
{tab Nayaswami Asha zu Sutra I-17 bis I-19}
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