Samskâra-sâkshâtkaranât pûrva-jâtijnânam
संस्कारसाक्षात्करणात् पूर्वजातिज्ञानम्
Der Pfad der Selbsterkenntnis führt unweigerlich in unsere unterbewussten Prägungen, die wir alle zahlreich in unseren tieferen Hirnschichten abgespeichert haben. Die sich unserem Verstand nicht zu erkennen geben, deren Auswirkungen wir aber beobachten können. Patanjali erläutert hier, dass Samyama über diese unterbewussten Prägungen uns sogar zu Wissen über frühere Geburten verhelfen kann. Wie soll das funktionieren?
1. Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits
Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:
- Karana = Ursache; kausaler Ursprung; treibende Kraft; das wirksame Mittel; das kausale Mittel oder der Grund;
- Samskara, saṁskāra, samskâra = unterbewusste Eindrücke; unterbewusste Manifestationen aus vergangenen Handlungen und Erfahrungen; Neigungen; Talente; das Angewöhnte; erworbene Neigungen, die unser Tun beeinflussen;
- Saksat, sākṣāt = direkt; unmittelbar;
- Saksatkarana, sâkshâtkâranât, sākṣātkaraṇa, saksat-karanat = durch Beobachtung; durch direkte Wahrnehmung; durch direkte Erfahrung; die Aktivität des direkten Sehens durch die eigenen nicht-dualen Augen; Sich-vor-Augen-Führen; Vergegenwärtigen; intuitive Wahrnehmung;
- Purva, pūrva, pûrva = vorher; frühe; frühere;
- Jati, jāti, jâti = Geburt; Genetik; Leben;
- Purva-Jati, pūrva-jāti = Vorleben; frühere Geburt; ein Verweis auf das Frühere, den Vorläufer, das Vorherige;
- Jnana, jñāna, jnânam = Wissen; Verständnis; Erkenntnis;
Zu den Quellen
Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:
Bücher
- Mircea Eliade: Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit
- Iyengar: Der Urquell des Yoga
- Deshpande/Bäumer: Die Wurzeln des Yoga
- Geraldine Coster: Yoga und Tiefenpsychologie
- R. Sriram: Von der Erkenntnis zur Befreiung – Das YogaSutra
- Govindan: Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali
- Mallinson/Singleton: Roots of Yoga
- R. Palm: Der Yogaleitfaden des Patañjali
- T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation | Das Yoga Sutra von Patanajali
- Feuerstein, Georg: Die Yoga Tradition (Amazon)
- Skuban, Ralph: Patanjalis Yogasutra (Amazon)
- Sri Swami Satchidananda: The Yoga Sutras of Patanjali (Amazon)
- Trevor Leggett: The complete Commentary by Sankara on the Yoga-Sutras* (Amazon)
Internetseiten
- Internet-Übersetzung des Yogasutras auf Yoga-Vidya.de
- Zu den Sutras auf ashtangayoga.info
- Zu den Sutras auf 12koerebe.de
- Zu den Sutras auf vedanta-yoga.de
- Openland.de (mittlerweile offline)
- Zu www.bodhi.sofiatopia.org (buddhistische Kommentare zum Yogasutra nur noch als Buch)
- sanskrit-sanscrito.com (Sutras anscheinend entfernt)
- Zur Übersetzung von Chip Hartranft (PDF)
- Die Übersetzung von Hariharananda Aranya, I. K. Taimni, Vasa Houston, Barbara Miller, Swami Satchidananda, Swami Prabhavananda, Swami Vivekananda finden sich auf dieser Seite.
- Übersetzung von James Haughton Woods
- Rainbowbody.com (ausführliche und eigene Kommentierung)
- Wisdom Library
Dein Übersetzungsvorschlag
Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.
