Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 4 des Yogasutras von Patanjali
Dieser Artikel lädt dich ein, das vierte Kapitel des Yogasutra – Kaivalya Pada – nicht als esoterisches Rätsel, sondern als praktisches Kompendium für innere Freiheit zu lesen. Hier erfährst du, wie sich geistige Bewegung, Karma, Muster und Bewusstsein zusammensetzen – und wie du sie erkennen und nach und nach loslassen kannst. Kein Wunschtraum, sondern Schritt für Schritt: ein Weg zur Klarheit mitten im Alltag.
Kurz zusammengefasst
- Kaivalya: Die Freiheit des Bewusstseins, das sich von mentalen Bewegungen löst und nicht mehr mit Prakriti verflochten ist.
- Gunas: Die drei Naturkräfte Sattva, Rajas und Tamas formen alle Erscheinungen – Yoga zielt darauf ab, ihre Dynamik zu erkennen und ins Gleichgewicht zu bringen.
- Kleshas: Fünf innere Verunreinigungen – Avidya, Asmita, Raga, Dvesha, Abhinivesha – sind die Ursachen für Leid; ihre Auflösung führt zu Klarheit.
- Karma & Samskara: Taten und Prägungen hinterlassen Spuren im Geist; sie können durch Bewusstheit und Praxis schrittweise entwirrt werden.
- Purusha vs. Citta: Purusha ist reines, unveränderliches Bewusstsein; Citta ist der bewegte Geist. Die Unterscheidung ist zentral für Befreiung.
- Vairagya & Abhyasa: Loslassen (Nicht-Anhaften) und beständige Übung sind die tragenden Prinzipien des Yoga-Wegs zur Befreiung.
- Dharmamegha Samadhi: Ein Zustand, in dem alle Bindungen verschwunden sind und das Bewusstsein in Ruhe verweilt – Vorstufe von Kaivalya.
Details und Erläuterungen zu allen Punkten im weiteren Artikel.
Einordnung des vierten Kapitels in das gesamte Yogasutra
Damit Kaivalya Pada Sinn ergibt, hilft der Blick auf die Dramaturgie der ganzen Schrift. Das Yogasutra hat vier Teile – jeder ist eine Etappe auf demselben Weg:
- Samadhi Pada (Kapitel 1): Worum es im Yoga überhaupt geht – Geistesruhe und Klarheit.
- Sadhana Pada (Kapitel 2): Der Werkzeugkasten – Ashtanga (Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana, Samadhi).
- Vibhuti Pada (Kapitel 3): Was durch konsequente Praxis passiert – Konzentrationskräfte (Siddhis) und warum du dich nicht von ihnen blenden lassen solltest.
- Kaivalya Pada (Kapitel 4): Der Zielsprint – Befreiung (kaivalya), die Unterscheidung zwischen dem, was du bist (Purusha), und dem, was sich ständig verändert (Prakriti).
Warum das wichtig ist: Kapitel 4 ist kein „Bonuslevel“, sondern das Konsequenz-Kapitel. Alles Vorherige bereitet vor: du ordnest dich ethisch, stabilisierst den Körper, klärst den Atem, sammelst die Sinne, fokussierst den Geist – und erkennst am Ende, was übrig bleibt, wenn die Wolken sich legen: Bewusstsein selbst.
Kontroverse? Ja, die gibt’s. Manche Gelehrte sehen in Kapitel 4 einen späteren Anhang. Andere halten es für organisch. Für dich im Alltag spielt das nur eine Nebenrolle: Die Lehren sind konsistent mit dem Rest – und sie haben Praxiswert. Lies das Kapitel als philosophischen Tiefencheck und als Anwendungslogik: Warum du übst, wozu du loslässt und wie Einsicht reift.
Die begriffliche Landkarte vom Kaivalya Pada
- Purusha: das unveränderliche Bewusstsein, der „Seher“. Nicht Persönlichkeit, nicht Stimmung, nicht Rolle.
- Prakriti: die Natur der Erscheinungen – Körper, Gedanken, Gefühle, Außenwelt – strukturiert durch die Gunas (Sattva: Klarheit, Rajas: Aktivität, Tamas: Trägheit).
- Citta: das mentale Feld (dein „Geist bzw. Mind“), in dem Eindrücke aufpoppen, sich verketten, abflauen.
- Kleshas: mentale Verunreinigungen: Avidya (Unwissen über die eigene Natur), Asmita (Ich-Verhaftung), Raga (Anhaften), Dvesha (Widerwillen), Abhinivesha (Todes-/Lebensangst).
- Karma: Wirkungsfäden deiner Handlungen und Absichten.
- Samskara: Prägungen/Spuren im Citta – die „Autopiloten“, die Wahrnehmung und Verhalten einfärben.
- Kaivalya: alleinstehende Freiheit – nicht Einsamkeit, sondern Unabhängigkeit des Bewusstseins von den Schwankungen des Geistes.
So hängt es zusammen: Du lebst (wie alle) in Prakriti, mit einem Geist (Citta), der von Gunas bewegt wird, gespeist von Samskaras und gefärbt von Kleshas. Yoga (als geistiger Übungspfad verstanden) trainiert dich, Klarheit (Sattva) zu stabilisieren, Avidya zu durchschauen und unheilsame Samskaras auszudünnen. Wenn die Identifikation mit dem geistigen Wetter abfällt, tritt Purusha als das auf, was er immer war. Das ist kaivalya.
