sinnesorgane symbolisiert 250grahaña-svarûpâsmitânvayârthavattva-saäyamâd indriya-jayaï
ग्रहणस्वरूपास्मितान्वयार्थवत्त्वसंयमादिन्द्रियजयः

Meditation über die Sinne klingt nach fernöstlicher Romantik – doch wer sich ernsthaft damit beschäftigt, entdeckt ein verblüffend handfestes Trainingsprogramm: Die Untersuchung der Tätigkeit deiner Sinnesorgane seziert deine Wahrnehmung Schritt für Schritt und legt offen, wie das Hören, Sehen und Fühlen von Klang, Licht etc. dein Ego befeuern und deine Aufmerksamkeit fernsteuern. In dieser und der folgenden Sutra geht es Patanjali daher um die Meisterung der Sinnesorgane mittels Samyama und den Kräften, die aus dieser Meisterung entstehen.

Inhalt: Yogasutra Kapitel 3, Vers bzw. Sutra 48

Kurz zusammengefasst

  • Sinnesobjekte
    Alles Wahrnehmbare hat allgemeine und spezifische Eigenschaften. Beide sollen erkannt werden.
  • Stoffliche Natur der Sinne
    Sinnesorgane sind materielle Organe, in denen Allgemeines und Besonderes der Sinnensobjekte verschmelzen. Ihr innerer Kern ist Klarheit – das geistige „Licht“.
  • Ich-Gefühl (Ahaṁkāra)
    Sobald ein Sinn aktiv wird, springt das Ego ein: „Ich sehe, ich höre“. Das Ich-Label macht Rohdaten erst zu persönlicher Erfahrung.
  • Drei Guṇa
    Sattva, Rajas, Tamas färben jede Wahrnehmung klar, aufgedreht oder träge. Wer das Spiel erkennt, kann den eigenen „Klangfilter“ justieren.
  • Zweck für den Puruṣa
    Sinneserfahrung dient letztlich nur dazu, dass reines Bewusstsein sich selbst erkennt – eine Art Erfahrungs-Lieferdienst fürs Selbst.
  • Samyama-Praxis
    Durch Konzentration auf fünf Sinnes­ebenen löst man automatisierte Reiz-Reaktionen auf und gewinnt innere Handlungsfreiheit.
  • Alltagstransfer
    Mini-Übungen an Ampel, Handy-Ping oder Kaffeeduft schaffen Mikro-Pausen zwischen Reiz & Reflex – das ist in gewissem Sinne auch ein wahrer „Super-Skill“.

Details und Erläuterungen zu allen Punkten im weiteren Artikel.

Bedeutung und Übersetzung des verwendeten Sanskrits

Hier sind zunächst die Übersetzungsmöglichkeiten für die einzelnen Wörter, damit du die Übersetzung selbst für ein besseres Verständnis anpassen kannst:

  • Grahana, grahaṇa = Kraft der Erkenntnis; (Mittel der) Wahrnehmung; wahrnehmen; greifen; begreifen; Fähigkeit der Wahrnehmung;
  • Svarupa, svarûpa = wahre Natur; eigene Natur; wahre Form; wahrgenommene Form (eines Objektes); Struktur; Wesensart;
  • Asmita, asmitâ = Egoismus; Ich-Bezogenheit; Ich-Gedanken in der Wahrnehmung; Ego; Ich-Gefühl;
  • Anvaya = alles durchdringen; Verbindung; Abfolge; Zusammenhang; Wechselwirkung; Verbindung; Assoziation;
  • Arthavattva = Zweckdienlichkeit, Funktion; Bedeutsamkeit; Sinn und Zweck; Bedeutung;
  • Samyama, samyamah, saṁyamā = Ausdruck für die Triade Dharana, Dhyana und Samadhi; Selbstbeherrschung; Abfolge von Dharana, Dhyana und Samadi;
  • Samyamat, samyamât = durch Ausführung von Samyama über; durch das Eins-werden mit;
  • Indriya = Sinnesorgane; sensorischer Apparat; Organe, die Informationen von außen nach innen vermitteln (Geist, Sinnesorgane, Hände, Füße etc.);
  • Jayah, jayaḥ = Herrschaft; Sieg; Meisterschaft; Eroberung; Triumph;

Übersetzungsvarianten und -hinweise (Quellen)

Hervorhebungen weisen auf Besonderheiten der jeweiligen Übersetzung hin. Übertragungen aus dem Englischen sind Eigenübersetzungen.

  • Roots: „Aus der Konzentration auf die Wahrnehmungsmittel, die wahre Natur, den Egoismus ... entsteht die Beherrschung der Sinne.“
  • Sukadev: „… auf die Wahrnehmungskraft … führt zur Herrschaft über die Sinne.“
  • Deshpande/Bäumer: „... auf die Empfänglichkeit, das eigene Wesen, das Ichbewusstsein, die Beziehung und die Sinnhaftigkeit (der Sinnesorgane) hin ...“
  • Dr. R. Steiner: „Durch Meditation (Samyama) auf die Wahrnehmung von etwas und die tatsächliche Form …“
  • Coster: „-“
  • Feuerstein: „... auf den Wahrnehmungsprozess, die essenzielle Natur, die Ichheit, die Verbundenheit [auf der guna-Ebene] und den Zweck [der Sinne] ...“
  • Paul Deussen (1908): „Durch [Anwendung der] Allzucht auf Perzeption, Qualität, Ichbewusstsein, Abhängigkeit [von den Guna's] und Zweckbestimmtheit [der Sinnesorgane] erfolgt Beherrschung der Sinnesorgane."
  • R. Palm: „Aus der Gesamtausrichtung auf das Begreifen, das Eigenwesen, das Ichbewusstsein, [ihre] Verbindungen und [ihre] Zweckhaftigkeit entsteht die Meisterung der Sinnesorgane.“
  • R. Sriram: „Das wahrgenommene Objekt/Thema, das Mittel der Wahrnehmung, die Ich-Bezogenheit in der Wahrnehmung, das Zusammenspiel dieser drei Faktoren einer Wahrnehmung ...“
  • Govindan: „... mit der [Fähigkeit der] Wahrnehmung und der eigenen Wesensart sowie dem Ego, deren Wechselbezieung und Sinn und Zweck ...“
  • Iyengar: „... auf die Aufnahmefähigkeit, die Eigennatur, das Ichbewusstsein, die gegenseitige Verbindung und die Zweckhaftigkeit der Sinnesorgane hin ...“
  • Chip Hartranft: „Indem man die verschiedenen Aspekte der Sinnesorgane - ... - mit perfekter Disziplin beobachtet, meistert man sie.“
  • R. Skuban: „Durch die Ausrichtung auf den Prozess der Wahrnehmung … Kontrolle über die Sinnesorgane“
  • T.K.V. Desikachar: „Untersuchen wir in der Meditation die Fähigkeit der Sinne, ihren jeweiligen Gegenstand wahrzunehmen, ergründen wir die Art und Weise, wie Gegenstände verstanden werden, ... und was sich aus einer solchen Wahrnehmung ergib ... Meisterschaft über unsere Sinne ...“
  • G. Pradīpaka: „... über die Empfänglichkeit (grahaṇa), die essentielle Natur (sva-rūpa), den Ich-Sinn (asmitā), die Inhärenz (anvaya) (und die Objektivität (arthavattva) (der Indriya-s - d.h. der Wahrnehmungs- und Handlungskräfte -) ....“
  • 12koerbe.de (dort: 47): „… das Bewusstsein auf Aufgreifen, Eigenform, Ichbinheit und verwandte Sinnhaftigkeit zu fokussieren ...“
  • Hariharananda Aranya: „... über die Empfänglichkeit, den wesentlichen Charakter, den Ich-Sinn, die angeborene Qualität und die Objektivität der fünf Organe ... Meisterschaft ...“
  • I. K. Taimni: „... über ihre Wahrnehmungsfähigkeit, ihre Wesensart, ihren Egoismus, ihre Alldurchdringung und ihre Funktionen durchführt.“
  • Vyasa Houston: „... auf (ihren) Wahrnehmungsprozess, svarupa - essentielle Natur, das Gefühl von „Ich bin“, (ihre) Verbundenheit und die Natur, einem Zweck zu dienen ...“
  • Barbara Miller: „... der rezeptiven, intrinsischen, egoistischen, relationalen und zweckgerichteten Funktionen der Sinnesorgane ...“
  • Swami Satchidananda: „... über die Kraft der Wahrnehmung und über die essentielle Natur, die Beziehung zum Ego-Sinn ...“
  • Swami Prabhavananda: „... auf die Transformation, die die Sinnesorgane durchlaufen, wenn sie mit Objekten in Berührung kommen, auf die Kraft der Erleuchtung der Sinnesorgane, ... und auf die Erfahrungen, die sie dem Individuum vermitteln ...“
  • Swami Vivekananda: „... auf die Objektivität, das Wissen und den Egoismus der Organe macht, kommt durch Abstufung die Eroberung ...“
  • Wim van den Dungen (buddhistischer Kommentar zum Yogasutra): „... des Wahrnehmungsprozesses, der eigenen Form, der Ich-bin-Einheit, der Verbundenheit & Zielgerichtetheit ...“
  • Rainbowbody: „Samyama über die Sinnesobjekte, über ihr Erfassen (grahana), ihre qualitative Natur, wie sie sind (svarupa), ihre fragmentarische Erscheinung als getrennte Objekte (asmita) ... wird eine vollständige, direkte, nicht-duale Verwirklichung hervorbringen und damit die Beherrschung der Funktion der Sinnesorgane ... d. h. Freiheit von ihrer Voreingenommenheit.”