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Wie würdest du diese Sutra übersetzen? Manchmal ergeben schon kleine Wortveränderungen ganz neue Aspekte. Trau dich ... :-)
3. Einordnung dieser Sutra im Yogasutra
Samyama ist die Schlüsselübung im dritten Kapitel des Yogasutra zum Erreichen der geistigen Kräfte. In den Sutras III-1 bis III-7 erläutert Patanjali zunächst, was Samyama ist: die Kombination aus Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). In Sutra III-8 erläutert Patanjali, dass der Yogi zur Erlangung der Erleuchtung über Samyama hinausgehen muss.
In den Sutras III-9 bis III-15 erläutert Patanjali, welche Wandlung der Geist (Chitta) vollziehen muss, um Samyama bis zur Perfektion ausüben zu können. Aufeinander aufbauend sind das die Stadien Nirodha-Parinama (Wandel durch Sammlung, einfache Konzentration), Samadhi-Parinama (Wandlung durch länger andauernde Konzentration) und Ekagrata-Parinama (Wandel/Transformation durch vollkommene Versenkung auf einen Punkt/ein Thema). Der notwendige Wandel des Geistes erfolgt nach und nach, ist keine sprunghafte Entwicklung.
In den Sutras III-16 bis III-49 macht Patanjali eine ganze Reihe von Vorschlägen, worauf man Samyama lenken könnte und welche Folgen (Siddhis) sich jeweils daraus ergeben.
In dieser Sutra geht es um tiefe Meditation über unsere unbewussten Prägungen. Daraus soll Wissen über vergangene Leben entstehen.
Besondere Kräfte (Siddhis) mit Samyama erlangen
Besondere Kräfte (Siddhis) mit Samyama erlangen
Patanjalis Anleitungen zur Erlangung der Siddhis lauten generell, dass der Praktizierende Samyama gezielt auf ein Meditationsobjekt anwendet. Samyama ist die Verbindung aus anhaltender Konzentration, Meditation und schlussendlich Samadhi (Überbewusstsein) auf ein Objekt der Meditation. Skuban sieht den Vorgang von Samyama als “mentales Eindringen in ein Objekt, das den Übenden schließlich zu den feinstofflichsten Bereichen des Seins führt.” Dadurch werden die drei Eigenschaften (siehe Sutra III-13) eines Objektes voll erkannt. So wird das Objekt voll verstanden und über die Gunas auch beherrschbar. Alle Objekte sind nämlich laut Yogalehre Erscheinungsformen der drei Gunas, auch das Bewusstsein des Menschen. Der Yogi diszipliniert sein Bewusstsein und kann über bzw. in Samyama die Gunas auch außerhalb seines Bewusstseins beeinflussen oder verändern. So erklären sich gemäß Yogalehre die Siddhis.
Vibhutis, der andere Name für die Siddhis, bedeutet wörtlich weg (vi) von den Elementen (bhutas) und steht damit laut einiger Kommentatoren auch für die Abwendung von der Identifikation mit den materiellen Grundlagen unseres Lebens, yogisch: Prakriti. Hin zur Erkenntnis unserer wahren Natur: Purusha.
Die Sutras III-16 bis III-49 nennen die Objekte, auf die ein Yogi seine Samyama-Konzentration legen sollte, um besondere Kräfte zu entfalten. Iyengar betont jedoch, dass diese Siddhis sich erst bei weit fortgeschrittenen Yoga-SchülerInnen zeigen.
Was ist Samyama?
Was ist Samyama?