Die Bedeutung von Kaivalya
Wenn du das Wort Kaivalya hörst, klingt es vielleicht erst einmal nach etwas Abgehobenem – ein Begriff aus einer anderen Zeit, schwer greifbar. Dabei steckt in ihm etwas sehr Konkretes: Freiheit. Aber nicht die Freiheit, die du im Reisekatalog findest oder am Freitagabend auf der Autobahn Richtung Wochenende spürst. Kaivalya meint eine tiefere, stille Freiheit – eine, die du nicht „bekommst“, sondern entdeckst, weil sie schon da ist.
Im Sanskrit setzt sich der Begriff aus „kevala“ (allein, einzig, rein) und der Endung „-ya“ (Zustand) zusammen. Es geht also um den Zustand des Alleinseins – allerdings nicht im Sinn von Einsamkeit, sondern von Selbstgenügsamkeit. In diesem Zustand erkennst du, dass du in deinem innersten Wesen vollständig bist, unabhängig von dem, was um dich herum geschieht.
Yoga Sutra IV-34: Das Ziel des Purushas, unseres wahren Selbstes, ist das Aufgehen der Gunas in die Prakriti, der Urnatur, und seine Rückkehr zu Kaivalya, der absoluten Freiheit. Purusha, ruht dann in seiner wahren Natur. Hier endet die Yogalehre – iti.
Viele Übersetzer ringen mit diesem Wort: Manche sagen, Kaivalya sei „absolute Freiheit“, andere nennen es „Losgelöstheit“, „Alleinsein“ oder „Unabhängigkeit“. Die Philosophin Bäumer beschreibt es treffend als den „existentielle(n) Wesenskern der Menschlichkeit“. Das klingt sperrig, trifft aber den Punkt:
Kaivalya ist keine Flucht vor der Welt, sondern das Wiederentdecken deiner wahren, unverfälschten Natur mitten in der Welt.
Wenn du Kaivalya hörst, denk also weniger an Rückzug, sondern an Klarheit. Es ist das Sehen ohne Schleier – ein Bewusstsein, das nicht mehr dauernd bewertet, sich vergleicht oder verteidigt. Du erkennst, dass du Bewusstsein bist – und dass Gedanken, Stimmungen und Rollen nur Wellen auf der Oberfläche sind.
Diese Erfahrung verändert, wie du dich selbst und andere wahrnimmst. Du merkst, wie viel deiner Unruhe aus Verwechslung entsteht: Du hältst vorübergehende Erscheinungen für dein Selbst – und leidest, wenn sie sich ändern. Kaivalya ist die Auflösung dieser Verwechslung.
Es gibt ein schönes Bild dafür: Stell dir vor, du sitzt am Ufer eines Sees. Der Wind kräuselt die Oberfläche, und du kannst den Grund nicht erkennen. Der See ist dein Geist, der Wind sind die Bewegungen der Gedanken. Wenn der Wind aufhört, wird das Wasser klar – und du siehst, was schon immer da war. Nicht mehr, nicht weniger.
Das Gleichnis vom trüben See
Kurz erklärt – so bedienst du das Tool
Mit dem Schieberegler „Gedankenwellen“ stellst du ein, wie stark der See (= dein Geist) „krisselt“, in Bewegung ist (Trübung/Wellen = Gedanken) – je höher der Wert, desto unruhiger das Bild. Fährst du die Gedankenwellen mit dem Schieberegler herunter, verschwindet das Krisseln, das Bild klärt sich und du kannst Purusha wahrnehmen.
Kaivalya ist kein Zustand, der sich „machen“ lässt. Du kannst ihn nicht durch Leistung erzwingen – und genau das macht ihn so widersprüchlich für moderne Gemüter. Du kannst nur die Bedingungen schaffen, damit er sich zeigen kann: Ruhe, Achtsamkeit, Gleichmut. Der Rest geschieht, wenn du aufhörst, dich dazwischenzuschieben.
Kaivalya und der Unterschied zwischen „Freiheit von“ und „Freiheit in“
In unserer Alltagssprache ist Freiheit oft ein „Weg-von“: weg vom Stress, weg von Verpflichtungen, weg von Menschen, die nerven. Patanjali beschreibt dagegen eine Freiheit inmitten von allem. Sie entsteht nicht durch das Entfernen äußerer Dinge, sondern durch das Durchschauen innerer Muster.
Deshpande und Bäumer betonen: Kaivalya ist nicht die „Freiheit von etwas“, sondern die Freiheit des Seins selbst – die Entdeckung, dass du als Bewusstsein unberührt bleibst, egal, was in deinem Leben geschieht. Du kannst mitten im Lärm, im Chaos, in der Diskussion mit deiner Kollegin sein – und gleichzeitig innerlich frei bleiben.
Das ist kein poetischer Traum, sondern ein realistischer Prozess. Freiheit in diesem Sinn ist keine Flucht, sondern eine reifere Form der Präsenz.
Alleinsein und In-Beziehung-Sein
Kaivalya bedeutet wörtlich (auch) „Alleinsein“. Aber hier lauert ein Missverständnis. Es ist kein Rückzug in eine seelische Einsiedelei, sondern eine neue Art, in Beziehung zu sein. Du erkennst, dass du mit allem verbunden bist – aber nicht mehr verstrickt.
Patanjali beschreibt diesen Zustand nicht als Isolation, sondern als klare Wahrnehmung: Du siehst die Welt, wie sie ist, ohne dich in ihr zu verlieren. Du bist „allein“, im Sinne von „eins mit dir selbst“, und kannst deshalb in echter Verbindung mit anderen treten.
Das mag paradox klingen, aber es ist die Paradoxie jeder tiefen Spiritualität: Wer sich selbst erkennt, ist nicht abgeschnitten, sondern durchlässig.
Wie würdest du Kaivalya für dich definieren?
