Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 3 vom Yogasutras des Patanjali: Vibhūti Pāda (Über die außergewöhnlichen Kräfte)

Viele Yoga-Praktizierende kennen die Klassiker: Atemkontrolle, Asanas, ein bisschen Meditation. Doch Patanjalis drittes Kapitel des Yogasutra – das Vibhūti Pāda – ist wie eine Schatzkarte, die oft im Schrank verstaubt. Es beschreibt nicht nur Konzentrationstechniken, sondern auch die geheimnisvollen Siddhis – geistige Kräfte, die an Science-Fiction grenzen und dennoch fest in der yogischen Tradition verankert sind. 

Yogasutra Kapitel 3

Inhalt: Zusammenfassung Kapitel 3 Yogasutra von Patanjali

Kurz zusammengefasst

  • Ashtanga-Yoga (achtgliedriger Pfad)
    Die letzten drei Glieder – Dharana, Dhyana und Samadhi – bilden die Basis für tiefe meditative Zustände. Patanjali beschreibt sie als innere Praktiken, die zur völligen Sammlung des Geistes führen.
  • Samyama: Dreifach-Technik der Geistesausrichtung
    Die gleichzeitige Anwendung von Konzentration, Meditation und Versenkung auf ein Objekt wird als Samyama bezeichnet. Diese Technik ist der Schlüssel zu außergewöhnlichem Wissen und besonderen Fähigkeiten.
  • Geistige Transformationen (Parinama)
    Durch wiederholte Praxis wandelt sich der Geist: von Ablenkung zu Stille, von Zerstreutheit zu Einpünktigkeit. Patanjali beschreibt drei Stufen dieser geistigen Umwandlung.
  • Siddhis: Übernatürliche Kräfte durch Meditation
    Durch Samyama auf bestimmte Objekte entstehen laut Patanjali Fähigkeiten wie Gedankenlesen, Unsichtbarkeit, Hellhören oder sogar Astralreisen. Diese Kräfte sollen aber nicht das Ziel der Praxis sein, sondern Nebenwirkungen tiefer Geisteskontrolle.
  • Sinn und Warnung vor Siddhis
    Patanjali warnt ausdrücklich davor, Siddhis als spirituelles Ziel zu missverstehen. Sie können den Weg zur Befreiung behindern, wenn sie mit Ego oder Anhaftung verknüpft werden.
  • Purusha erkennen – die wahre Freiheit
    Die klare Unterscheidung zwischen Geist und wahrem Selbst (Purusha) ist der entscheidende Schritt zur Erleuchtung (Kaivalya). Erst durch Nicht-Anhaftung, selbst an höchste Erkenntnis, wird endgültige Befreiung erreicht.

Details und Erläuterungen zu allen Punkten im weiteren Artikel.

Kontext: Die ersten beiden Kapitel im Überblick

Patanjalis Yoga-Sutra ist ein Leitfaden der Yogaphilosophie, der in vier Kapitel unterteilt ist. Im ersten Kapitel (Samadhi-Pada) beschreibt Patanjali das Ziel des Yoga und die Natur des Geistes. Dort wird Yoga gleich zu Beginn als das Zur-Ruhe-Bringen der Bewegungen des Geistes definiert – yogaḥ citta-vṛtti-nirodhaḥ. Patanjali führt aus, welche Bewusstseinszustände ein Yogi erfahren kann und welche Hindernisse auf dem Weg zur geistigen Stille auftauchen. Es geht um meditative Versenkung (Samadhi), um verschiedene Arten von Samadhi (mit und ohne Objekt), und um Voraussetzungen wie Abhyasa (beharrliches Üben) und Vairagya (Nicht-Anhaften), die den Geist klar und gesammelt machen. Dieses erste Kapitel steckt also den Rahmen ab: Der Geist soll letztlich vollkommen klar und ruhig werden, damit der Yogi seine wahre Natur erkennen kann.

Im zweiten Kapitel (Sadhana-Pada) wendet sich Patanjali dem Übungsweg zu. Hier beantwortet er die praktische Frage: Wie erreichen wir die innere Ruhe und Einheit des Geistes? Patanjali stellt die spirituelle Praxis (Sadhana) als Weg vor und erklärt zunächst das Konzept des Kriya Yoga – die Mischung aus Disziplin (Tapas), Selbstreflexion (Svadhyaya) und Hingabe an das Höchste (Ishvara-Pranidhana). Außerdem warnt er vor den Kleshas, den Ursachen von Leid (etwa Unwissenheit, Ego-Besessenheit, Anhaftung, Ablehnung und Angst), die den Geist in Unruhe versetzen.