Samyama besteht aus drei Stufen: Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). Nur die erste Stufe von Samyama, die Konzentration auf ein Objekt, lässt sich willentlich steuern. Die darauf aufbauenden Geisteszustände Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein) müssen sich laut der meisten Kommentatoren des Yogasutras von alleine einstellen und werden durch lang anhaltende Konzentration und Beseitigung der Geisteshindernisse erlangt. Feuerstein bezeichnet Samyama als 'Bündelung' von Konzentration, Meditation und Samadhi. Du findest Samyama ausführlicher in den ersten Sutras des dritten Kapitels des Yogasutra hier auf yoga-welten.de besprochen. Siehe vor allem:
Yoga Sutra III-4: Die drei (Dhahrana, Dhyana, Samadhi) zusammen auf ein Objekt oder einen Ort angewendet wird Samyama genannt
Yoga Sutra III-5: Aus der Meisterung von Samyama entsteht vollkommenes Wissen über das Wahrgenommene
Yoga Sutra III-6: Der Fortschritt im Samyama erfolgt in Stufen
Voraussetzungen und Umgang mit den Siddhis
Empfehlungen zu Voraussetzungen und zum Umgang mit den Siddhis
Viele Kommentatoren empfehlen, mit den Siddhis sehr bewusst umzugehen. Folgendes wird oft geraten:
Wer sich den Siddhis zuwendet, sollte die Yamas und Niyamas in seinem Leben verwirklicht haben. Diese sind:
Die Yamas – Selbstkontrolle
- Ahimsa – Gewaltlosigkeit
- Satya – Wahrhaftigkeit
- Asteya – Nicht-Stehlen
- Brahmacharya – Wandel in Brahma / Selbstbeherrschung / Enthaltsamkeit
- Aparigraha – Nicht-Greifen, Verzicht auf Gier
Niyamas – Verhaltensregeln
- Saucha – Reinheit
- Santosha – Zufriedenheit
- Tapas – Selbstzucht
- Svadhyaya – Selbststudium (Studium)
- Ishvarapranidhana – Verehrung des Göttlichen
Siehe dazu die Erläuterungen in "Yamas und Niyamas im täglichen Leben".
Siddhis sollten nicht zum Vergnügen, zur Selbsterhöhung oder anderen ungünstigen, egoistischen Zielen angewendet werden. Vielmehr zeigen die Siddhis (so Iyengar und andere), dass die Yogapraxis “richtig angelegt” sei.
Selbstverständlich sollte man Siddhis auch nicht dazu nutzen, um jemand anderen damit zu schaden.
Stattdessen wird eher ein “Nicht-Beachten” der Siddhis angeraten, wenn diese sich denn zeigen sollten. Iyengar schreibt, (S. 244), die Übungen bei Auftreten der Siddhis mit Glauben und Begeisterung weiterzuentwickeln, die Siddhis aber mit völligem Gleichmut zu betrachten.
Dem Yogi wird also geraten, sich nicht auf die Siddhis einzulassen, sich nicht von ihnen “mitreissen zu lassen”, um sie nicht für eigenen selbstsüchtige Bedürfnisse zu verwenden, woraus späteres Leiden folgen würde. Stattdessen solle er/sie weiter auf dem Pfad der Befreiung zu wandeln und die Siddhis eher als Prüfung ansehen, ob man nicht doch noch - trotz fortgeschrittener yogischer Entwicklung - den Verlockungen der Dualität und des Ego-Daseins nachgibt.
Swami Sivananda sagt über Siddhis:
„Yoga ist nicht dazu da, Siddhis, Kräfte, zu erlangen. Wenn ein Yogaschüler die Versuchung verspürt, Siddhis zu erlangen, wird sein weiterer Fortschritt ernsthaft verzögert. Er hat den Weg verloren. Ein Yogi, der darauf konzentriert ist, höchsten Samadhi zu erreichen, muss Siddhis zurückweisen, wo auch immer sie auftauchen. Siddhis sind Einladungen von Devatas. Nur wenn man diese Siddhis zurückweisen kann, kann man Erfolg im Yoga erlangen.“
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4. Siddhi: Wissen über vergangene Leben
Was genau können wir mit diesem Siddhi erkennen? Govindan (S. 119) schreibt: “Im Zustand des Eins-werdens (samyama) kann der yogin zum direkten Beobachter unterbewusster Eindrücke werden und als Zeuge der Vergangenheit sehen, wo diese entstanden sind.”