Kaivalya und Bewusstsein
Ein Kernpunkt des vierten Kapitels ist die Unterscheidung zwischen Geist (Citta) und Bewusstsein (Purusha). Der Geist denkt, fühlt, urteilt, erinnert sich – er ist ständig in Bewegung. Bewusstsein dagegen ist das, was all das wahrnimmt, ohne selbst zu wanken.
Du kannst dir das vorstellen wie bei einem Film: Der Geist ist der Filmstreifen, die wechselnden Bilder. Bewusstsein ist die Leinwand. Die Szenen ändern sich, das Licht flackert – aber die Leinwand bleibt. Kaivalya bedeutet, sich nicht mehr mit den Bildern zu verwechseln, sondern zu erkennen:
„Ich bin die Leinwand.“
Im Alltag heißt das: Wenn du Ärger spürst, erkenne: „Da ist Ärger im Geist.“ Nicht: „Ich bin ärgerlich.“ Der Unterschied ist fein, aber entscheidend. In diesem Moment entsteht Raum – und Raum ist Freiheit.
Kaivalya und Veränderung
Patanjali beschreibt Kaivalya nicht als statischen Zustand, sondern als Prozess der Klärung. Er nennt verschiedene Formen der inneren Veränderung (Parinama):
- Nirodha Parinama – das Zur-Ruhe-Kommen der Gedankenbewegung.
- Samadhi Parinama – die Transformation, die durch tiefste Versenkung entsteht.
- Ekagrata Parinama – die Veränderung durch Einpünktigkeit und Konzentration.
Diese Begriffe klingen abstrakt, aber sie sind zutiefst praktisch. Wenn du meditierst, wenn du dich auf etwas konzentrierst, wenn du dich selbst beim Denken beobachtest – genau dann vollzieht sich dieser Prozess. Schritt für Schritt löst sich der Nebel, der dich von deiner eigenen Klarheit trennt.
Yoga Sutra IV-30: Dann folgt das Ende aller Leiden und des Karma
Kaivalya in deinem Alltag
Wie kann das aussehen, ohne dass du in eine Höhle im Himalaya ziehst? Ganz einfach:
- Wenn du gestresst bist, atme tief ein und aus und erinnere dich daran, dass du nicht der Stress bist – du bemerkst ihn.
- Wenn du dich gekränkt fühlst, spüre das Gefühl, aber lass den Gedanken, der es anheizt, los.
- Wenn du dich in einer Rolle verlierst – Chef, Partner, Elternteil – frag dich: „Was bleibt, wenn diese Rolle wegfällt?“
Diese kleinen Übungen sind Kaivalya in Aktion. Sie bringen dich immer wieder zurück zu dem, was still ist – zu dir als Bewusstsein.
Die Kontroverse um Kaivalya
Nicht alle sind sich einig, was Patanjali mit Kaivalya wirklich meinte. Einige Deutungen klingen asketisch – als müsse man die Welt hinter sich lassen. Andere, moderneren Lesarten, betonen das Gegenteil: dass Kaivalya gerade mitten in der Welt gelebt wird.
Die Wahrheit liegt vielleicht dazwischen. Patanjali war Philosoph, kein Romantiker. Er beschreibt keinen Rückzug aus dem Leben, sondern eine Art innere Unabhängigkeit, die aus klarer Erkenntnis entsteht.
Oder, wie Sukadev es ausdrückt: Das vierte Kapitel ist „philosophisch und abstrakt, aber zutiefst praktisch, wenn du es wirklich lebst“.
Kaivalya ist also kein fernes Ideal, sondern eine Erfahrung, die in jedem Moment keimen kann. Sie beginnt mit einem Innehalten, einem Atemzug, einem kurzen „Stopp“ vor der automatischen Reaktion.
Du musst nichts Neues „werden“. Du lässt nur los, was du nicht bist. Dann zeigt sich, was schon immer da war – Bewusstsein, still, wach und frei.

Die Kräfte der Natur und die Bewegungen des Geistes
Im vierten Kapitel des Yogasutras, dem Kaivalya Pada, wendet sich Patanjali der feinen Mechanik des Geistes zu – dem unsichtbaren Geflecht aus Naturkräften, Eindrücken, Gedanken und Wahrnehmungen, das dein tägliches Erleben formt. Wenn du begreifst, wie dieses System funktioniert, erkennst du, dass Freiheit nicht am Ende des Weges steht, sondern in jedem Moment beginnen kann, in dem du bewusst wahrnimmst, was dich bewegt.
Yoga Sutra IV-4: Die Bewegungen des Geistes entstehen aufgrund des Ichgefühls
Patanjali spricht hier in Bildern, die auf den ersten Blick fremd wirken, aber erstaunlich modern sind, wenn man sie übersetzt: Die Natur (Prakriti) ist die Gesamtheit aller Erscheinungen – dein Körper, dein Geist, die Welt um dich herum. Sie besteht aus drei Grundkräften, den Gunas: Sattva (Klarheit), Rajas (Bewegung) und Tamas (Trägheit). Diese drei weben alles, was du erlebst – von deinen Stimmungen bis zur Ordnung des Universums.
Die drei Gunas – die Grundkräfte deiner Wahrnehmung
- Sattva, das Prinzip der Reinheit und Erkenntnis, zeigt sich als Ruhe, Licht, Durchblick. Wenn du nach dem Aufwachen in den Himmel schaust und innerlich weit wirst, ist Sattva aktiv.
- Rajas ist das Prinzip der Energie, des Wollens und der Bewegung – es drängt dich, etwas zu tun, zu verändern, zu kämpfen oder zu erschaffen.
- Tamas ist das Prinzip der Trägheit, Dunkelheit, des Festhaltens – das Gewicht, das dich ans Sofa nagelt, aber auch die Kraft, die dich erdet und stabilisiert.