Zu den Quellen

Buchbesprechungen, Erläuterungen zur Auswahl der Übersetzungsvarianten und allgemeine Hinweise zur Sutraübersetzung findest du im zugehörigen Artikel. Hier nun die Kurzauflistung:

Bücher

Internetseiten

Weitere Quellen, z. B. zu aktuellen Studien, sind direkt im Text verlinkt.

Dein Übersetzungsvorschlag

Du findest die bisherigen LeserInnen-Übersetzungen und -Ergänzungen unten.

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Einordnung dieser Sutra im Yogasutra

Samyama ist die Schlüsselübung im dritten Kapitel des Yogasutra zum Erreichen der geistigen Kräfte. In den Sutras III-1 bis III-7 erläutert Patanjali zunächst, was Samyama ist: die Kombination aus

  • Dharana (Konzentration),
  • Dhyana (Meditation) und
  • Samadhi (Überbewusstsein).

In Sutra III-8 ergänzt er dann, dass der Yogi zur Erlangung der Erleuchtung über Samyama hinausgehen muss.

In den Sutras III-9 bis III-15 geht es weiter mit Erläuterungen, welche Wandlung der Geist (Chitta) vollziehen muss, um Samyama bis zur Perfektion ausüben zu können. Aufeinander aufbauend sind das die Stadien

  1. Nirodha-Parinama (Wandel durch Sammlung, einfache Konzentration),
  2. Samadhi-Parinama (Wandlung durch länger andauernde Konzentration) und
  3. Ekagrata-Parinama (Wandel/Transformation durch vollkommene Versenkung auf einen Punkt/ein Thema). 

Der notwendige Wandel des Geistes erfolgt nach und nach, ist keine sprunghafte Entwicklung.

In den Sutras III-16 bis III-49 macht Patanjali eine ganze Reihe von Vorschlägen, worauf man Samyama lenken könnte und welche Folgen (Siddhis = Kräfte, besondere Erkenntnisse) sich jeweils daraus ergeben.

In Sutra III-48 beschreibt Patanjali, auf welche Facetten der Sinneswahrnehmungen sich ein Yogi in Samyama konzentrieren muss, um die jeweilige Sinneskraft zu meistern bzw. zu beherrschen.

Besondere Kräfte (Siddhis) mit Samyama erlangen

Besondere Kräfte (Siddhis) mit Samyama erlangen

Patanjalis Anleitungen zur Erlangung der Siddhis lauten generell, dass der Praktizierende Samyama gezielt auf ein Meditationsobjekt anwendet. Samyama ist die Verbindung aus anhaltender Konzentration, Meditation und schlussendlich Samadhi (Überbewusstsein) auf ein Objekt der Meditation. Skuban sieht den Vorgang von Samyama als “mentales Eindringen in ein Objekt, das den Übenden schließlich zu den feinstofflichsten Bereichen des Seins führt.” Dadurch werden die drei Eigenschaften (siehe Sutra III-13) eines Objektes voll erkannt. So wird das Objekt voll verstanden und über die Gunas auch beherrschbar. Alle Objekte sind nämlich laut Yogalehre Erscheinungsformen der drei Gunas, auch das Bewusstsein des Menschen. Der Yogi diszipliniert sein Bewusstsein und kann über bzw. in Samyama die Gunas auch außerhalb seines Bewusstseins beeinflussen oder verändern. So erklären sich gemäß Yogalehre die Siddhis. 

Vibhutis, der andere Name für die Siddhis, bedeutet wörtlich weg (vi) von den Elementen (bhutas) und steht damit laut einiger Kommentatoren auch für die Abwendung von der Identifikation mit den materiellen Grundlagen unseres Lebens, yogisch: Prakriti. Hin zur Erkenntnis unserer wahren Natur: Purusha.

Die Sutras III-16 bis III-49  nennen die Objekte, auf die ein Yogi seine Samyama-Konzentration legen sollte, um besondere Kräfte zu entfalten. Iyengar betont jedoch, dass diese Siddhis sich erst bei weit fortgeschrittenen Yoga-SchülerInnen zeigen.

Ergänzend: Lange Pranayama-Praxis soll spontane Siddhis triggern können. Gerade Wechselatmung über Monate hinweg wird in manchen Berichten als „geistöffnend“ beschrieben – mit plötzlichen Hörerlebnissen oder Visionen.

Was ist Samyama?

Was ist Samyama?

Samyama besteht aus drei Stufen: Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein). Nur die erste Stufe von Samyama, die Konzentration auf ein Objekt, lässt sich willentlich steuern. Die darauf aufbauenden Geisteszustände Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein) müssen sich laut der meisten Kommentatoren des Yogasutras von alleine einstellen und werden durch lang anhaltende Konzentration und Beseitigung der Geisteshindernisse erlangt. Feuerstein bezeichnet Samyama als 'Bündelung' von Konzentration, Meditation und Samadhi. Du findest Samyama ausführlicher in den ersten Sutras des dritten Kapitels des Yogasutra hier auf yoga-welten.de besprochen. Siehe vor allem:

Yoga Sutra III-4: Die drei (Dhahrana, Dhyana, Samadhi) zusammen auf ein Objekt oder einen Ort angewendet wird Samyama genannt

Zur Sutra


Yoga Sutra III-5: Aus der Meisterung von Samyama entsteht vollkommenes Wissen über das Wahrgenommene

Zur Sutra


Yoga Sutra III-6: Der Fortschritt im Samyama erfolgt in Stufen

Zur Sutra


Voraussetzungen und Umgang mit den Siddhis

Empfehlungen zu Voraussetzungen und zum Umgang mit den Siddhis

Viele Kommentatoren empfehlen, mit den Siddhis sehr bewusst umzugehen. Folgendes wird oft geraten:

Wer sich den Siddhis zuwendet, sollte die Yamas und Niyamas in seinem Leben verwirklicht haben. Diese sind:

Die Yamas – Selbstkontrolle

  • Ahimsa – Gewaltlosigkeit
  • Satya – Wahrhaftigkeit
  • Asteya – Nicht-Stehlen
  • Brahmacharya – Wandel in Brahma / Selbstbeherrschung / Enthaltsamkeit
  • Aparigraha – Nicht-Greifen, Verzicht auf Gier

Niyamas – Verhaltensregeln

  • Saucha – Reinheit
  • Santosha – Zufriedenheit
  • Tapas – Selbstzucht
  • Svadhyaya – Selbststudium (Studium)
  • Ishvarapranidhana – Verehrung des Göttlichen

Siehe dazu die Erläuterungen in "Yamas und Niyamas im täglichen Leben".