Entscheidend ist, dass im zweiten Kapitel die praktischen Grundlagen des Yoga dargelegt werden, vor allem die ersten Stufen des sogenannten achtgliedrigen Pfades (Ashtanga Yoga). Patanjali zählt die ersten fünf Glieder auf:

  1. Yama (ethische Gebote im Umgang mit anderen, z.B. Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit),
  2. Niyama (Empfehlungen für die eigene Lebensführung, z.B. Reinlichkeit, Genügsamkeit),
  3. Asana (die Haltung, Sitz oder allgemein Körperübungen),
  4. Pranayama (Atemregulierung) und
  5. Pratyahara (das Zurückziehen der Sinne von den Objekten).

Diese vorbereitenden Schritte reinigen Körper und Geist, schaffen Disziplin und Konzentrationsfähigkeit. Am Ende des zweiten Kapitels steht der Übende also an der Schwelle zur Meditation: Er hat gelernt, den Körper stabil und bequem zu halten, den Atem zu beruhigen und die Aufmerksamkeit von äußeren Sinnesreizen abzuziehen. Damit ist der Weg frei für die letzten drei Stufen des Yoga, die nun im dritten Kapitel folgen.

Vibhuti-Pada – über innere Kräfte und höchste Konzentration

Das dritte Kapitel des Yogasutra trägt den Titel Vibhūti Pāda. Vibhuti bedeutet so viel wie Manifestation oder besondere Kraft, und tatsächlich geht es in diesem Abschnitt um die außergewöhnlichen Fähigkeiten, die ein fortgeschrittener Yogi durch intensive Praxis erlangen kann. Man spricht im Yoga von Siddhis, übernatürlich anmutenden Kräften oder Vollkommenheiten.

Dieses Kapitel beschreibt also, was als Ergebnis tiefer Meditation auftreten kann.

Doch Vorsicht: Patanjali präsentiert diese Siddhis in einem nüchternen, sachlichen Ton – fast wie ein Arzt, der Nebenwirkungen eines Medikaments aufzählt. Er erhebt sie nicht zum eigentlichen Ziel des Yoga, sondern listet sie als Begleiterscheinungen einer erfolgreichen Konzentrationspraxis auf. Für das Verständnis des Yogasutra ist es wichtig, diese Haltung im Hinterkopf zu behalten.

Ein moderner westlicher Leser mag beim Thema Gedankenlesen, Unsichtbarkeit oder Levitation zunächst skeptisch schmunzeln. Tatsächlich wurden diese Passagen der Yogaschrift lange Zeit im Westen belächelt oder ignoriert. Doch gerade Yoga-Praktizierende und Lehrende entdecken inzwischen: Das dritte Kapitel steckt voller konkreter Techniken für den Geist, Übungen zur Konzentration und Intuition, die auch ohne wörtlichen Glauben an Superkräfte äußerst wertvoll sein können.

Einige Lehrer – etwa Sukadev Bretz vom Yoga Vidya – weisen darauf hin, dass dieser Teil des Yogasutra oft stiefmütterlich behandelt wurde, obwohl er viele schöne und wirkungsvolle Methoden bereithält, um die geistigen Fähigkeiten zu schulen. Man darf das Kapitel also auch als eine Art Labor für Bewusstseinsphänomene lesen, in dem Patanjali erforscht, was der Geist kann, wenn er vollständig konzentriert ist.

Dharana, Dhyana, Samadhi – die innersten Stufen des Yoga

Patanjali eröffnet das dritte Kapitel, indem er an den achtgliedrigen Pfad anknüpft: Nachdem die äußeren fünf Stufen behandelt wurden, kommen nun die letzten drei zur Sprache. Sutra 3.1 definiert Dharana, die Konzentration: „Desha-bandhah chittasya dharana“Das Fixieren des Geistes auf einen Punkt oder ein Objekt ist Konzentration.