Diese drei sind nie ganz getrennt. Sie tanzen ständig miteinander. Manchmal führt Rajas, manchmal dominiert Tamas, und ab und zu scheint Sattva durch. Yoga – und besonders das Kaivalya Pada – lehrt dich, diese Dynamik zu erkennen und zu harmonisieren.
Denn wenn du siehst, dass deine Stimmungen, Reaktionen und Vorlieben Ausdruck dieser Kräfte sind, nimmst du sie weniger persönlich. Dann bist du nicht mehr „faul“ oder „hyperaktiv“ – du beobachtest einfach, dass gerade Tamas oder Rajas die Bühne übernehmen. Das Beobachten selbst ist bereits der Beginn von Freiheit.
Ein kleiner Alltags-Test: Wenn du am Nachmittag plötzlich erschöpft bist, prüfe – hast du vielleicht zu viel Rajas verbraucht? Oder, wenn du unruhig bist, ohne Grund: Ist da ein Übermaß an Rajas, das nach Sattva ruft? Mit dieser Sichtweise bekommst du kein weiteres Etikett, sondern einen Kompass.
Welcher Guṇa-Zustand prägt deinen Alltag aktuell am stärksten?
Bewegungen des Geistes – der innere Verkehr
Der Geist – im Sanskrit Citta – ist nach Patanjali wie ein See. Jede Bewegung, jeder Gedanke, jede Emotion ist eine Welle auf seiner Oberfläche. Die meisten Menschen leben, ohne den See je wirklich ruhig zu erleben. Sie sehen nur die Spiegelung der Wellen – und glauben, das sei die Welt.
Patanjali sagt: Der Geist ist nicht das Problem. Er ist Werkzeug. Das Problem ist die Identifikation mit seinen Bewegungen. Wenn du jeden Gedanken für dich selbst hältst, bist du gefangen in einem unendlichen Echo.
Die Praxis des Yoga – von der Atembeobachtung bis zur Meditation – zielt darauf ab, die Bewegungen des Geistes zu verstehen, zu ordnen und schließlich zu beruhigen. Nicht, um nichts mehr zu denken, sondern um zu sehen, wer oder was da denkt.
In modernen Worten: Es geht um Metabewusstsein – die Fähigkeit, dich selbst beim Denken zu bemerken.
Die Rolle der Kleshas – die Störenfriede im System
Im Kaivalya Pada führt Patanjali den Begriff der Kleshas weiter – jene inneren Trübungen, die das klare Sehen verhindern. Sie sind die psychologischen Hindernisse auf dem Weg zu Kaivalya:
- Avidya – Unwissenheit über deine wahre Natur.
- Asmita – die falsche Identifikation mit dem Ich.
- Raga – Anhaften an angenehmen Erfahrungen.
- Dvesha – Ablehnung des Unangenehmen.
- Abhinivesha – die Angst vor dem Ende, vor dem Tod, vor Veränderung.
Du kannst sie dir vorstellen wie Filter in deiner Wahrnehmung. Sie verzerren das Licht des Bewusstseins. Wenn du dich etwa gekränkt fühlst, liegt das nicht nur an der Situation, sondern daran, dass Avidya (Nichtwissen, wer du bist) und Asmita (Ich-Verhaftung) aktiv sind.
Der Weg zur Freiheit bedeutet also nicht, diese Anteile zu „besiegen“, sondern sie durchzusehen. Sobald du sie erkennst, verlieren sie Macht.
Ein Beispiel: Du bekommst Kritik und spürst sofort den Impuls, dich zu rechtfertigen. In dem Moment, in dem du das bemerkst – genau da – beginnt Yoga. Du kannst dann sagen: „Aha, Raga und Asmita sind wach.“ Schon das bewusste Erkennen lockert die Verkettung.
Geist und Karma – Ursache und Wirkung
Patanjali erklärt, dass alle Handlungen Spuren hinterlassen – Samskaras. Diese Eindrücke formen dein Denken, deine Wahrnehmung, deine Reaktionen. Sie sind wie Rillen in einer Schallplatte: Wenn du sie nicht siehst, läuft die gleiche Melodie immer wieder.
Jede Handlung erzeugt Karma, also eine Folge, die irgendwann spürbar wird – im Geist, im Körper oder in den Umständen. Das bedeutet nicht, dass das Leben eine kosmische Buchhaltung ist, sondern dass Bewusstsein sich selbst organisiert, bis es versteht, was es tut.
Die gute Nachricht: Du kannst den Verlauf ändern. Wenn du Kleshas erkennst und die entsprechenden Samskaras auflöst, veränderst du das Muster – du brichst alte Gewohnheiten. In moderner Sprache: Du verdrahtest dein Gehirn neu.
Yoga ist also keine Flucht vor dem Leben, sondern ein präzises Training der Wahrnehmung und des Handelns.
Yoga Sutra IV-28: Die allmähliche Beseitigung dieser restlichen Prägungen (Samskaras) erfolgt so, wie es für die Überwindung der Kleshas (Leiden) beschrieben wurde
Die Grenzen des Geistes – und seine Aufgabe
Patanjali sagt im vierten Kapitel etwas Erstaunliches: Der Geist kann nicht zwei Dinge gleichzeitig erfassen. Er springt blitzschnell, aber immer nur von einem Punkt zum nächsten. Darin liegt eine enorme Chance.
Yoga Sutra IV-20: Der Geist kann nicht zwei Dinge auf einmal erfassen
Wenn du ihn trainierst, auf eine Sache gerichtet zu bleiben, stabilisiert er sich – wie ein Laser, der sich bündelt. Diese Einpünktigkeit (Ekagrata) ist nicht starr, sondern lebendig. Sie öffnet die Tür zu tieferer Erkenntnis, weil sie dich aus dem Dauer-Scrollen herausholt.
