fluss see berge 250Tasya prashânta–vâhitâ samskârât
तस्य प्रशान्तवाहिता संस्कारत्

Es nützt der spirituellen Entwicklung wenig, hin und wieder die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Wer einen stillen, klaren Geist möchte, muss die Übungen zur Transformation des Geistes verstetigen. Der Prozess der gesammelten Aufmerksamkeit ohne Gedanken (Nirodha Parinama) sollte sich in einen stetigen Fluss verwandeln. Wie dies gelingen kann, lesen wir in den Kommentaren zu diesem Abschnitt.

Inhalt: Yogasutra Kapitel 3, Vers Sutra 10

1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Zunächst hier die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Worte, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis variieren kannst:

  • Tasya = sein (des Nirodha–Parinâma); dessen; ihr;
  • Prasantha, prashânta, praśānta = ruhig; ungestört; gleichmütig; friedlich; eine befriedete und ruhige Stille;
  • Vahita, vâhitâ, vāhitā = Fluß; Strom; Fließen; Gang;
  • Samskara, saṁskāra, samskârayoh = Manifestation im Unterbewusstsein; von den Eindrücken; unterbewusste Prägungen (von vergangenen Handlungen/Gedanken); Neigungen, Ängste und Haltungen aufgrund von Vorerfahrungen; unbewusstes Programm;

2. Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hervorhebungen weisen auf Besonderheiten der jeweiligen Übersetzung hin. Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • Sukadev: „... durch Wiederholung ruhig.“
  • Deshpande/Bäumer: „Das Dahinströmen des Bewusstseins ist friedvoll durch …“
  • Dr. R. Steiner: „Der ruhige Fluss dieses Übergangs zur Stille ...“
  • Coster: „Durch ausdauernde Übung kann der Gleichgewichtspunkt … beibehalten werden.“
  • Feuerstein: „Dessen ruhiges Fließen [wird bewirkt] …“
  • R. Palm: „Durch deren ... Prägung … friedvolles Dahinfließen.
  • R. Sriram: „Durch wiederholtes Üben …“
  • Govindan: „… entsteht durch unterbewusste Prägungen.“
  • Iyengar: „… lässt einen ungestörten Strom der Stille entstehen.“
  • Chip Hartranft: „Diese latenten Eindrücke helfen dem Bewusstsein, von einem ruhigen Moment zum nächsten zu fließen.“
  • R. Skuban: „… wird daraus ein stilles Fließen.“
  • T.K.V. Desikachar: „Die Fähigkeit, über einen langen Zeitraum in einem Zustand der Ausrichtung zu verweilen …“
  • G. Pradīpaka: „ durch den/die latenten Eindruck(e) (saṁskārāt) dieses (angehaltenen Geisteszustandes) (tasya) wird ein kontinuierlicher ungestörter Zustand geistiger Ruhe (praśānta-vāhitā) (herbeigeführt und aufrechterhalten).“
  • 12koerbe.de: „... Seelenfriedens-Fluß ... aus ... subtiler Eindrucksspur ...“
  • Hariharananda Aranya: „Die Kontinuität des ruhigen Geistes (in einem verhafteten Zustand) wird durch die latenten Eindrücke gewährleistet.“
  • I. K. Taimni: „Der Fluss wird durch wiederholte Eindrücke zur Ruhe gebracht.“
  • Vyasa Houston: „Der ruhige Fluss dessen (nirodha-parinama-Transformation) entsteht durch den sanskara-subliminalen Auslöser (oder nirodha).“
  • Barbara Miller: „Durch den unterschwelligen Eindruck dieser Momente ist der Fluss der Ruhe konstant.“
  • Swami Satchidananda: „Der Fluss von nirodha parinama wird durch Gewohnheit beständig.“
  • Swami Prabhavananda: „Wenn diese Unterdrückung der Gedankenwellen beständig wird, ist der Fluss des Geistes ruhig.“
  • Swami Vivekananda: „Sein Fluss wird durch Gewohnheit gleichmäßig.“
  • Wim van den dungen (buddhistischer Kommentar zum Yogasutra): „Der ruhige Fluss dieser erfolgt durch Dämpfer.“
  • ChatGPT: „Durch die Beruhigung der geistigen Aktivität entsteht eine latente Eindrucksform."
Zu den Quellen

Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:

Bücher

Internetseiten

Dein Übersetzungsvorschlag

Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.