Damit ist gemeint, den Geist willentlich auf etwas Bestimmtes auszurichten und zu halten, seien es zum Beispiel ein Punkt im Körper, ein Mantra, ein göttliches Symbol oder auch ein Konzept. Wo Pratyahara (Stufe 5) die Aufmerksamkeit von äußeren Dingen abgezogen hat, richtet Dharana (Stufe 6) sie nun gebündelt nach innen auf ein gewähltes Objekt.

In Sutra 3.2 geht Patanjali einen Schritt weiter: Wenn die Konzentration so ununterbrochen wird, dass der Bewusstseinsstrom kontinuierlich beim Objekt verweilt, spricht man von Dhyana, Meditation. Hier fließt die Wahrnehmung ohne Ablenkung – das berühmte Bild ist der Ölstrom, ein dünner Strahl Öl, der gleichmäßig gegossen wird. In Meditation verschmilzt man noch nicht völlig mit dem Objekt, aber man hält es mühelos im Fokus, ohne dass zerstreuende Gedanken dazwischengrätschen.

Sutra 3.3 beschreibt dann die höchste Stufe, Samadhi, als Zustand, in dem das Bewusstsein von sich selbst (dem Meditierenden) und vom Vorgang der Meditation völlig zurücktritt und nur noch das essenzielle Wesen des Objekts erstrahlt. Patanjali formuliert: „tad evārtha-mātra-nirbhāsaṁ svarūpa-śūnyam iva samādhiḥ“Samadhi ist jener Zustand, in dem nur noch die Bedeutung des Objekts leuchtet und [das eigene] Wesen wie ausgelöscht ist.

Yoga Sutra III-1: Durch Ausrichtung des Geistes auf ein Objekt entsteht Konzentration (Dharana)

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Yoga Sutra III-2: Wenn die Wahrnehmung des Objektes ungebrochen fließt, ist es Dhyana (Meditation)

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Yoga Sutra III-3: Wenn das Bewusstsein von Subjekt (Meditierender) und (Meditations-)Objekt verschwindet und nur die Bedeutung wahrgenommen Objektes verbleibt, wird dies Samadhi genannt

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In Samadhi gibt es kein Ich und das Objekt mehr; die Dualität löst sich auf. Der Geist ist so tief in das Objekt eingetaucht, dass er selbst dabei völlig still und transparent wird. Man könnte sagen, der Yogi wird eins mit dem Meditationsobjekt oder erfährt dessen Essenz, ohne von den eigenen mentalen Mustern gestört zu werden.

Diese drei Stufen – Konzentration (Dharana), Meditation (Dhyana) und Versenkung (Samadhi) – werden im Yoga die inneren Glieder genannt. Patanjali selbst betont in Sutra 3.7, dass diese drei „innerlicher sind als die vorhergehenden“ Praktiken. Während Yama bis Pratyahara eher äußere oder vorbereitende Übungen sind, spielen sich Dharana, Dhyana und Samadhi vollständig im Innenleben des Yogis ab.

Allerdings schränkt Sutra 3.8 zugleich ein: „Doch auch diese drei sind immer noch äußerlich im Vergleich zum samenlosen Zustand.“ Denn das "einfache" Samadhi ist nicht der ersehnte Endzustand des Yoga. Mit dem samenlosen Zustand ist Nirbīja-Samadhi gemeint, die absolute Verwirklichung ohne irgendein Objekt oder Samen im Bewusstsein. Das heißt, selbst die subtile Verzückung, die man in Samadhi mit Objekt erlebt, ist nach Patanjali noch nicht das Ende der Reise – am Horizont wartet eine noch tiefere Erfahrung der völligen Leere oder Keimlosigkeit, in der nichts Weltliches mehr im Geist wurzelt. Dies bereitet bereits den Boden für Kapitel 4, wo es um jene endgültige Freiheit geht. Doch bleiben wir zunächst im Vibhuti-Pada.

Samyama: die gebündelte Kraft von Konzentration, Meditation und Samadhi

Nach der Definition der drei höchsten Yoga-Stufen führt Patanjali in Sutra 3.4 einen Schlüsselbegriff ein: Samyama. Er sagt: „trayam ekatra saṁyamaḥ“Die drei [oben genannten] zusammen an einem Ort (oder Objekt) angewandt, nennt man Samyama.