Siddhis sollten nicht zum Vergnügen, zur Selbsterhöhung oder anderen ungünstigen, egoistischen Zielen angewendet werden. Vielmehr zeigen die Siddhis (so Iyengar und andere), dass die Yogapraxis “richtig angelegt” sei.

Selbstverständlich sollte man Siddhis auch nicht dazu nutzen, um jemand anderen damit zu schaden.

Stattdessen wird eher ein “Nicht-Beachten” der Siddhis angeraten, wenn diese sich denn zeigen sollten. Iyengar schreibt, (S. 244), die Übungen bei Auftreten der Siddhis mit Glauben und Begeisterung weiterzuentwickeln, die Siddhis aber mit völligem Gleichmut zu betrachten.

Dem Yogi wird also geraten, sich nicht auf die Siddhis einzulassen, sich nicht von ihnen “mitreissen zu lassen”, um sie nicht für eigenen selbstsüchtige Bedürfnisse zu verwenden, woraus späteres Leiden folgen würde. Stattdessen solle er/sie weiter auf dem Pfad der Befreiung zu wandeln und die Siddhis eher als Prüfung ansehen, ob man nicht doch noch - trotz fortgeschrittener yogischer Entwicklung - den Verlockungen der Dualität und des Ego-Daseins nachgibt.

Swami Sivananda sagt über Siddhis:

„Yoga ist nicht dazu da, Siddhis, Kräfte, zu erlangen. Wenn ein Yogaschüler die Versuchung verspürt, Siddhis zu erlangen, wird sein weiterer Fortschritt ernsthaft verzögert. Er hat den Weg verloren. Ein Yogi, der darauf konzentriert ist, höchsten Samadhi zu erreichen, muss Siddhis zurückweisen, wo auch immer sie auftauchen. Siddhis sind Einladungen von Devatas. Nur wenn man diese Siddhis zurückweisen kann, kann man Erfolg im Yoga erlangen.“

Im tibetischen Buddhismus werden vergleichbare Fähigkeiten „Shes-rab“ genannt. Auch dort: klare Intuition, inneres Sehen, spontane Einsicht – aber nie als Ziel, sondern als Prüfstein für Demut.

Missverständnisse rund um Siddhis

Die Aussicht auf übernatürliche Kräfte fasziniert viele – und genau darin liegen einige häufige Missverständnisse begründet. Ein Irrglaube besteht darin, dass Yoga hauptsächlich dazu diene, solche Siddhis zu erlangen. Tatsächlich betont die Tradition jedoch, dass Siddhis eher Nebenprodukte auf dem spirituellen Weg sind, nicht sein Zweck. Patanjali selbst stellt im unmittelbar folgenden Sutra klar, dass diese Fähigkeiten für einen im Samadhi befindlichen Geist Upasarga – also Störungen oder Ablenkungen – darstellen, auch wenn sie in einem nach außen gewandten Bewusstseinszustand als außergewöhnliche Errungenschaften erscheinen mögen. Yogameister wie Vyasa und später Vivekananda haben daher immer wieder gemahnt, die Siddhis nicht zu überschätzen: Sie seien wie Blüten am Wegesrand – schön und bemerkenswert, aber man sollte nicht vom Weg abkommen, um nur noch Blumen zu pflücken.

Ein weiteres Missverständnis liegt darin, jede ungewöhnliche innere Wahrnehmung sofort für eine echte siddhische Fähigkeit zu halten. Insbesondere wenn Übende beginnen, sich intensiv mit Meditation zu beschäftigen, können imaginäre Bilder, Lichterscheinungen oder akustische Phänomene auftauchen. Die Yoga-Tradition fordert hier Viveka, das unterscheidende Erkenntnisvermögen: Handelt es sich wirklich um eine valide intuitive Einsicht (Pratibha) oder nur um eine Wunschprojektion des Geistes? Echte spirituelle Intuition wird traditionell durch bestimmte Qualitäten kenntlich gemacht – sie geht einher mit tiefer innerer Stille, Klarheit und Gewissheit, ohne Aufregung oder Ego-Stolz. Hingegen sind halluzinatorische Erlebnisse oder irrige „Eingebungen“ oft dramatisch, emotional aufgeladen oder selbstbezogen. Es ist ein bekanntes Risiko, dass ein Yogi, der sich zu früh auf Siddhis fokussiert, Opfer von Täuschungen werden kann. Beispielsweise könnte man glauben, die Gedanken anderer lesen zu können, während man in Wirklichkeit eigenen Fantasien nachhängt.

Schließlich gibt es das Missverständnis, Siddhis seien ein Zeichen von Erleuchtung oder spiritueller Vollendung. Historische Berichte zeigen jedoch, dass auch wenig ethische oder unreife Personen zeitweise paranormale Fähigkeiten aufweisen konnten – was nicht mit wahrer Heiligkeit gleichzusetzen ist. Im Yoga wird daher gelehrt, die Siddhis weder zu verteufeln noch zu vergötzen. Sie dürfen auftauchen, doch der richtige Umgang ist entscheidend: Ein reifer Yogi nimmt sie wahr, schenkt ihnen aber wenig Bedeutung und bleibt dem höheren Ziel, Kaivalya (der völligen Befreiung), verpflichtet. Missverständnisse klären sich letztlich durch Erfahrung und Anleitung: In der traditionellen Guru-Schüler-Beziehung wurden auftauchende Siddhi-Erlebnisse vertraulich besprochen, um sicherzustellen, dass der Schüler nicht in Fallen wie Egoismus oder Ablenkung tappt. So soll auch der moderne Übende verstehen, dass Wunder im Yoga-Kontext Prüfsteine der Haltung sind – sie verlangen nach noch mehr Demut, Vairagya und Konzentration auf den eigentlichen Weg.

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Schlüsselbegriffe verstehen

Für das Verständnis von Sutra 3.48 ist es hilfreich, die genannten Fachbegriffe zu kennen. Samyama richtet sich auf diese Aspekte des Wahrnehmungsprozesses:

  • Grahaṇa – der Akt des Wahrnehmens, also wie ein Sinneseindruck (z. B. ein Lichtpunkt oder ein Ton) im Inneren aufscheint.
  • Svarūpa – die wahre Natur des Sinnesorgans; etwa Auge und Ohr als neutrale Kanäle, die nur Informationen weitergeben.
  • Asmita – das Ich-Gefühl oder Ego beim Wahrnehmen. Das ist das „Ich sehe, ich höre“, die Identifikation des Selbst mit dem Wahrnehmenden.
  • Anvaya – der Zusammenhang aller Komponenten in der Wahrnehmung. Es geht z. B. darum, den Weg des Reizes vom äußeren Gegenstand über das Sinnesorgan zum Geist und Ego nachzuvollziehen.
  • Arthavattva – der Zweck oder die Funktion hinter dem Reiz: Was sucht der Geist? Welche Bedeutung misst du dem Eindruck bei?

Dies sind einige Aspekte der Schlüsselbegriffe. Findest du weitere? Wenn ja, lass uns gerne teilhaben:

Wie könnte man diese Schlüsselbegriffe noch verstehen?

Welche Aspekte/Vorgänge der Wahrnehmung könnten auch gemeint sein?