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Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)

 

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3. Wo wir stehen

Samyama ist die Schlüsselübung im dritten Kapitel des Yogasutra zum Erreichen der geistigen Kräfte. In den Sutras III-1 bis III-7 erläutert Patanjali zunächst, was Samyama ist: die Kombination aus Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). In Sutra III-8 erläutert Patanjali, dass der Yogi zur Erlangung der Erleuchtung über Samyama hinausgehen muss.

In den Sutras III-9 bis III-15 erläutert Patanjali, welche Wandlung der Geist (Chitta) vollziehen muss, um Samyama bis zur Perfektion ausüben zu können. Aufeinander aufbauend sind das die Stadien Nirodha-Parinama (Wandel durch Sammlung, einfache Konzentration), Samadhi-Parinama (Wandlung durch länger andauernde Konzentration) und Ekagrata-Parinama (Wandel/Transformation durch vollkommene Versenkung auf einen Punkt/ein Thema).

Man kann die Sutras III-9 bis III-15 so deuten, dass der notwendige Wandel des Geistes (nur) nach und nach vonstattengeht, keine eilige Erledigung darstellt.

4. Samskara

Der Begriff "Samskara" bezieht sich auf latente Eindrücke oder geistige Spuren, die durch frühere Erfahrungen hinterlassen wurden. Diese Eindrücke können unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen beeinflussen, oft ohne unser bewusstes Wissen. Dr. Steiner sieht die Verfestigung von Neuronenverbindungen bei der Wiederholung gleicher Gedanken/Verhaltensweisen als Grund für das Entstehen der Samskaras an. Auch regelmäßiges “Nichtdenken” führt zu solchen Neuronen-Verfestigungen. Darum würde es auch mit der Zeit immer leichter, in die Versenkung zu gehen oder eine Konzentration aufrechtzuerhalten.

5. Zum ungestörten Fluss

Iyengar: „Dann fließt der Strom der Stille, ohne dass sich die kleinsten Wellen im Bewusstsein bilden.”

Wieso ist in der Sutra von einem "Fluss" die Rede, wo Nirodha doch so etwas wie Stillstand, Stocken meint? Palm (S. 144) verweist darauf, dass vrittis (die Gedanken oder Gedankenwellen) als “Wirbel” oder “Kräuseln” übersetzt werden. Das ruhige Dahinfließen bzw. Strömen dieser vrittis passe dann wieder gut in das Wasser- bzw. Flussbild.

Sukadev vergleicht die Erziehung der Gedanken hin zu einem ungestörten Fluss an Positivität oder Stille mit der Erziehung eines Hundes. Auch in der Hundeerziehung bedürfe es vor allem der Konsequenz. Ohne diese wird sich keine Kontinuität einstellen.

Ein Element dieser Kontinuität ist das Unterdrücken von Wünschen. Wieder Sukadev: Ein Raja-Yogi gibt seinen Wünschen nicht nach. Dieser weiß nämlich: mit jedem Wunsch, der beherrscht wird, wird der Geist ein wenig stärker, wächst er. So freut sich ein Yogi über jede Möglichkeit, den Geist zu beherrschen. Auch bei der Wunschversagung sei Regelmäßigkeit ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Allerdings solle man es dabei nicht übertreiben. Die reine Unterdrückung von Wünschen ohne begleitende spirituelle Entwicklung führe auf die Dauer zu anderen Problemen.

Govindan schreibt: “Indem man immer wieder das Loslassen übt …, entsteht allmählich im Unterbewusstsein ein Verhaltensmuster (samskara) des Loslassens.”

… und wieder zurück

Desikachar mahnt: „Bemühen wir uns jedoch nicht immer wieder darum, den Zustand der Ausrichtung aufrechtzuerhalten, so werden Zerstreutheit und Unachtsamkeit in unserem Geist wieder Oberhand gewinnen.”