Yoga Sutra III-4: Die drei (Dhahrana, Dhyana, Samadhi) zusammen auf ein Objekt oder einen Ort angewendet wird Samyama genannt

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Samyama ist also die gleichzeitige und nahtlose Anwendung von Dharana, Dhyana und Samadhi auf ein Objekt. In moderner Sprache könnte man sagen: volle Konzentration, Meditation und Versenkung in einem. Es ist ein stufenloser Prozess: Der Yogi richtet den Geist aus (Dharana), hält ihn im Fluss (Dhyana) und geht völlig darin auf (Samadhi) – alles fokussiert auf ein und dasselbe Objekt.

In der Praxis gleitet ein (sehr!) geübter Yogi so schnell durch Konzentration in Meditation und tiefe Versenkung, dass die Grenzen verwischen. Samyama ist diese perfekte Verschmelzung der letzten drei Stufen zu einem kraftvollen inneren Werkzeug.

Warum ist das wichtig? Patanjali erklärt es in Sutra 3.5: „tajjayāt prajñālokaḥ“Durch die Meisterung von Samyama entsteht das Licht der Erkenntnis (Prajna). Mit anderen Worten: Wer Samyama beherrscht, erlangt Meisterschaft (Jaya) und intuitives Wissen (Prajna) über das Objekt der Betrachtung. Man könnte sagen, Samyama wirkt wie ein extrem fokussierter Scheinwerfer des Bewusstseins, der dem Yogi tiefste Einsicht in das gewählte Objekt erlaubt. So jemand entwickelt eine Art direktes Verstehen oder höheres Wissen, das über normales intellektuelles Erfassen hinausgeht. Es ist, als ob durch die völlige Einheit mit dem Objekt dessen Wissen in den Übenden übergeht, unmittelbar und klar. Patanjali spricht poetisch vom Aufleuchten des Wissens.

Allerdings betont Sutra 3.6, dass die Anwendung von Samyama „in Stufen“ erfolgt. Kein Yogi erlangt auf Knopfdruck allwissendes Verständnis – vielmehr wächst diese Fähigkeit schrittweise. Man übt Samyama zunächst vielleicht nur für kurze Momente, dann länger, auf immer subtilere Objekte, und die Resultate entfalten sich allmählich.

Yoga Sutra III-6: Der Fortschritt im Samyama erfolgt in Stufen

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Samyama ist also ein Prozess, eine Übungspraxis, die verfeinert und ausgedehnt wird. Hier klingt bereits an, dass ein gewisses Training erforderlich ist, um die weiter unten beschriebenen Fähigkeiten hervorzubringen. Der Yogi soll Samyama gezielt auf verschiedene Objekte anwenden, um bestimmte Ergebnisse oder Einsichten zu erzielen. Damit liefert das Vibhuti-Pada quasi einen Katalog von Meditationstechniken: Patanjali schlägt verschiedene Fokuspunkte für Samyama vor und beschreibt nüchtern, welche Erkenntnis oder besondere Fertigkeit daraus resultieren kann.

Bevor wir uns diesen besonderen Fähigkeiten zuwenden, macht Patanjali jedoch ein paar theoretische Angaben darüber, wie der Geist im Zustand tiefer Meditation verändert wird. Diese Stellen sind etwas abstrakt, aber wichtig, um zu verstehen, warum Siddhis überhaupt auftreten.

Verwandlungen des Geistes: Auf dem Weg zur Meisterschaft

In Sutra 3.9 beginnt Patanjali eine Beschreibung dessen, was man als Transformationsprozesse im Geist bezeichnen könnte. Er führt den Begriff Nirodha-Parinama ein – die Verwandlung hin zur Aufhebung.

Gemeint ist: Der Geist lernt, störende Gedankenimpulse immer wieder durch Stille zu ersetzen. Wenn ein flüchtiger Gedanke aufsteigt und der Yogi ihn augenblicklich in innere Ruhe überführt, hat er Nirodha-Parinama vollzogen. Patanjali beschreibt diese erste Verwandlung als das Abwechseln von auftauchenden mentalen Eindrücken und der wiederhergestellten Ruhe, wobei die Ruhe allmählich Überhand nimmt.