 

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Siddhi: Meisterung der Sinnesorgane

Durch intensives Beobachten all dieser Punkte mit konzentriertem Geist (Samyama) wird laut Patanjali letztlich Indriya-jaya erreicht: die Herrschaft über die Sinne. Mit anderen Worten, du fällst nicht mehr wie ein lästiges Blatt im Wind aus einem unerwarteten Sinnesreiz, sondern du lehnst dich als ruhender Betrachter zurück.

Traditionelle Auslegungen

Klassische Yogatexte erklären das oft so: Unsere Sinne sind natürlicherweise an äußere Reize gebunden – Licht, Geräusche, Gerüche, Geschmäcker und Berührungen lenken uns ununterbrochen ab. Sutra 3.48 gibt das Rezept dagegen: Schau dir genau an, wie ein Reiz eintrifft, und löse deine Übereinstimmung damit auf. Ein alter Kommentar beschreibt das mit drei Fragen, die du innerlich prüfen kannst:

  • „Wie wird wahrgenommen?“ (Grahaṇa),
  • „Wer nimmt wahr?“ (Asmita/Svarūpa) und
  • „Wie reagiert der Geist darauf?“.

Je häufiger du dich selbst so beobachtest, desto deutlicher erkennst du: Das Auge sieht nur, was Licht antrifft, und der Geist projiziert sofort das Ich-Sehen darauf.

Anstatt wie normalerweise bei einer Meditation die Sinne zum Schweigen zu bringen oder sie nach innen zu ziehen (Pratyahara) geht es hier darum, “dass man die Sinne beherrschen kann, indem an sie nicht zurückzieht oder unterdrückt, sondern ihr volles Potential ausschöpft.” (Govindan S. 145). Hierzu sei ein tiefes Verständnis der Sinne und ihren Sinn, ihren Zweck, ihre Beziehung zum Selbst und zum Ego verfüge.

Mit der Folge ...

Samyama auf Natur und Prozess der Wahrnehmung enthüllt dem Yogi, wie er seine Sinnesorgane meistern kann. Er erlangt die Herrschaft über sie. Dann wird man zum Beispiel nicht mehr durch die jeweilige Sinneswahrnehmung aus der Meditation gerissen.

Zudem, so Iyengar, erkenne der Yogi den “Zweck der Verbindung von Natur, Sinnen und Ich”.

Sukadev sieht ergänzend einen weiteren Vorteil: „Auf diese Weise könnte man Hören, Sehen, Riechen u.s.w. verbessern.” Das wäre natürlich ein Riesenvorteil, vor allem, wenn ein Sinn schon sehr schwächelt (z. B. Hörverlust im Alter). Kannst du solch eine Verbesserung vielleicht aus eigener Erfahrung bestätigen?

Kam es bei dir durch Meditation über ein Sinnesorgan zu einer Verbesserung von Sehen, Hören oder Riechen?

 

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Und es geht weiter ...

Ist der Geist erst einmal von den Ketten der Sinne befreit, folgt nach Yogasutra 3.49 eine weitere verblüffende Wirkung: Dem Yogi gelingt Erkenntnis auch ohne die körperlichen Sinnesorgane. Klassisch wird das bildhaft so erklärt, dass man durch innere Reinigung und Ruhe höhere Bewusstseinszustände erreicht. Man wächst über die Alltagsrealität hinaus (ins Turya, das vierte, eigenschaftslose Bewusstsein) und „beherrscht sozusagen die Schöpfung selbst“.

Weitere Gedanken zur Sutra

Skuban (S. 226) erläutert, dass auch die Technik dieser Sutra den Yogi zur Erkenntnis, dass er nicht dieser Körper und auch nicht dessen Sinnesorgane ist, führen soll. Wenn der Yogi dies klar erkenne, den Unterschied von Pursuha und Pakriti mittels Wissen (vidya) wahrnehme, dann sei er (sie) auch frei von den Begrenzungen der (körperlichen) Sinnesorgane.

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Wie genau vorgehen?

Voraussetzungen und Vorbereitungen für Samyama und Siddhis

Voraussetzungen für Samyama und Siddhis

Um Samyama – die kombinierte Praxis von Konzentration, Meditation und Versenkung – erfolgreich üben zu können, müssen bestimmte psychologische und spirituelle Voraussetzungen erfüllt sein. Einig sind sich die traditionellen wie modernen Lehrer, dass der Geist des Übenden ausreichend gereinigt und gesammelt sein muss. Das bedeutet: innere Stabilität, relative Gedankenstille und Freiheit von starken emotionalen Aufwallungen als Grundlage. Es bedarf eines Maßes an Konzentrationskraft, Achtsamkeit und Gelassenheit gegenüber Sinnesreizen, damit die Aufmerksamkeit vollständig nach innen gelenkt werden kann. Besonders hervorgehoben wird die Haltung der Nicht-Verhaftung (Vairagya): Der Yogi soll nicht mehr an gewöhnlichen Sinnesfreuden oder Erfolgserlebnissen hängen, sondern eine innere Unabhängigkeit davon kultiviert haben.

Darüber hinaus betont der yogische Weg, dass die grundlegenden Stufen des Achtgliedrigen Pfades gefestigt sein sollen, bevor man sich höheren Techniken wie Samyama widmet. Konkret bedeutet dies: Yama und Niyama – die ethischen Prinzipien und Selbstdisziplinen – sollten im Leben des Übenden verankert sein, um mentale Unruhe und konflikthafte Begierden zu minimieren. Die Praxis von Asana (Körperübungen) und Pranayama (Atemlenkung) baut Spannungen und Rastlosigkeit ab und stabilisiert Körper und Nerven, was indirekt dem Geist zugutekommt. Pratyahara, das systematische Zurückziehen der Sinne, ist ebenfalls eine entscheidende Vorstufe: Erst wenn die Aufmerksamkeit nicht mehr unwillkürlich von äußeren Eindrücken gesteuert wird, kann echte Konzentration nach innen entstehen. Diese Vorarbeiten schaffen den Nährboden, auf dem Samyama gedeihen kann. Ein Yogi, der Schritt für Schritt diesen Pfad gegangen ist, entwickelt die geistige Stärke und Reinheit, die nötig sind, um tiefe Versenkung zu erreichen – und in deren Folge können Siddhis überhaupt erst auftauchen.

Die Rolle von Entsagung und Ethik (Vairagya, Yama, Niyama)

Entsagung/Nichtanhaftung im Yoga, auf Sanskrit Vairagya, und die ethischen Richtlinien Yama und Niyama gehören zu den fundamentalsten Anforderungen, insbesondere wenn es um den Umgang mit Siddhis geht. Vairagya bedeutet ein inneres Losgelöstsein: der Übende übt sich darin, Verlangen und Anhaftungen aufzugeben – seien es sinnliche Genüsse, materielle Güter oder auch das Streben nach außergewöhnlichen Fähigkeiten. So kann der Yogi in die Tiefe von Samyama gelangen.

Die Geisteshaltung von Vairagya ist auch hilfreich dabei, dass aufkommende Siddhis den Yogi nicht verführen. Nur wer in Gleichmut gegenüber allen Phänomenen bleibt, kann übernatürliche Wahrnehmungen haben, ohne vom eigentlichen Pfad abzukommen. Patanjali nennt Vairagya nicht umsonst bereits im ersten Kapitel als Schlüssel zur geistigen Stille: Das fortwährende Loslassen verhindert, dass der Geist neue Wellen von Begierde und Ego-Stolz bildet.