Probier das: Wenn du isst, iss. Kein Handy, kein Gespräch, kein Planen. Einfach nur schmecken, kauen, atmen. Schon nach wenigen Minuten spürst du, wie sich der Geist beruhigt. Dieses einfache „Nur-das“ ist gelebte Einpünktigkeit – und ein Vorgeschmack auf Kaivalya.
Der Unterschied zwischen Geist und wahrem Selbst
Eines der wichtigsten Themen in Kaivalya Pada ist die Unterscheidung zwischen Geist und Bewusstsein. Der Geist denkt, fühlt, analysiert – aber er ist nicht das, was du bist. Er ist wie ein Spiegel: Er zeigt Bilder, reflektiert Licht, aber das Licht selbst kommt von woanders.
Yoga Sutra IV-25: Wer den Unterschied zwischen Geist und wahrem Selbst erkannt hat, hört auf, den eigenen Geist bzw. dessen Regungen als Ich zu verstehen
Purusha, das reine Bewusstsein, ist unveränderlich. Es ist das, was sieht, hört, wahrnimmt – ohne sich zu verlieren. Wenn du das verstehst, verändert sich dein Verhältnis zu allem. Probleme bleiben Probleme, aber sie ziehen dich nicht mehr hinein.
Du wirst Beobachter, nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus Klarheit.
Fazit – der Tanz der Kräfte
Das vierte Kapitel des Yogasutras zeigt: Alles, was du erlebst, entsteht im Zusammenspiel von Natur, Geist und Bewusstsein. Die Gunas weben die Welt, die Kleshas färben sie, das Karma lenkt sie – und du, als Purusha, nimmst sie wahr.
Die Praxis besteht darin, bewusst zu leben, die Bewegungen des Geistes zu erkennen, ohne sie zu verurteilen, und die Kräfte der Natur zu verstehen, statt gegen sie zu kämpfen.
Kaivalya bedeutet dann nicht, die Welt zu verlassen, sondern in ihr frei zu sein – klar, gelassen, wach.
Und manchmal beginnt diese Freiheit ganz unscheinbar – mit einem Atemzug, einem Moment des Nichtstuns, einem ehrlichen Blick nach innen.

Allumfassendes Bewusstsein – Purusha und die Natur der Wirklichkeit
Im Zentrum des Kaivalya Pada steht ein Satz, der fast alles zusammenfasst:
Der Seher ist reines Bewusstsein – unveränderlich, ewig, still.
Oder in der Sutra:
Sutre IV-18: Herr des Geistes (Citta) ist das wahre Selbst (Purusha), es kennt infolge seiner unveränderlichen Natur immer alle Vorgänge im Geist (Citta)
Dieses Bewusstsein nennt Patanjali also Purusha. Es ist das, was du wirklich bist – nicht dein Körper, nicht dein Geist, nicht einmal deine Gedanken über dich selbst. Purusha ist der stille Zeuge, das klare Gewahrsein, das alles sieht, ohne sich jemals zu verändern.
Dem gegenüber steht Prakriti – die Natur, die Welt der Formen, Bewegungen, Empfindungen, Gedanken, Körper, Geschichten. Sie ist ständig in Veränderung. Alles, was du erlebst – Freude, Schmerz, Erfolg, Enttäuschung – gehört zu Prakriti.
Kaivalya entsteht, wenn du die Unterscheidung zwischen Purusha und Prakriti erkennst. Wenn du begreifst, dass du Bewusstsein bist, das Erfahrungen hat, aber nicht ist.
Yoga Sutra IV-25: Wer den Unterschied zwischen Geist und wahrem Selbst erkannt hat, hört auf, den eigenen Geist bzw. dessen Regungen als Ich zu verstehen
Das ist kein intellektueller Trick, sondern eine Erfahrung, die mit zunehmender Übung tiefer wird. Irgendwann siehst du:
- Der Ärger kommt – und geht.
- Der Gedanke kommt – und geht.
- Selbst der Körper verändert sich – aber etwas bleibt.
Dieses Bleibende bist du. Nicht im egoistischen Sinn, sondern als reines Wahrnehmen, als Präsenz.
Manchmal nennen Lehrer das „allumfassendes Bewusstsein“, andere sagen einfach: „Du bist das, was bemerkt.“ Wenn du das einmal fühlst – auch nur kurz –, verändert es alles. Der Lärm des Lebens bleibt, aber er verliert seine Macht.
Welche Erfahrungen hast du in der Meditation schon gemacht?
Die Rolle des Karmas auf dem Weg zur Befreiung
Patanjali beschreibt Karma als ein Gesetz von Ursache und Wirkung, das auf allen Ebenen wirkt: körperlich, emotional, geistig. Jede Handlung, jeder Gedanke hinterlässt einen Eindruck – eine feine Spur im Bewusstsein. Diese Spuren, die Samskaras, bilden die Grundlage für zukünftige Erfahrungen.
Yoga Sutra IV-9: Erinnerungen und unbewusste Prägungen sind einander ähnlich und überdauern Ortswechsel, Zeiten und Geburten. Darum wird jeder Wunsch bzw. jede Neigung irgendwann eine Folge haben (Karma)
Das ist weniger mystisch, als es klingt. Es ist schlicht Psychologie mit spiritueller Tiefe:
- Was du denkst, formt, wie du die Welt siehst.
- Wie du die Welt siehst, formt, wie du handelst.
- Wie du handelst, formt wieder dein Denken.
Ein Kreislauf – so lange, bis du ihn erkennst.
