
Geschichte: Was ist Frieden? Der Wettbewerb und sein außergewöhnlicher Gewinner
Der lebenserfahrene Landesherr überlegte zunächst lange, welches Gemälde den Frieden treffender symbolisiere. Tief versunken verharrte er vor den beiden Kunstwerken, die es in die Endauswahl geschafft hatten.
Das eine Bild faszinierte mit meisterhafter Darstellung eines klaren und ruhigen Teiches. Machtvoll aufragende Berge mit weißen Gipfeln umrahmten das Panorama, vereinzelte Dunstschleier spiegelten sich auf der blauen Oberfläche des Sees. Jedem Betrachter fiel sofort das Wort "Frieden" bei der Bewunderung dieses Meisterwerkes ein.
Das zweite Gemälde schien auf den ersten Blick das genaue Gegenteil dieser Stimmung zu symbolisieren. Auch hier füllte eine Berglandschaft die Leinwand, die Natur aber war karg und rau. Das Gebirge wirkte unwirtlich und kühl. Es toste ein Unwetter, dunkle Wolken und Blitze zuckten über den Himmel. Beim ersten Anschein kein Bild des Friedens.
Blickte man aber näher hin, erkannte man im rechten Drittel des Bildes ein dünnes Gebüsch, das aus einer Felswand herauswuchs. Eine Felszunge ragte über das grüne Gezweig. In diesem Busch hatte ein weiß gefiederter Vogel sein Nest gebaut. Jener Piepmatz hockte trotz tobenden Unwetters in tiefer Gemütsruhe auf seinem Gelege. Der Künstler hatte seinem Werk nur dieses kleine Areal des Friedens gegönnt.
Dann traf der Herrscher seine Wahl ...
Er entschied sich für das zweite Kunstwerk, das Sturmgemälde.
Der Herrscher erklärte: Lasst euch nicht vom ersten Bild in die Irreführen. Wir brauchen weniger einen Frieden unter idealen Bedingungen. In vollkommenen Zuständen fällt es uns leicht, ein friedvolles Gemüt zu finden.
Vielmehr bedürfen wir eines Friedens inmitten hektischer Ereignisse und widriger Lebenslagen. Dieser innere Friede, unabhängig von den äußeren Umständen, birgt Hoffnung auf eine bessere Zeit.
Verfasser unbekannt, nacherzählt von Peter Bödeker
Yoga-Bezüge der Geschichte
Die Suche nach innerem Frieden im Sturm des Lebens
Hast du dich jemals gefragt, was Frieden wirklich bedeutet? Die Geschichte vom Wettbewerb und seinem außergewöhnlichen Gewinner wirft genau diese Frage auf und lässt uns damit in die Philosophie des Yoga eintauchen.
- Yoga und die Kunst der Gelassenheit
Im Yoga geht es nicht nur um körperliche Übungen oder Atemtechniken. Vielmehr lehren die alten Schriften, einen Zustand innerer Ruhe und Gelassenheit zu erreichen, unabhängig von äußeren Umständen. Genau wie der Vogel im zweiten Gemälde, der inmitten eines tosenden Unwetters ruhig auf seinem Nest sitzt, strebt der Yogi danach, inmitten des Chaos inneren Frieden zu finden. - Der innere Frieden als höchstes Gut
Die Yoga-Philosophie betont die Bedeutung des inneren Friedens. Patanjali, der Verfasser der Yoga-Sutras, beschreibt Yoga als das "Zur-Ruhe-Bringen der Bewegungen im Geist". Es geht darum, die Gedankenflut zu beruhigen und einen Zustand tiefer Meditation zu erreichen, in dem äußere Turbulenzen keinen Einfluss mehr auf unser inneres Gleichgewicht haben. - Die äußeren Umstände loslassen
Die beiden Gemälde in der Geschichte symbolisieren unterschiedliche Ansätze zur Suche nach Frieden. Das erste Bild zeigt eine ideale, ungestörte Natur – doch das Leben ist selten so perfekt. Yoga lehrt uns, dass wahrer Frieden nicht von äußeren Bedingungen abhängt. Stattdessen geht es darum, Anhaftungen und Erwartungen loszulassen und in uns selbst die Quelle der Ruhe zu finden. - Die Praxis der Gleichmut
Ein zentrales Konzept im Yoga und im Buddhismus ist die Gleichmut (Upeksha). Sie befähigt uns, sowohl angenehme als auch unangenehme Erfahrungen mit derselben inneren Ruhe zu begegnen. Wie der Vogel, der trotz Sturm und Blitz in tiefer Entspannung verweilt, können wir durch Yoga lernen, uns nicht von den Höhen und Tiefen des Lebens mitreißen zu lassen.
Vielleicht inspiriert dich diese Erkenntnis, deine eigene Yoga-Praxis zu vertiefen und den inneren Frieden zu kultivieren, der unabhängig von äußeren Umständen besteht.
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Siehe auch
Advidyâsmita–râga–dveshâbhiniveshah kleshah
अविद्यास्मितारागद्वेषाभिनिवेशः क्लेशाः
Kommen wir zu den leidvollen Zuständen, welche den Yogi an der Befreiung hindern. Patanjali gibt hier eine erste Definition der Hindernisse auf dem Yoga-Pfad. Interessant sind auch die Parallelen im Buddhismus.
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