Das klappt sogar mit Samskaras aus früheren Leben. Sukadev: “So geht man in frühere Inkarnationen hinein.“ Dr. Steiner ergänzt: “Patanjali fasst dabei den Begriff des Vorlebens sehr weit. Es umfasst alles, was vor dem aktuellen Zeitpunkt stattgefunden hat.”
Wie funktioniert das, was haben die Samskaras, die unterbewussten Prägungen, mit den früheren Leben zu tun? Iyengar erklärt (S. 245): “Das Gedächtnis ist ein Teil der unterbewussten Schicht, und die Früchte des Begehrens (Schmerz und Lust des gegenwärtigen Lebens, die auf gute und schlechte Taten eines früheren zurückzuführen sind) gehören zum Unbewussten.”
5. Was ist ein Samskara?
Yoga Sutra I-18: Ein weiterer Zustand des Samadhi - Virama Pratyaya - ist nach intensiver Übung erreicht, wenn alle geistigen Aktivitäten aufhören und nur (ein Rest) unmanifestierter Eindrücke im Geist (eine Form der Leere) verbleiben
Der Sanskrit-Begriff Samskara wird in Sutra I-18 eingeführt und auf vielerlei Weise übersetzt:
- eine ansonsten unbewussten Prägung
- Eindrücke im Geist/Unterbewusstsein
- Talente,
- Neigungen,
- Persönlichkeitsstrukturen
- Charaktereigenschaften
- Temperament
- Eliade nennt sie „unterbewußte Residuen“
- karmische Rückstände
- der konditionierte Geist
- unbewusste Bewirker (Hauer)
- geistige Spur (Sai Baba)
All dies in seiner Gesamtheit wird als Samskaras bezeichnet.
Vyasa (laut Palm) teilt sie “in zwei große Gruppen” ein:
- Neigungen/Vorlieben (vasana)
Diese verursachen Erinnerungen und Plagen. - Tugenden und Untugenden (dharmadharma)
Diese bringen “Tatenfrüchte” hervor.
In dieser Sutra wären die vasana-samskaras gemeint, siehe unten beim vollen Kommentar von Vyasa.
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6. Wie soll ich genau vorgehen, um dieses Siddhi zu erlangen?
Samyama, der Dreiklang aus Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein) auf ein Meditationsobjekt ist das Mittel der Wahl für den Yogi, um die in Kapitel III des Yogasutra besprochenen Siddhis auszuüben. In diesem Fall soll sich der Yogi auf die unbewussten Prägungen, Samskaras, konzentrieren.
Üblicherweise gelingt tiefe Versenkung bei voller Bewusstheit am besten mit tiefer Meditation. Es soll auch mit Yoga Nidra funktionieren, wenn du die darin enthaltenen Schritte mit Konzentration ohne einzuschlafen durchführen kannst. Zu beiden Techniken findest du Anleitung (& Downloads) auf Yoga-Welten.de:
Beitrag: Yoga Nidra
Yoga Nidra | Anleitung, MP3, Text und Variationen
Willkommen zu der Entspannungstechnik des Yogas: Yoga Nidra. Die yogische Tiefenentspannung, auch "yogischer Schlaf" genannt, ist eine Tiefenentspannungsübung der tantrischen Yoga-Lehre. Ihr Ursprung liegt in weit entfernten Zeiten.
Yoga Nidra führt in tiefe Entspannungszustände, die mit einiger Übung bei vollem Bewusstsein erfahren werden können. Zusätzlich besteht über einen sogenannten Sankalpa die Möglichkeit, Persönlichkeitsentwicklung tief ins Unbewusste einzuprägen.
Hier findest du Yoga Nidra erläutert und dazu eine einfache Anleitung, einen Gratis-MP3-Download, den Text zum Ausdrucken und viele Varianten für fortgeschrittenes Üben, auch als Videos.