Der Weg zur Befreiung bedeutet, diesen Kreislauf durch Erkenntnis und bewusste Praxis zu durchbrechen. Wenn du beginnst, klar zu sehen, warum du tust, was du tust, löst sich das alte Muster langsam auf.
Karma ist also kein kosmisches Strafsystem, sondern ein Spiegel. Es zeigt dir, wo du noch unbewusst bist – und wo du frei wirst.
Manchmal bedeutet das, Verantwortung zu übernehmen, ohne Schuldgefühle zu kultivieren. Es geht nicht darum, dich für frühere Handlungen zu verurteilen, sondern zu erkennen: Du kannst neu handeln.
Jede bewusste Entscheidung, die aus Klarheit und Mitgefühl kommt, verändert dein Karma – nicht im fernen Himmel, sondern hier, jetzt, in deinem nächsten Atemzug.
Die Befreiung von Samskaras – Muster erkennen und loslassen
Samskaras sind die gespeicherten Eindrücke deiner vergangenen Handlungen und Erlebnisse. Sie sind wie Trampelpfade im Geist – bequem, vertraut, aber begrenzend. Sie bestimmen, wie du denkst, fühlst und reagierst, oft ohne dass du es merkst.
Wenn du Yoga praktizierst, beginnst du, diese Pfade zu sehen. Du bemerkst, dass du zum Beispiel immer denselben Typ von Konflikt anziehst oder in ähnlichen Situationen gleich reagierst. Das ist kein Zufall – es sind deine Samskaras, die dich lenken.
Doch sie sind nicht dein Schicksal. Patanjali sagt: Durch Bewusstheit, Achtsamkeit und Meditation kannst du sie auflösen.
Yoga Sutra IV-11: Diese (Neigungen/Wünsche) werden von vier Faktoren zusammengehalten: Ursache, Wirkung, (geistige) Stütze, (äußeres) Objekt. Verschwinden diese Faktoren, lösen sich auch die (zugehörigen) Wünsche/Neigungen auf
Nicht indem du sie bekämpfst, sondern indem du sie ansiehst, ohne sie zu füttern. Jede Beobachtung ohne Urteil ist ein kleines Sterben eines alten Musters – und ein Erwachen zu mehr Freiheit.
Im Alltag funktioniert das so:
- Wenn du merkst, dass du aus Gewohnheit reagierst, halte inne.
- Atme.
- Frage dich: „Was passiert, wenn ich diesmal nichts tue?“
Dieses „Nicht-Tun“ ist mächtig. Es ist kein Passivsein, sondern bewusstes Nicht-Reagieren. Samskaras brauchen Energie. Wenn du ihnen keine gibst, lösen sie sich.
Unabhängige Existenz der Objekte
Patanjali stellt im vierten Kapitel AUCH eine subtile Behauptung auf: Die Dinge der Welt existieren unabhängig vom Beobachter. Damit grenzt er sich von radikal idealistischen Positionen ab.
Yoga Sutra IV-16: Die Existenz eines Objektes ist auch nicht davon abhängig, von einem Bewusstsein wahrgenommen zu werden. Denn was würde geschehen, wenn das Objekt nicht von diesem Bewusstsein wahrgenommen wird?
Was bedeutet das praktisch?
Du bist nicht das Zentrum des Universums. Die Welt dreht sich weiter, auch wenn du sie nicht beobachtest. Diese Erkenntnis ist kein Schlag gegen das Ego, sondern eine Befreiung davon.
Wenn du begreifst, dass Objekte ihre eigene Existenz haben, kannst du aufhören, alles auf dich zu beziehen. Nicht jedes Verhalten anderer ist ein Kommentar über dich. Nicht jedes Ereignis ist eine Prüfung.
Diese Einsicht bringt Demut – und Leichtigkeit. Du kannst endlich wieder sehen, was wirklich da ist, nicht nur, was dein Geist daraus macht.

Dharmamegha Samadhi – die „Wolke der Tugend“
Am Ende des Kaivalya Pada beschreibt Patanjali einen Zustand, der poetisch klingt und zugleich präzise ist: den Dharmamegha Samadhi – wörtlich „Samadhi der Wolke des Dharma“.
Yoga Sutra IV-29: Wer den höchsten Bewusstseinszustand erlangt hat und weiterhin zu jeder Zeit seine Unterscheidungskraft beibehält und dabei frei von allen Wünschen bleibt, erlangt Dharma-Megha-Samadhi, erhält einen "Regen von Tugenden"
Es ist der Moment, in dem selbst der Wunsch nach Befreiung erlischt. Alles, was den Geist antrieb – Streben, Zweifel, Suche –, fällt ab. Der Yogi wird wie von einer Wolke des Wissens, der Güte und des Friedens umhüllt.
Das ist kein Rauschzustand, kein ekstatisches Erlebnis. Es ist eine tiefe Selbstverständlichkeit. Die Welt bleibt, wie sie ist, aber du siehst sie, wie sie wirklich ist. Kein Widerstand mehr, kein Bedürfnis nach Kontrolle.
Manche nennen es das Erwachen ohne Spektakel.
Einfach ein klares, ruhiges Dasein – frei von innerer Reibung.
Hast du schon Erfahrung mit Samadhi?
Hier die bisherigen Antworten anschauen ⇓
Die bisherigen Stimmen:
| Ich erfahre Samadhi regelmäßig | 28 Stimmen |
| Nein, noch nie | 27 Stimmen |
| Ich habe eine oder mehrere kurze Samadhi-Erfahrung(en) gehabt | 20 Stimmen |
| Ja, ich bin schon tief in Samadhi eingetaucht | 7 Stimmen |
| Ich habe mich Samadhi angenähert | 2 Stimmen |
Fazit
Das vierte Kapitel des Yogasutras, das Kaivalya Pada, ist mehr als der Schluss eines alten Textes. Es ist eine präzise Anleitung für das, was heute vielleicht dringender gebraucht wird als je zuvor: innere Unabhängigkeit.