6. Kommentar von Vyasa zu Sutra 3.10

Erläuterungen zu Vyasa

Vyasa war ein indischer Philosoph des 5. bzw. 6. Jahrhunderts nach Christi, der den ältesten überlieferten Kommentar zum Yogasutra des Patanjali schrieb. Der Text wird Yogabhashya (wörtlich "Kommentar (Bhashya) zur Yogaphilosophie") genannt und um 600 nach Christi datiert. Vyasas Kommentare zu den Sutras sind oftmals recht kurz.
Dieses Yogabhashya wurde im 8./9. Jh. von Shankara (788–820 n. Chr, indischer Gelehrter, Vedanta-Philosoph, Begründer der Advaitavedānta-Tradition) kommentiert. Sein Kommentar nennt sich Yogabhashyavivarana, Vivarana ist ein Unterkommentar. (Meine Quellen für diese Kommentare: Legget (siehe Literatur) und wisdomlib.org/hinduism/book/yoga-sutras-with-commentaries/)

Vyasa schreibt: “Aus der Gewöhnung an saṃskāras [Bewusstseinszuständen] der Hemmung entsteht ein friedlicher Fluss des Geistes. Beginnend mit dem hemmenden saṃskāra, dauert dieser Fluss so lange, wie es nicht durch ein saṃskāra vom Charakter der Nach-Aussen-Gerichtetheit überwunden wird.”

Shankaras Kommentar dazu gibt das Gleiche mit etwas mehr Worten wieder: “Der Geist, der die hemmende Veränderung annimmt, hat einen friedlichen Fluss, aufgrund des saṃskāra-s. Aus der Gewöhnung an die saṃskāra-s der Hemmung in Anbetracht der Gewöhnung, der Festigkeit, der saṃskāra-s der Hemmung entsteht ein friedlicher Fluss, eine Ruhe des Geistes. Wie lange dieser friedliche Fluss anhält, sagt er: Der friedliche Fluss, der mit dem hemmenden saṃskāra beginnt, dauert so lange, wie er, der hemmende saṃskāra, nicht von einem saṃskāra mit dem Charakter der Extraversion [eine nach außen gewandte Haltung] überwunden wird: da dieser saṃskāra von der Extraversion erzeugt wurde, wird er den Charakter der Extraversion haben. Der friedliche Fluss hingegen entsteht aus saṃskāras der Hemmung.”

Palm erläutert (S. 144) zu diesem Kommentar: Vyasa meine, es komme auf das Übungsgeschick in der Meditation an. Zudem liest Palm aus dem Kommentar heraus, dass es gut sei, “starke Beruhigungs-Prägungen und schwache Erregungs-Prägungen zu haben.”

7. Übungsvorschlag zu Sutra III-10

Übe dich immer wieder im Loslassen der Gedanken, lasse immer wieder Stille während der Meditation einkehren. Achte dabei darauf, wann sich ein Gewöhnungseffekt einstellt. Erforsche, welche Form der Meditation diese Stille am leichtesten zur Gewohnheit werden lässt.

Meine Erkenntnisse/Erfahrungen bei/mit dieser Übung

 

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8. Siehe auch folgende Sutras

Yoga Sutra I-12: Die bewusste Kontrolle der Bewegungen im Geist wird durch Übung und Verhaftungslosigkeit erlangt

Zur Sutra


Yoga Sutra I-33: Der Geist wird geklärt durch Kultivierung von Freundlichkeit, Empathie, Zufriedenheit sowie Gleichgültigkeit gegenüber Freude, Leid, Erfolg und Misserfolg

Zur Sutra


Yoga Sutra I-37: Oder durch Meditation über einen Menschen, der völlig frei von Anhaftungen an Sinnesobjekte ist.

Zur Sutra


Yoga Sutra II-9: Haften am Leben (Abhinivesa) ist das instinktive Verlangen nach Leben, das man sogar beim Weisen findet

Zur Sutra


Yoga Sutra II-47: Bemühe dich in der Asana [Sitzhaltung in der Meditation] um tiefe Entspannung und versenke deinen Geist in das Unendliche

Zur Sutra


Yoga Sutra IV-29: Wer den höchsten Bewusstseinszustand erlangt hat und weiterhin Unterscheidungskraft übt und alle Wünsche aufgibt, erlangt Dharma-Meghah-Samadhi, erhält einen "Regen von Tugenden"

Zur Sutra


Yoga Sutra IV-32: Dadurch verschwinden die Veränderungen durch die drei Gunas, weil sie ihren Zweck erfüllt haben

Zur Sutra

9. Ergänzungen und Fragen von Lesern:innen

Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?

Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:

 

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10. Videos zu Sutra III-10

Sukadev zur Sutra III-9 bis III-11

Länge: 5 Minuten

Youtube-Video

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Video von Ahnand Krishna zur Sutra

Asha Nayaswami zu Sutra III-9 bis III-11

Länge: 13 Minuten

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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