Beitrag: Meditation lernen
Meditation lernen – die grundlegende Anleitung aus dem Buddhismus
Der Begriff Meditation hat viele Facetten. Das Spektrum reicht vom Nachsinnen über ein Thema (vornehmliche Betrachtungsweise der Philosophen) bis zur völligen Gedankenstille. Im Folgenden findest du eine konkrete Anleitung der Schritte, welcher der Buddha himself seinen Schülern zum Lernen einer tiefen Meditation gegeben hat. Sicherlich nicht die schlechteste Herangehensweise, wenn du persönliche Entwicklung oder gar Erleuchtung zum Ziel deiner Meditationsreise auserkoren hast.
Am Ende findest du eine Merkkarte zum Ausdruck – z. B. für das Portemonnaie.
Deshpande/Bäumer schildern den Vorgang wie folgt (S. 146/147): Der Yogi richtet seine Achtsamkeit im Samayma auf “dieses stille, regungslose (santa) Bewusstsein”. Dabei werde dessen Wesen und Struktur als Ergebnis vergangener Ereignisse offenbar. “Auf diese Weise enthüllt sie [Samyama] vergangene Existenzen, die das Bewusstsein durchlaufen hat.”
Deshpande/Bäumer (S. 150) weiter: wenn “... ein Yogi die komplexe Masse vergangener Eindrücke (samskaras) in seiner Geistsubstanz direkt wahrnimmt (saksatkaranat), er die Folge (krama) deutlich sieht, die sie hervorgebracht hat.” Diese Folge wird bis zurückverfolgt bis zum Ursprung und so gelangt man in Erkenntnisse über frühere Leben.
Dr. Steiner: “Warum handeln wir in bestimmten Situationen, wie wir es eben tun? Das schlägt uns Patanjali hier als Thema für unsere Meditation vor.“
Nehmen wir an, du hast eine bestimmte Abneigung oder Zuneigung zu etwas, was du dir mit Erfahrungen in diesem Leben nicht erklären kannst. Oder ein Talent, eine besondere Fähigkeit. Oboe spielen, Flugangst, Schlangenphobie, Sprachtalent, Sehnsucht nach dem weiten Ozean …
Diese Prägungen lassen sich natürlich auch alle eventuell mit unbewussten oder vergessenen Erlebnissen aus diesem Leben erklären, aber dennoch könntest du diese Prägungen auch als Meditationsobjekt verwenden, um der Sache auf die Spur zu kommen.
Setze dich hin, stelle dir die Prägung deutlich vor und konzentriere dich fortlaufend - ganz entspannt - auf dieses Samskara. Nimm es fortgesetzt intuitiv wahr, ohne darüber nachzudenken. Desikachar schreibt (S. 112), dass wir dann erkennen “... wie sich unser Verhalten und unsere persönlichen Charaktereigenschaften entwickelt haben und welche Ereignisse in der Vergangenheit unsere Sichtweisen, Vorlieben und Abneigungen beeinflusst haben.”
6.1. Erläuterungen von Eliade zum Vorgang
Eliade erläutert ab Seite 95 den Vorgang, wenn man über die eigenen, inneren Samskaras Samyama ausübt. Samyama umfasse Konzentration, Meditation und Samadhi - also Dharana, Dhyana und Samadhi. Der Ablauf ist laut Eliade nun wie folgt: Der Yogin konzentriert sich auf ein Objekt, eine Idee, z. B. auf die unbewussten Residuen (Samskaras genannt, unterbewusste Strömungen, Antriebe etc.). Wenn er diesbezüglich die Konzentration - ekagrata - erreicht hat, geht er in Meditation über die Residuen. Eliade nennt dies ein magisches Assimilieren, ein Aneignen. Durch Dhyana – die Meditation – gelangt er in samprajnata Samadhi, den Bija Samadhi (mit Stütze, und das sind in diesem Fall die unterbewussten Residuen, ansonsten andere Meditationsobjekte).