Patanjali führt dich durch Bewusstseinsschichten, durch Ursachen und Wirkungen, durch Täuschung und Erkenntnis – bis du siehst, dass Freiheit nicht etwas ist, das du erreichen musst, sondern etwas, das du wiedererkennst.
Kaivalya ist kein Ziel jenseits des Lebens, sondern eine Art, zu leben: präsent, gelöst, liebevoll, klar.
Oder, einfacher gesagt:
Freiheit beginnt in dem Moment, in dem du aufhörst, dich für deine Gedanken zu halten.

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Alle Sutras des 4. Kapitels
Hinweis: Nach dem Klick auf die Sutra gelangst du zu Alternativübersetzungen und Erläuterungen zur jeweiligen Sutra.
Yoga Sutra IV-1: Die außergewöhnlichen Kräfte (Siddhis) können von Geburt an bestehen oder durch Kräuter, Mantren, Selbstzucht/Askese oder Samadhi (tiefe Meditation) erlangt werden
Yoga Sutra IV-2: Die überfließenden Kräfte der Natur bewirken die Umwandlungen
Yoga Sutra IV-3: Das Wirken (sichtbare Ursachen, das Üben) setzt die natürlichen Abläufe nicht in Gang, es beseitigt aber die Hindernisse aus den Kanälen, ähnlich einem Bauern, der ein Hindernis entfernt und so Wasser auf seine Felder lässt
Yoga Sutra IV-4: Die Bewegungen des Geistes entstehen aufgrund des Ichgefühls
Yoga Sutra IV-5: Ein Bewusstsein/Geist lenkt die vielen geschaffenen Bewusstseine/Geister und ihre unterschiedlichen Aktivitäten
Yoga Sutra IV-6: Nur das Bewusstsein, welches aus Meditation (Dhyana) entsteht, ist frei von unbewussten Prägungen (Samskaras)
Yoga Sutra IV-7: Die Handlungen (und die Folgen daraus; Karma) eines Yogi sind weder schwarz noch weiß, für andere sind sie jedoch dreierlei Art
Yoga Sutra IV-8: Aus diesen drei Arten des Handelns (Karma) manifestieren sich [zu einem bestimmten Zeitpunkt] jene Wünsche oder Neigungen, für die günstige Bedingungen vorliegen
Yoga Sutra IV-9: Erinnerungen und unbewusste Prägungen sind einander ähnlich und überdauern Ortswechsel, Zeiten und Geburten. Darum wird jeder Wunsch bzw. jede Neigung irgendwann eine Folge haben (Karma)
Yoga Sutra IV-10: Die Wünsche und Neigungen haben keinen Anfang im Wesen, denn allein schon der Wille zu leben besteht seit ewig
Yoga Sutra IV-11: Diese (Neigungen/Wünsche) werden von vier Faktoren zusammengehalten: Ursache, Wirkung, (geistige) Stütze, (äußeres) Objekt. Verschwinden diese Faktoren, lösen sich auch die (zugehörigen) Wünsche/Neigungen auf
Yoga Sutra IV-12: Vergangenheit und Zukunft existieren (weiterhin) in ihrer eigenen Form und diese Formen haben je nach Zeit unterschiedliche Eigenschaften bzw. zeigen unterschiedliche Merkmale
Yoga Sutra IV-13: Diese (Eigenschaften/Formen) sind manifest oder subtil und bestehen aus den drei Gunas
Yoga Sutra IV-14: Die Verwirklichung und Essenz eines Objektes beruht auf dem einzigartigen Wandel der Gunas
Yoga Sutra IV-15: Das gleiche Objekt kann von zwei Menschen unterschiedlich wahrgenommen werden, abhängig von ihrem Bewusstseinszustand
Yoga Sutra IV-16: Die Existenz eines Objektes ist auch nicht davon abhängig, von einem Bewusstsein wahrgenommen zu werden. Denn was würde geschehen, wenn das Objekt nicht von diesem Bewusstsein wahrgenommen wird?