Ergänzend dazu bilden Yama und Niyama das moralische Fundament. Die fünf Yamas – etwa Gewaltlosigkeit (Ahimsa), Wahrhaftigkeit (Satya) oder Nicht-Gier (Aparigraha) – und die fünf Niyamas – etwa Reinheit (Shaucha) und Selbststudium (Svadhyaya) – sorgen dafür, dass der Charakter und Lebenswandel des Yogis ethisch ausgerichtet sind. Warum ist das so wichtig in Bezug auf Siddhis? Zum einen reinigt moralisches Verhalten das Herz und mindert egoistische Tendenzen, was die Wahrscheinlichkeit von Missbrauch oder falscher Identifikation mit Kräften reduziert. Zum anderen stabilisieren Yama und Niyama den Geist: Ein Gewissen, das frei von Schuld und Zwiespalt ist, kommt leichter zur Ruhe. Traditionell heißt es, dass Siddhis nur einem Yogi dauerhaft und gefahrlos zufallen, der Tugend und Selbstbeherrschung verkörpert. Andernfalls können Machtgefühle, Hochmut oder unethische Versuchungen die Folge sein. Daher lehren die Yogameister, dass jede Erweiterung der Fähigkeiten mit entsprechender Demut und Verantwortungsbewusstsein einhergehen muss – Qualitäten, die durch die Befolgung von Yama und Niyama kultiviert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Vairagya und die ethische Praxis sind Förderer und Schutzmechanismus auf dem Weg zur höheren Erkenntnis. Sie erleichtern das Eindringen in lang anhaltende innere Stille bei voller Bewusstheit und bewahren den Übenden davor, die Richtung zu verlieren, wenn Siddhis auftauchen. Ein Yogi, der Entsagung übt und ethisch gefestigt ist, wird die verfeinerten Sinneswahrnehmungen zwar registrieren, aber weder missbrauchen noch für wichtiger halten als das letztendliche Ziel – die Erkenntnis des wahren Selbst (Purusha) und die Befreiung.

Vorbereitende Techniken für Samyama und verfeinerte Wahrnehmung

Um den Geist auf Samyama und mögliche subtile Wahrnehmungen vorzubereiten, empfehlen Yogalehrer seit jeher verschiedene unterstützende Techniken. Insbesondere folgende Ansätze haben sich als hilfreich erwiesen:

  • Yama und Niyama hatten wir schon, empfohlen wird auch eine stabile und bequeme Sitzhaltung (Asana).
  • Pratyahara (Zurückziehen der Sinne): In dieser fünften Stufe des Raja Yoga lernt der Übende, die Aufmerksamkeit von äußeren Sinnesobjekten abzuziehen. Praktisch wird Pratyahara z.B. geübt, indem man sich in Entspannung auf innere Wahrnehmungen konzentriert und äußere Reize ausblendet – etwa durch Augen schließen, in Stille sitzen oder Visualisierungen. Dadurch werden die Sinne „nach innen gezogen“. Ein trainiertes Pratyahara ist die Voraussetzung dafür, dass in Samyama die verfeinerten, inneren Sinneswahrnehmungen auftauchen können. Erst wenn die gewöhnlichen Sinnesreize an Macht verlieren, entsteht Raum für das subtile innere Hören, Sehen etc.
  • Pranayama (Atemkontrolle): Gezielte Atemübungen beruhigen das Nervensystem und sammeln den Geist. Durch Regulierung (Patanjali nennt Verlängerung und Verfeinerung) des Atems – etwa mittels tiefer Bauchatmung, Wechselatmung (Nadi Shodhana) oder einfach nur der Verlängerung der Ausatmung – wird der Geist fokussiert und der Energiefluss harmonisiert. Patanjali selbst führt Pranayama als wichtige Vorstufe zu Dharana (Konzentration) an. Ein gleichmäßiger, feiner Atem fördert eine introvertierte Aufmerksamkeit und kann latente Energien (Prana) wecken. Insbesondere fortgeschrittene Pranayamas, die mit Konzentration auf Energiezentren (Chakras) verbunden sind, schulen die Wahrnehmung des inneren Raums. Dadurch wird der Yogi empfänglicher für subtile Empfindungen – eine essenzielle Vorbereitung, um in tiefere Meditation vorzudringen, wo sich Siddhis zeigen könnten.
  • Optional: Yoga Nidra (Yogischer Tiefenentspannungszustand): Yoga Nidra ist eine geführte Meditation, die den Körper in vollständige Entspannung versetzt, während der Geist hellwach bleibt. In diesem Schwebezustand zwischen Wachen und Schlaf treten Gehirnwellen auf, die für Aufnahmefähigkeit und Intuition förderlich sind. Die Praxis von Yoga Nidra hilft, unbewusste Verspannungen und mentale Blockaden abzubauen. Sie schult außerdem die Fähigkeit, bewusst ins Unterbewusstsein hineinzulauschen, ohne einzuschlafen. Diese Fertigkeit – entspannt und zugleich aufmerksam nach innen zu schauen – ist eine direkte Vorbereitung auf Samyama. Ein Yogi, der Yoga Nidra meistert, kann seine Aufmerksamkeit lange nach innen richten, was die Kontinuität von Dharana/Dhyana fördert. Zugleich fördert Yoga Nidra einen Zeuge-Geist („Sakshi-Bhava“), der Phänomene beobachten kann, ohne sich damit zu identifizieren – hilfreich, um etwaige Siddhi-Erfahrungen nüchtern zu betrachten. Hier findest du die konkrete Übungsanleitung.
  • Optional: Japa (Mantra-Wiederholung): Die Rezitation oder mentale Wiederholung eines Mantras gilt als eine der wirkungsvollsten Konzentrationshilfen. Durch Japa wird der rastlose Geist schrittweise beruhigt und auf einen Klang oder eine heilige Silbe ausgerichtet. Das kontinuierliche Wiederholen – ob laut, leise oder innerlich – bündelt die Gedankenströme und führt zu tiefer Meditation. In vielen Yoga-Traditionen heißt es, ein Mantra reinige den Geist und öffne das Herz. Praktisch bewirkt Japa, dass störende Gedanken in den Hintergrund treten und eine spirituelle Schwingung den Vordergrund einnimmt. Dies bereitet auf Samyama vor, indem das Mantra wie ein Anker für Dharana dient und nahtlos in Dhyana übergehen kann. Zudem kann intensives Mantra-Japa dazu führen, dass der Übende das Mantra schließlich innerlich „hört“, ohne aktives Tun – eine Form von subtiler Wahrnehmung, die als Siddhi betrachtet werden könnte (z.B. Nada-Anubhava, das innere Klang-Erlebnis). Selbst wenn solche Phänomene nicht explizit gesucht werden, stärkt Japa in jedem Fall die Konzentration, Hingabe und Vairagya. Diese Qualitäten schützen und begleiten den Yogi, falls sich verfeinerte Sinneswahrnehmungen einstellen.

Zusammengefasst dienen Pratyahara, Pranayama, Yoga Nidra und Japa als (nicht unbedingt notwendige aber) hilfreiche Bausteine in der Vorbereitung auf Samyama. Sie entwickeln die nötige geistige Disziplin, Sammlung und Reinheit, um die im Yoga-Sutra beschriebenen Fähigkeiten zu ermöglichen (garantieren aber deren Auftreten nicht). Gleichzeitig fördern sie die Haltung von Losgelöstheit und innerer Ruhe, sodass der Yogi bereit ist, Siddhis weder zu erzwingen noch zu fürchten, sondern sie im richtigen Geist zu integrieren. Jede dieser Techniken ist für sich schon eine wertvolle Übung; im Zusammenspiel ebnen sie den Weg zu den tieferen Erfahrungen des Yoga – bis hin zur Pratibha, dem aufblitzenden inneren Wissen, und darüber hinaus zum endgültigen Ziel des Yoga, der Verwirklichung des Selbst.

🌀 Samyama-Reife-Check

Samyama – die Kombination aus Konzentration, Meditation und tiefer Versenkung – ist eine hochentwickelte Praxis im Yoga. Doch ist sie für jeden und zu jeder Zeit sinnvoll? Mit diesem kurzen Selbsttest kannst du einschätzen, ob dein Geist bereit ist, sich auf diese subtile Form des inneren Forschens einzulassen.

So geht's: Beantworte die Fragen ehrlich und spontan. Am Ende erhältst du eine Einschätzung und eine Empfehlung für deinen nächsten Schritt.