So geht der Yogin über die Erkenntnis hinaus und gelangt in den „Besitz“ der Residuen/Samskaras. Der Yogin gelangt über die Enstase (Griech. en-stasis, in etwas stehen) im Samadhi in Identifikation mit den jeweiligen Residuen – die Erkenntnis wird dann “total”. Der Yogi begreift so umfassend und stark, dass er zu den Residuen wird. Und nun wird es interessant: Durch dieses totale Begreifen, so Eliade weiter, erfasst der Yogin, wovon die Residuen abgelöst wurden und gelangt so zur Erkenntnis seiner früheren Leben. Diese Erkenntnis von den früheren Leben bis hinab zur „Samenexistenz“ ist für den Befreiungsprozess von entscheidender Hilfe.
Auch im Buddhismus spiele dies eine große Rolle. Mehr dazu bei Eliade ab Seite 189.
Siehe auch Sutra II-39:
Yoga Sutra II-39: Ist Begierdelosigkeit (Aparigraha) [im Wesen eines Menschen] gefestigt, erkennt er den Sinn seiner Geburt
Wenn wir aparigraha, das innere Nicht-Greifen, Begierdelosigkeit, erreichen, erfahren wir, warum wir leben. R. Skuban verweist darauf, dass unsere Samskaras des Begehrens und Wünschens der Antrieb für unsere Wiedergeburt sind. So liegt es nahe, dass deren Kenntnis auch zum Wissen über frühere Leben führe.
6.2. Umfrage zum Vorgehen
Hast du schon Erfahrungen mit dieser Technik bzw. diesem Vorgehen?
Kannst du Tipps geben, wie du es genau gemacht hast?
7. Sinn des Ganzen, Gefahren der Praxis
Deshpande/Bäumer schreiben, dass Yoga eine Disziplin sei, die uns in einen Bewusstseinszustand versetzen könne, bei dem wir erkennen, was wirklich ist. Die Wirklichkeit direkt wahrzunehmen, ohne Filter und Interpretationen. Darauf zielen viele Siddhis im dritten Kapitel ab.
Aber das Herumstöbern in der Vergangenheit oder gar vorgeburtliche Erfahrungen kann auch nach hinten losgehen. So mancher Yogalehrer rät tendenziell von Versuchen ab, sich in vergangene Leben zu versetzen. Es wird dieser Arbeit auch kein großer Sinn zugesprochen.
Beispielsweise Govindan (S. 119): “Im Allgemeinen ist es nicht ratsam, zu erforschen, was in früheren Leben geschehen ist, denn man kann überwältigt werden von den vielen schmerzlichen Erfahrungen.”
Reinkarnationstherapeuten argumentieren hier natürlich anders. Auch Dr. Steiner sieht in dieser Praxis Chancen: “Wir erfahren auf dieser inneren Reise viel über uns selbst. Wird unsere Handlung durch Vorerfahrungen und Vorurteile bestimmt? Woher kommen diese Vorurteile?”
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8. Kommentar von Vyasa zu Sutra 3.18
Erläuterungen zu Vyasa
Vyasa war ein indischer Philosoph des 5. bzw. 6. Jahrhunderts nach Christi, der den ältesten überlieferten Kommentar zum Yogasutra des Patanjali schrieb. Der Text wird Yogabhashya (wörtlich "Kommentar (Bhashya) zur Yogaphilosophie") genannt und um 600 nach Christi datiert. Vyasas Kommentare zu den Sutras sind oftmals recht kurz.