Yoga Sutra IV-17: Je nachdem, ob es unser Bewusstsein anregt (bzw. beeinflusst oder einfärbt) oder nicht, wird ein Objekt erkannt oder nicht wahrgenommen
Sutre IV-18: Herr des Geistes (Citta) ist das wahre Selbst (Purusha), es kennt infolge seiner unveränderlichen Natur immer alle Vorgänge im Geist (Citta)
Yoga Sutra IV-19: Der Geist ist nicht aus sich selbst erkennend (kann sich nicht selbst erleuchten) und kann darum als Objekt wahrgenommen werden
Yoga Sutra IV-20: Der Geist kann nicht zwei Dinge auf einmal erfassen
Yoga Sutra IV-21: Könnte ein Geist den eines anderen als wahrnehmbares Objekt erkennen, würde das zu einer endlosen Kette der Wahrnehmung einer Wahrnehmung führen und so in einer Vermischung der Erinnerungen enden
Yoga Sutra IV-22: Selbsterkenntnis tritt ein, wenn der Geist nicht mehr von Ort Ort wandert und sich selbst wahr nimmt
Yoga Sutra IV-23: Wenn der Geist in der Lage ist, den Sehenden und das Gesehene widerzuspiegeln, versteht er alles
Yoga Sutra IV-24: Obwohl der Geist von unzähligen Wünschen und Eindrücken (Vasana) geprägt ist, dient er dem wahren Selbst (Purusha), denn beide sind miteinander verbunden
Yoga Sutra IV-25: Wer den Unterschied zwischen Geist und wahrem Selbst erkannt hat, hört auf, den eigenen Geist bzw. dessen Regungen als Ich zu verstehen
Yoga Sutra IV-26: Dann neigt sich der Geist zur Unterscheidungskraft und richtet sich von selbst auf das Erreichen der Freiheit (kaivalya) aus
Yoga Sutra IV-27: Jedoch kommt es aufgrund noch vorhandener Prägungen (Samskaras) immer wieder zu andersartigen Vorstellungen und damit zu Unterbrechungen (Brüchen – chidreṣu) dieser Unterscheidungskraft
Yoga Sutra IV-28: Die allmähliche Beseitigung dieser restlichen Prägungen (Samskaras) erfolgt so, wie es für die Überwindung der Kleshas (Leiden) beschrieben wurde
Yoga Sutra IV-29: Wer den höchsten Bewusstseinszustand erlangt hat und weiterhin zu jeder Zeit seine Unterscheidungskraft beibehält und dabei frei von allen Wünschen bleibt, erlangt Dharma-Megha-Samadhi, erhält einen "Regen von Tugenden"
Yoga Sutra IV-30: Dann folgt das Ende aller Leiden und des Karma
Yoga Sutra IV-31: Mit den Ende aller Verschleierungen und Unreinheiten erlangt der Yogi unendliche Erkenntnis und alles bisher – als normaler Mensch – Gewusste wird als winzig und unbedeutend erkannt
Yoga Sutra IV-32: Dann (wenn Dharma-Megha-Samadhi erreicht wurde) enden für den Yogi die Veränderungen in der Natur durch die drei Gunas, weil diese ihren Zweck erfüllt haben
Yoga Sutra IV-33: Krama, das Kontinuum bzw. die Abfolge von Momenten und die damit verbundene Transformation, wird vom Yogi erkannt, wenn die Wandlungen der Gunas enden
Yoga Sutra IV-34: Das Ziel des Purushas, unseres wahren Selbstes, ist das Aufgehen der Gunas in die Prakriti, der Urnatur, und seine Rückkehr zu Kaivalya, der absoluten Freiheit. Purusha, ruht dann in seiner wahren Natur. Hier endet die Yogalehre – iti.

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Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 1 Yogasutra von Patanjali
Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 1 vom Yogasutras des Patanjali
Das erste Kapitel des Yogasutras von Patanjali kann als richtungsweisend für die gesamte Yogalehre gesehen werden. Dem vorbereiteten Schüler enthüllt Kapitel 1 alle Geheimnisse, die es auf dem Yogapfad zu kennen gilt. Oder erinnert ihn stets aufs neue daran.
Im Folgenden findet sich das komplette erste Kapitel des Yogasutras von Patanjali in einer knappen Zusammenfassung, die einen guten Überblick über die Kernelemente der Yogalehre von Patanjali vermittelt.
Hier weiterlesen: Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 1 Yogasutra von Patanjali
Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 2 Yogasutra von Patanjali
Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 2 des Yogasutras von Patanjali
Das zweite Kapitel des Yogasutras von Patanjali, betitelt mit Sadhana Pada (Sadhana, im Sanskrit: साधन, bedeutet "zum Ziel führend" oder "hervorbringend"), ist ein Übungsratgeber für den Weg eines Yogi zur Selbstverwirklichung. In diesem Artikel werden wir einen Überblick über die grundlegenden Prinzipien und Praktiken geben, die im Sadhana Pada beschrieben werden. Wir werden uns auf die Übungspraxis des Yogi, die Kleshas, Avidya, Anhaftung und Abneigung, Karma, Gunas, Realität, Samyoga, Unterscheidungskraft und die acht Glieder des Yoga konzentrieren. Begleite uns auf dieser Reise, um die Weisheit des Sadhana Pada zu entdecken und zu erfahren, wie du sie in deinem Leben anwenden kannst.
Hier weiterlesen: Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 2 Yogasutra von Patanjali
Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 3 Yogasutra von Patanjali
Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 3 vom Yogasutras des Patanjali: Vibhūti Pāda (Über die außergewöhnlichen Kräfte)
Viele Yoga-Praktizierende kennen die Klassiker: Atemkontrolle, Asanas, ein bisschen Meditation. Doch Patanjalis drittes Kapitel des Yogasutra – das Vibhūti Pāda – ist wie eine Schatzkarte, die oft im Schrank verstaubt. Es beschreibt nicht nur Konzentrationstechniken, sondern auch die geheimnisvollen Siddhis – geistige Kräfte, die an Science-Fiction grenzen und dennoch fest in der yogischen Tradition verankert sind.
Hier weiterlesen: Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 3 Yogasutra von Patanjali
- Das Yogasutra – jede Sutra detailliert erläutert
- Die Hatha-Yoga-Pradipika – kapitelweise zusammengefasst
- Zusammenfassung der Bhagavad-Gita
- Eine kurze Zusammenfassung der Upanishaden und des Mahabharata
- Die Mandukya Upanishad – deutsche Übertragung
- Die Gheranda Samhita – kapitelweise zusammengefasst
- Yoga in der Bhagavad Gita – die bunte Vielfalt
➔ Zu allen alten Schriften auf Yoga-Welten.de
Weitere oft aufgerufene alte Schriften
- Yoga im Mahabmarata – erste Systematik
- Goraksa-Sataka – die älteste Hatha-Abhandlung
- Brahma-Sutra Bhashya von Sankara – der Kommentar von Sankara
- Mrigendra Tantra Yoga Pada
- Die Shiva Samhita