1. Wie leicht fällt es dir, Gedanken im Geist kommen und gehen zu lassen, ohne ihnen zu folgen?





2. Wie sieht deine Meditationspraxis aktuell aus?





3. Wie reagierst du auf innere Unruhe oder Reizüberflutung?





4. Kannst du dich länger auf ein inneres Objekt (z. B. Atem, Mantra, Lichtpunkt) konzentrieren?





5. Wie gehst du mit spirituellen Erfahrungen um?





6. Hast du das Gefühl, dass deine spirituelle Praxis dich transformiert?





7. Wie reagierst du auf Stille?





Zeitleiste: Pfad zu Samyama und den Siddhis

Diese Zeitleiste zeigt dir die Stufen des Yogawegs, die nötig sind, um in den Zustand von Samyama zu kommen – und wie daraus Siddhis (verfeinerte Sinneswahrnehmungen) spontan entstehen können.

🪷 Yama & Niyama

Ethische Grundlagen & Selbstdisziplin: z. B. Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Reinheit. Sie bereiten deinen Geist auf Tiefe und Klarheit vor.

🧘 Asana

Stabiler, bequemer Sitz. Der Körper wird still, der Atem ruhig – beides ist nötig für längere innere Versenkung.

🌬️ Pranayama

Atemkontrolle als Brücke zur inneren Wahrnehmung, Pantanjali empfiehlt, Ausatmung und Einatmung und Anhalten zu verlängern und zu verfeinern. Dieses Pranayama beruhigt das Nervensystem und bereitet den Geist auf Fokus vor.

👁️ Pratyahara

Zurückziehen der Sinne. Der Blick geht nach innen. Die Außenwelt verliert an Bedeutung. Jetzt beginnt echte Sammlung.

🎯 Dharana

Konzentration auf ein Objekt (z. B. Licht, Atem, Mantra). Der Geist bleibt bei einem Punkt – erste Form von Meditation.

🧘‍♀️ Dhyana

Meditation. Der Fokus wird fließend, mühelos. Es gibt keine Unterbrechungen mehr – reines Verweilen im Beobachteten.

🌌 Samadhi

Verschmelzen mit dem Objekt. Kein „Ich meditiere“ mehr – nur noch reines Sein. Dies ist der Eingang in tiefe Einsicht.

✨ Übergang zu Samyama

Wenn Dharana, Dhyana und Samadhi auf dasselbe Objekt gerichtet sind – ohne Unterbrechung –, kann daraus Samyama entstehen. Dann ist der Geist hochfokussiert, durchlässig und empfänglich für tiefe, intuitive Erkenntnis.

🌟 Was entsteht daraus?

Spontan kann es geschehen, dass sich ein Siddhi zeigt, du z. B. feiner hörst, spürst, siehst – nicht mit den Sinnen, sondern von innen heraus. Denke immer daran: Siddhis sind kein Ziel, aber ein möglicher Meilenstein auf deinem Weg.

Samyama, der Dreiklang aus Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Überbewusstsein) auf ein Meditationsobjekt ist das Mittel der Wahl für den Yogi, um die in Kapitel III des Yogasutra besprochenen Siddhis auszuüben. In diesem Fall ist das Konzentrationsobjekt unser sinnlicher Wahrnehmungsprozess.

Iyengar: “Durch Samyama über die Art der Wahrnehmungssinne, ihre Funktion und Aufnahmefähigkeit … ihrer Verbindung mit der Natur und dem … Ich …”

Sukadev beschreibt: „Samyama ausführen auf die Kraft der Wahrnehmung heißt, ganz bewusst etwas anzuschauen und sich dabei auf die Wahrnehmungskraft zu konzentrieren.“

Alternativ/ergänzend kann man sich auf die “Natur der Kraft der Wahrnehmung” oder die Beziehung der Wahrnehmung zu unserem Ego konzentrieren. Stelle dir dabei die folgenden Fragen:

  • Wer nimmt wahr?
  • Wie nehme ich wahr?
  • Wie reagiert mein Geist auf die Wahrnehmung?

Weitere Vorschläge:

Reflektiere über Fragen zur Wahrnehmung:

  • “Was ist Sehen eigentlich?”
  • “Was bewirkt ein Geruch in mir?”
  • “Wie läuft das mit dem Hören genau ab, wenn mich der Schall von einem Geräusch erreicht?”

Vorschlag für eine Samyama-Sitzung

Setting: Stell dir vor, dein Wohnzimmer ist kurzzeitig ein „Forschungs­labor für Wahrnehmung“. Kein Weihrauchzwang, aber ein halbwegs aufgeräumter Boden, ein Sitzkissen und 30 — 75 ruhige Minuten helfen.

  1. Ankommen (einige Minuten)
    Setz dich aufrecht, aber nicht stocksteif. Atme ein-, zwei-mal tief durch, als würdest du einen inneren Reset-Knopf drücken.
  2. Dharana – Fokuspunkt wählen (3 Minuten)
    Such dir einen Sinnesreiz, der stabil bleibt. Klassiker: das gleichmäßige Ticken einer Uhr oder das satte Flackern einer Kerzenflamme. Wichtig: klein, konstant, unspektakulär.
  3. Dhyana – Versinken (ca. 15-20 Minuten)
    Jetzt beginnt das Forschen am eigenen Wahrnehmungsprozess. Nimm ihn schrittweise auseinander:
    • Grahaṇa – Spüre das nackte Faktum „Ton trifft Ohr“ oder „Licht trifft Auge“. Sonst nichts.
    • Svarūpa – Frage dich: Wie fühlt sich das Organ selbst an? Ein leichtes Vibrieren im Trommelfell, ein Glimmen hinter dem Augapfel?
    • Asmita – Sobald der Gedanke „Ich höre/Ich sehe“ auftaucht, lächle innerlich. Beobachte dieses Ego-Flackern wie ein Pop-Up-Fenster, das du nicht anklickst.
    • Anvaya – Verfolge, wie Sinnesorgan, Nervensystem und Geist zusammen­spielen. Wie ein Domino-Effekt, nur langsamer betrachtet.
    • Arthavattva – Frag zum Schluss: Welchen Sinn gebe ich dem Ganzen? Oft merkst du, dass 90 % Interpretation und nur 10 % Rohreiz sind.
    Lass jeden Schritt ein-, zwei-mal kreisen, dann fließen sie ineinander. Wenn du dich verhedderst: sanft zurück zum Rohreiz, keine Drama-Queen-Nummer.
  4. Samadhi – Loslassen (5-60 Minuten)
    Slip in einen Raum, in dem der Ton fließt, das Ego chillt und Denken leiser wird. Muss kein Hollywood-Erleuchtungs­moment sein. Eher das Gefühl: „Ah, so fühlt sich Wahrnehmen ohne Dauerkopfkino an.“
  5. Integration (3 Minuten)
    Öffne die Augen langsam, streck dich, schreib notfalls zwei Stichworte in ein Notizbuch oder ins Handy: „mehr Klang als Ich“, „Auge warm, Kopf still“. Fertig.

Praxis-Tipps für das Üben zur Meisterung deiner Sinnesorgane

Zeitgenössische Yogalehrende betonen, dass hier Erfahrung vor Theoriebüffeln steht: Samyama auf die Sinne heißt schlicht, achtsam zu werden. Praktisch bedeutet das, im Moment kurz innezuhalten, wenn ein Sinneseindruck aufpoppt, und ihn ganz bewusst zu beobachten. Ähnlich wie bei einer Achtsamkeitsübung fragst du dich: Was nehme ich jetzt wahr? Ohne zu bewerten, nur staunend. Du wirst schnell feststellen: Jeder Reiz löst sofort eine Kettenreaktion aus – Gedanken, Gefühle, Erwartungen. Samyama soll genau diesen Automatismus unterbrechen.