Dieses Yogabhashya wurde im 8./9. Jh. von Shankara (788–820 n. Chr, indischer Gelehrter, Vedanta-Philosoph, Begründer der Advaitavedānta-Tradition) kommentiert. Sein Kommentar nennt sich Yogabhashyavivarana, Vivarana ist ein Unterkommentar. Auch Vachaspati Mishra hat einen frühen, berühmten Kommentar zum Yogasutra geschrieben. (Meine Quellen für diese Kommentare waren unterschiedliche Bücher und Webseiten, zum Beispiel Legget (siehe Literatur) und wisdomlib.org/hinduism/book/yoga-sutras-with-commentaries/). Ich gebe hier diese Kommentare in für mich relevanten Auszügen in Worten wieder, die für mich den Sinn in heutigen Worten am besten wiedergeben. Dies ist explizit kein Bemühen, die Originalkommentare wortgetreu wiederzugeben. Fehlinterpretationen sind natürlich in meiner Verantwortung.
Du siehst etwas anders, hast einen Fehler gefunden oder möchtest etwas ergänzen? Bitte schreibe dies unten bei "Ergänzungen von dir".
Die Kommentare von Vyasa, Mishra und Shankara sind oft wörtlich übersetzt worden, zum Beispiel bei den oben angegebenen Quellen.
Vyasa schreibt: „Die saṃskāras, auf die hier Bezug genommen wird, sind die saṃskāra-Gruppen, die vāsanā genannt werden, verursacht durch Erinnerung und Befleckungen. Die Beobachtbaren bewirken eine Verwirklichung als Rechtschaffenheit und Unrechtmäßigkeit; die unbeobachtbaren sind geistige dharma-s, die in früheren Existenzen als Veränderung, Aktivität, Hemmung, Kraft, Leben und Rechtschaffenheit festgelegt wurden. Saṃyama auf diese (zwei Arten) hat die Kraft, direkte Wahrnehmung des saṃskāras zu geben.
Sie können niemals losgelöst von Ort, Zeit, Ursache und Erfahrung wahrgenommen werden: so ist es mit diesen Assoziationen, dass der Yogin Wissen über frühere Geburten durch direkte Wahrnehmung von saṃskāra-s erlangt. Diese Art von saṃyama kann auch auf andere Lebewesen angewendet werden.”
Alternativübersetzung zu diesem Abschnitt (wisdomlib) des Kommentars: “Aus direkter Wahrnehmung der saṃskāras, Wissen über frühere Leben.
Es gibt zwei Arten von samskaras: diejenigen, die als Gewohnheiten erscheinen und Erinnerungen und Leiden verursachen, und diejenigen, die als Tugend und Laster erscheinen und (gute) Früchte hervorbringen. Dies sind die unbewussten Eigenschaften des Geistes - Veränderung (pariṇāma), Aktivität (ceṣṭā), Unterdrückung (nirodha), Ideation in Aktion (śakti), physisches Leben (jīvana), Charakterisierung (dharma), die jetzt zusammen mit ihnen erscheinen, da sie in früheren Geburten potenziert worden sind. Saṃyama über diese hat die Macht, das direkte Wissen über die restlichen samskaras zu erlangen. Und ihr direktes Wissen ist nicht möglich ohne das Wissen über Raum, Zeit und operative Ursache. So bringt ein Yogī die früheren Lebenszustände ins Bewusstsein, indem er die direkte Kenntnis der Restkräfte erlangt. In ähnlicher Weise erlangt man das Wissen über die Lebenszustände anderer, indem man direktes Wissen über deren samskaras erlangt”
Weiter: “In diesem Zusammenhang hört man folgende Geschichte: Bhagavān Jaigiṣavya erlangte das Wissen um den Unterschied zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen, nachdem er die direkte Abfolge von Lebensveränderungen während zehn großer Schöpfungen gesehen hatte, indem er direktes Wissen über seine Restkräfte erlangte.
Der heilige Āvaṭya, der einen Körper angenommen hatte, fragte ihn: 'Du hast gelebt und bist dadurch durch zehn große Kalpas gezüchtigt worden. Die Essenz deines Willens zum Wissen ist nicht überwältigt worden. Du hast die Mühen des Lebens in den Höllen, unter den Tieren und im Mutterleib erfahren. Du wurdest immer wieder unter Menschen und Göttern geboren. Habt ihr während dieses ganzen Lebens die größere Menge an Vergnügen oder an Schmerz erfahren, was davon?
Jaigiṣava antwortete Bhagavān Āvaṭya: "Ich habe zehn große Schöpfungen durchlebt. Mein geistiges Wesen ist nicht überwältigt worden. Ich habe die Mühen der Hölle und des tierischen Lebens erfahren. Ich bin immer wieder unter Menschen und Göttern geboren worden. Ich betrachte alles, was ich erlebt habe, nur als Schmerz.'
Der verehrte Āvaṭya sagte: 'Diese Meisterschaft deiner Verehrung über die erste Ursache und diese unschätzbare Freude der Zufriedenheit von dir - rechnest du das auch dem Schmerz zu?"
Der verehrte Jaigiṣavya sagte: "Die Freude der Zufriedenheit ist nur im Vergleich mit den Freuden der Empfindung von unschätzbarem Wert. Verglichen mit der Glückseligkeit der absoluten Freiheit (kaivalya) ist sie nur Schmerz."
Der Besitz der drei Qualitäten ist von der Natur der Essenz des Willens zu wissen, und was auch immer im Besitz der drei Qualitäten ist, wird auf die Seite des vermeidbaren Schmerzes geworfen. Die Kette des Verlangens ist von der Natur des Schmerzes. Es wurde gesagt, dass, wenn die Angst vor dem Schmerz des Begehrens beseitigt ist, Freude, Ruhe, Ungestörtheit und Allumfassendheit eintritt."
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9. Übungsvorschlag zu Sutra III-18
Sei diese Woche aufmerksam, ob du einem Samskara (einer ansonsten unbewussten Prägung deinerseits, auch: Eindrücke im Geist/Unterbewusstsein, ein Talent, Neigungen, Persönlichkeitstrukturen) aus vergangenen Leben auf die Spur kommst. Erkennst du eine Aufgabe dahinter? Wenn du magst, nimm das Samskara mit in die Meditation und spüre hinein.
Meine Erkenntnisse/Erfahrungen bei/mit dieser Übung
10. Siehe auch folgende Sutras
Yoga Sutra I-18: Ein weiterer Zustand des Samadhi - Virama Pratyaya - ist nach intensiver Übung erreicht, wenn alle geistigen Aktivitäten aufhören und nur (ein Rest) unmanifestierter Eindrücke im Geist (eine Form der Leere) verbleiben
Yoga Sutra II-12: Die Kleshas sind [somit] die Wurzel für das gespeicherte Karma. Es wird im sichtbaren [gegenwärtigen] oder in nicht sichtbaren [zukünftigen Leben] erfahren werden.
Yoga Sutra II-39: Ist Begierdelosigkeit (Aparigraha) [im Wesen eines Menschen] gefestigt, erkennt er den Sinn seiner Geburt
Zu Krama: IV 33
Yoga Sutra IV-33: Die Empfindung eines bedingten Aufeinanderfolgen von Augenblicken endet, wenn die Wandlungen der Gunas enden
11. Ergänzungen und Fragen von dir
Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?
Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:
12. Videos zu Sutra III-18
Früheres Leben erfahren – Kommentar von Sukadev zu Yoga Sutra - Kap. 3, Vers 18
Länge: 8 Minuten
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Morgenansprache Yoga Sutra 3.16
Wiederhole nicht die gleichen Reaktionsschemata wieder und wieder: Morgenansprache von Sukadev zu Yoga Sutra 3.18
Länge: 6 Minuten
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Anvita Dixit zu Sutra III-18
Länge: 8 Minuten
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Video von Ahnand Krishna zur Sutra
Vergangene Leben aufgedeckt: Asha Nayaswami zu Sutra 3:16-18
Länge: 75 Minuten
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