Eine kleine Übung im Alltag: Bleib etwa bei einem Spaziergang stehen, wenn du einen Vogel zwitschern hörst. Richte deine gesamte Aufmerksamkeit auf das Hören:

  • Grahaṇa – wie klingt der Ton in deinem Ohr? Spüre das Flattern des Klanges.
  • Svarūpa/Asmita – erkenne, dass dein Ohr lediglich vibrierende Luft empfängt; dein Geist jedoch denkt „ich höre“. Versuche zu lokalisieren: Wo im Kopf flüstert das „Ich höre“?
  • Anvaya – sieh den Ablauf: Vogel → Luft → Ohr → Gehirn → Gewahrsein.
  • Arthavattva – stelle dir die Frage, welche Emotion oder Erwartung dieser Klang in dir auslöst (Vorfreude, Nervosität, oder einfach nur Freude?).

Bei dieser Übung bleibst du neutral und lässt den Reiz kommen und gehen, wie ein Beobachter, der dem Naturfilm zusieht.

Weitere Praxis-Schritte: Übertrage diesen Fokus auch auf andere Sinne: Schau dir einen Gegenstand an und untersuche Grahaṇa (Lichtwellen fallen ins Auge), spüre dein Svarūpa (was ist das Auge wirklich?), nehme dein Asmita wahr (erwarten: „Ich sehe …“) und schaue, was darauf in deinem Denken geschieht. Wiederhole solche Übungen regelmäßig für 5–10 Minuten. Mit der Zeit lernst du, dass du nicht sofort auf Reize aufspringen musst – du kannst innehalten, aufatmen und erst dann handeln. Auch das versteht man gemeinhin in Yogakreisen unter "Sinnes-Meisterung".

Weitere Übungsideen:

SituationMini-Samyama-MoveErgebnis
Ampel schaltet rot Statt zum Handy zu greifen: Grahaṇa – sieh das Rot pur; Asmita – bemerke den Drang „Ich muss warten“; Arthavattva – frag: Muss ich was tun? Wartezeit wird Meditation light.
Handy-Ping Lausche einmal klar: Ping → Ohr. Kein sofortiges Tippen. Du trainierst Reiz-Resistenz, wie ein digitaler Muskel.
Erster Espresso-Duft am Morgen Rieche bewusst. Spüre Svarūpa: Naseninnenraum prickelt. Ego will „ah, Kaffee!“. Lass es vorbeiziehen, koste erst im Geist. Weniger Auto-Pilot, mehr echtes Aroma.
Kollege nörgelt Höre die Worte als Schall, noch ohne Story. Geh die fünf Punkte durch (Ton, Ohr, Ich, Reaktion, Sinn). Konflikte ent-dramatisieren sich, weil du nicht sofort im Meinungskrieg bist.
Schokolade auf der Zunge Worth a try: Spüre die Schmelze (Grahaṇa), die Rezeptoren (Svarūpa), das „Ich will mehr“ (Asmita), die Verkettung (Anvaya), den Zweck (Arthavattva: Trost, Genuss, Langeweile?).

 

Kommentar von Vyasa zu Sutra 3.48: fünf Sichtweisen auf die Sinnesorgane

Erläuterungen zu Vyasa

Vyasa war ein indischer Philosoph des 5. bzw. 6. Jahrhunderts nach Christi, der den ältesten überlieferten Kommentar zum Yogasutra des Patanjali schrieb. Der Text wird Yogabhashya (wörtlich "Kommentar (Bhashya) zur Yogaphilosophie") genannt und um 600 nach Christi datiert. Vyasas Kommentare zu den Sutras sind oftmals recht kurz.

Ohne Vyasas Kommentar wären viele Sutras heute fast unverständlich. Manche Gelehrte sagen, der Text ist erst durch den Kommentar wirklich „lesbar“.

Vyāsa war vielleicht/wahrscheinlich kein einzelner Autor, sondern ein Titel, der mehrere Kommentatoren der indischen Tradition umfasst. Die Stimme, die wir im Yogasutra-Kommentar hören, ist also vielleicht ein Chor.

Vyasas Yogabhashya wurde im 8./9. Jh. von Shankara (788–820 n. Chr, indischer Gelehrter, Vedanta-Philosoph, Begründer der Advaitavedānta-Tradition) kommentiert. Sein Kommentar nennt sich Yogabhashyavivarana, Vivarana ist ein Unterkommentar.

Auch Vachaspati Mishra hat einen frühen, berühmten Kommentar zum Yogasutra geschrieben. (Meine Quellen für diese Kommentare waren unterschiedliche Bücher und Webseiten, zum Beispiel Legget (siehe Literatur) und wisdomlib.org/hinduism/book/yoga-sutras-with-commentaries/). Ich gebe hier diese Kommentare in für mich relevanten Auszügen in Worten wieder, die für mich den Sinn in heutigen Worten am besten wiedergeben. Dies ist explizit kein Bemühen, die Originalkommentare wortgetreu wiederzugeben. Fehlinterpretationen sind natürlich in meiner Verantwortung.

Du siehst etwas anders, hast einen Fehler gefunden oder möchtest etwas ergänzen? Bitte schreibe dies unten bei "Ergänzungen von dir".

Die Kommentare von Vyasa, Mishra und Shankara sind oft wörtlich übersetzt worden, zum Beispiel bei den oben angegebenen Quellen.

Der folgende Abschnitt gibt dir Vyāsas Kommentar zu Yoga Sūtra 3.48 in eigenen Worten wieder. Es geht um die fünf „Erscheinungen“ (ābhāsa) der Sinne – und darum, wie du sie mithilfe von Samyama (gebündelte Konzentration) durchleuchten kannst.

  1. Sinnesobjekte – das, was auf dich einprasselt 🍇🔊
    Alles, was Ton, Farbe, Geruch, Geschmack oder Berührung besitzt, zählt als Sinnesobjekt. Deine Sinne registrieren dabei nicht nur die allgemeinen Eigenschaften („Da ist ein Geräusch“), sondern auch die spezifischen Nuancen („Aha, das klingelt wie eine Fahrradklingel“). Ohne diese feine Unterscheidung stünde dein Geist vor einer grauen Rauschwand.
  2. Stoffliche Natur der Sinne – ein nahtloses Gewebe
    Materiell betrachtet sind die Sinnesorgane ein Substanz-Cluster aus dicht verknüpften Bausteinen, ohne Luft dazwischen. Allgemeines und Besonderes stecken darin untrennbar zusammen – ähnlich wie Wasserstoff und Sauerstoff in einem Wassermolekül. In der Samkhya-Sprache gehören sie zum buddhi-System, dessen Kern „Licht“ ist – Klarheit und Erkenntnisfähigkeit.
  3. Individualität – das kleine Ego mischt mit
    Sobald ein Sinnesorgan aktiv wird, ploppt das ahaṁkāra auf: „Ich sehe“, „Ich höre“. Die Sinne sind quasi Fachabteilungen des Ego-Prinzips. Ohne dieses Etikett gäbe es zwar Daten, aber kein persönliches Erleben.
  4. Die drei Guṇa – Sattva, Rajas, Tamas
    Jede Wahrnehmung ist von den Ur-Qualitäten gefärbt: Sattva (Klarheit), Rajas (Aktivität) und Tamas (Schwere). Deine Ohren reagieren anders auf Musik, je nachdem, welcher Modus gerade dominiert – kristallklar, aufgedreht oder dumpf.
  5. Zweck für den Puruṣa – wozu das Ganze?
    Am Ende dient das Sinnestheater einem übergeordneten Ziel: Erfahrungen liefern, damit das reine Bewusstsein (Puruṣa) sich selbst erkennen kann. Die Sinne sind also ein Erfahrungs-Lieferdienst.

Vyasa schließt seinen Kommentar zur Sutra mit folgenden Worten:

"Saṃyama ist über die fünf Sinneserscheinungen zu vollziehen, und zwar eine nach der anderen. Wenn alle fünf Erscheinungen gemeistert worden sind, dann manifestiert sich im Yogī die Kraft der Überwindung der Empfindung.”

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Erlebnisse und Nutzen im Alltag

Wenn du Samyama auf die Sinne übst, berichten viele Übungen davon, wie sich Innenwelt und Außenwelt verändern. Zunächst spürst du vielleicht körperlich: Die Muskeln lockern sich, weil du nicht mehr angespannt „hier und jetzt darauf reagieren“ musst. Geistig kann sich ein Gefühl von Ruhe und Klarheit einstellen – als wärst du hinter einem ruhigen Fenster, während draußen der Verkehr lärmt. Du bist zwar noch im Verkehr, aber innerlich sitzt du gelassen drinnen.

Typische Folgen sind größerer Fokus und Gelassenheit: Du bist weniger anfällig für Ablenkungen. Ob Lärm oder Bildschirm – du brauchst nicht automatisch umzuschalten, wenn etwas blinkt oder knallt. Viele berichten auch von einer „Scharfstellung“ der Wahrnehmung: Wenn der Geist stiller wird, nimmt er manche Details intensiver wahr (ein Sonnenstrahl durch die Wolken, ein flüchtiger Duft). Yogatraditionell spricht man hier von einer «Erkenntnis ohne Sinne», wie sie im nächsten Sutra (3.49) erwähnt wird. Das heißt nicht, dass du plötzlich Hellseher wirst, sondern eher: Deine Intuition oder innere Stimme kann kräftiger werden, weil du nicht mehr alles auf der physischen Ebene suchst.

Kurzum: 3.48 lädt dich dazu ein, ein bewusster Zeuge deiner eigenen Sinneswelt zu werden. Du merkst, dass du sie lenken kannst, statt ihr nur ausgeliefert zu sein. Klingt vielleicht esoterisch – am Ende ist es aber ganz handfest: Wer den Kopf ab und zu aus der Reizflut herausnimmt und einfach nur beobachtet, gewinnt Selbstbestimmung. Dieser Prozess kann unwillkürlich kleine „Superkräfte“ freisetzen, etwa mehr Geduld, Feinsinnigkeit und innere Freiheit. Die Freiheit, deinen Alltag gelassener zu leben.

 

Siehe auch folgende Sutras

Die folgenden Sutras ergänzen oder kontretisieren diese Sutra, drücken gleiches ähnlich aus oder erweitern die Erläuterungen in dieser Sutra:

Yoga Sutra I-16: Das Nichtbegehren nach den Elementen der Erscheinungswelt führt zur Wahrnehmung des wahren Menschen, des Purushas - die höchste Form der Verhaftungslosigkeit

Hier weiterlesen


Yoga Sutra I-18: Ein weiterer Zustand des Samadhi - Virama Pratyaya - ist nach intensiver Übung erreicht, wenn alle geistigen Aktivitäten aufhören und nur (ein Rest) unmanifestierter Eindrücke im Geist (eine Form der Leere) verbleiben

Hier weiterlesen


Yoga Sutra II-6: ›Identifikation mit dem Ego‹ [= Asmita] basiert auf Identifikation des Sehenden mit dem Instrument des Sehens

Hier weiterlesen


Yoga Sutra II-21: Die Welt existiert nur für den Sehenden

Hier weiterlesen


Yoga Sutra II-22: Die Welt verschwindet für den, für den sie ihren Zweck erfüllt hat; für alle anderen existiert sie als gemeinsame Realität weiter

Hier weiterlesen


Yoga Sutra II-54: Pratyahara ist das Zurückziehen der Sinne auf das Innere, auf das Eigenwesen des Geistes, weg von den äußeren Objekten

Hier weiterlesen


Yoga Sutra II-55: Dadurch wird die Beherrschung der Sinne gemeistert

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-1: Durch Ausrichtung des Geistes auf ein Objekt entsteht Konzentration (Dharana)

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-14: Frühere (śānta), momentane (udita) und zukünftige (avyapadeśya) Eigenheiten bzw. Beschaffenheiten (dharma) eines Objektes basieren auf einem grundlegenden Eigenschaftsträger (dharmin)

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-36: Weltliche Erfahrungen wie Vergnügen und Genuss beruhen (nur) auf der fehlenden Unterscheidung zwischen dem wahren Selbst (Purusha) und dem eigenen (reinen/sattvigen) Intellekt (Buddhi).

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-37: Von Samyama auf Purusha entstehen intuitives Wissen, Hören, Sehen, Schmecken und Riechen

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-38: Diese sind im normalen Leben (wenn der Geist in Bewegung ist) außergewöhnliche Kräfte, aber Hindernisse für das Erreichen von Samadhi

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Yoga Sutra III-39: Werden die Ursachen des Gebundenseins aufgehoben, kann der Yogi durch das Wissen um die Durchgänge in den Körper eines anderen eintreten

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-45: Durch Samyama auf die Elemente – ihre groben, feinstofflichen, essentiellen Zustände, ihre Beziehungen und ihren Zweck – erlangt der Yogi Herrschaft über die Elemente

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-49: Daraus [aus der Beherrschung der Sinne] folgt die Schnelligkeit des Geistes, Wahrnehmung unabhängig von den körperlichen Sinnesorganen und Beherrschung/Meisterschaft der Urnatur

Hier weiterlesen


Yoga Sutra III-50: Durch tiefgehendes Erkennen des Unterschiedes zwischen Sattwa (reine und lichtvolle Geist) und Purusha (dem wahren Selbst) erlangt der Yogi Allmacht (Oberhoheit über alle Wesen) und Allwissenheit

Hier weiterlesen


Yoga Sutra IV-4: Die Bewegungen des Geistes entstehen aufgrund des Ichgefühls

Hier weiterlesen


Das Ego im Forum diskutiert

Was ist das Ego?

Was ist das Ego?

Yoga-Event schreibt:

Im Gegensatz zum natürlichen Ego wird das falsche Ego nicht wirklich gebraucht. Außer man ist nicht auf dem Weg der Selbstverwirklichung, sondern auf einem Ego-Trip.

Zuerst gilt es Buddhas Lehren zu vertiefen, die die Ichverhaftung als das Leid erkennt und die Loslösung als die Befreiung davon. Also mein Leben, meine Liebe, mein Yoga [Werbelink entfernt], meine Gedanken, meine Gefühle sind Ego. Das natürliche Ego hingegen benötigt man um z. B. bei Krankheit den Willen zum Gesundwerden leben zu lassen.

Dies gab zu folgender Diskussion um die Frage "Was ist das Ego" Anlass (& Übungen zum Ego-Auflösen):

Hier weiterlesen: Was ist das Ego?


Ergänzungen und Fragen von dir zur Sutra

Ist etwas unklar geblieben? Kannst du etwas ergänzen oder korrigieren?

Der Stoff der Sutras ist für uns heutige Menschen nicht leicht zu verstehen. Ist im obigen Text irgendetwas nicht ganz klar geworden? Oder kannst du etwas verdeutlichen oder berichtigen? Eine eigene Erfahrung schildern ... Vielen Dank vorab für jeden entsprechenden Hinweis oder eine Anregung:

 

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Videos zu Sutra III-48

Herrschaft über die Sinne – Kommentar von Sukadev zu Yoga Sutra - Kap. 3, Vers 48 und 49

Länge: 10 Minuten

Youtube-Video

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Meisterung der fünf Sinne – Kommentar von Anvita Dixit zu Yogasutra 3.48 (bei ihr Sutra 3.47)

Länge: 11 Minuten

Youtube-Video

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Video von Ahnand Krishna zur Sutra

Kräfte von Samyama, Class 61: Asha Nayaswami zu Sutra 3:47-3.52

Derzeit offline - wird wieder eingebunden.

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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

https://www.yoga-welten.de

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