Einfacher gesagt: Der Yogi trainiert seinen Geist darauf, immer wieder in den Zustand der Stille zurückzukehren, bis diese Stille zur Grundstimmung wird. Dadurch „transformiert“ sich der Geist – von einem umherwandernden, zerstreuten Affen, wie es im Yoga gerne heißt, zu einem ruhigen See ohne Wellen.

Yoga Sutra III-9: Wenn die störenden Prägungen bzw. Aktivitäten des Geistes [immer wieder] durch solche der Ruhe und Sammlung ersetzt werden, transformiert der Geist zur inneren Stille (das ist Nirodha-Parinama)

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Sutra 3.10 ergänzt, dass diese Transformation zur inneren Stille durch Wiederholung schließlich zu einem ungestörten Fluss wird. Was anfangs ein ständiges Ringen mit Gedanken ist, wird mit Übung ein stetiger Zustand von Ruhe, als hätte man einen neuen Grundcharakter im Geist etabliert. In der Sprache der Sutras: Die entsprechenden Eindrücke (Sanskaras) der Ruhe werden so verstärkt, dass der Geist von sich aus ruhig fließt.

Weiter geht es in Sutra 3.11 mit dem Konzept Samadhi-Parinama, der nächsten Verwandlungsstufe. Hier sagt Patanjali: Wenn die Zerstreutheit des Geistes abnimmt und die Einpünktigkeit zunimmt, entwickelt sich Samadhi. Das beschreibt den Übergang von Konzentration (Dharana) in tatsächliche Versenkung (Dhyana und Samadhi): Je mehr der Geist einpünktig wird – ekagra heißt einspitzig –, desto häufiger und tiefer gleitet er in Samadhi-Zustände. Die zweite Verwandlung besteht also darin, dass Meditation zur Gewohnheit wird und Samadhi immer leichter zugänglich ist. Der Geist wird von Natur aus einsgerichtet und neigt nicht mehr zu den „Tausend Dingen“ gleichzeitig.

In Sutra 3.12 folgt Ekagrata-Parinama, die Verwandlung zur Einpünktigkeit. Patanjali meint hier: Der Geist erreicht eine Stabilität, in der die kommenden und gehenden Gedankeninhalte in zwei aufeinanderfolgenden Momenten identisch sind. Das klingt kryptisch, doch es soll ausdrücken: Der Geist hält einen Fokus so konsistent, dass sich von Moment zu Moment nichts mehr verändert – völlige Gleichförmigkeit der Aufmerksamkeit. Das ist ultimative Konzentration, ein Geisteszustand, der frei ist von Sprüngen oder Abschweifungen.

In solch einem Zustand tickt die Zeit subjektiv anders; manche Kommentatoren sagen, die Zeit werde gleichsam punktförmig oder verschwinde in der Einpünktigkeit. Diese Ekagrata-Parinama bildet den Gipfel der mentalen Sammlung: Der Geist ist dauerhaft im Jetzt und Hier bei einem einzigen Objekt verankert, unbeirrbar.

Warum streicht Patanjali diese geistesinternen Veränderungen so heraus?

Er will zeigen, dass ein Meister des Geistes im Grunde auch Meister der Wahrnehmung und der Realität wird.

In Sutra 3.13-3.15 erläutert er nämlich, dass durch diese inneren Wandlungen auch die Wahrnehmung der äußeren Welt transformiert wird. Ein Yogi in tiefer Versenkung erkennt die Veränderlichkeit aller Dinge mit großer Klarheit. Patanjali spricht von Veränderungen in Hinsicht auf Form, Zeit und Zustand bei den Elementen und Sinnesorganen (III.13).

Jedes Ding hat gewisse Eigenschaften und durchläuft Zeitphasen und Zustände; der Yogi durchschaut diese Prozesse. Sutra 3.14 besagt, dass alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Eigenschaften eines Objekts auf einer gemeinsamen Essenz beruhen – es gibt sozusagen einen beständigen Hintergrund, auch wenn die Erscheinungsform wechselt. Und in Sutra 3.15 lesen wir: Verschiedene Entwicklungssequenzen führen zu unterschiedlichen Veränderungen in den Dingen.

Kurz gesagt: Der Yogi begreift die Gesetzmäßigkeiten des Wandels – sowohl in seinem Geist als auch in der Materie. Diese eher philosophischen Sutras bilden die Brücke zu den Siddhis. Denn nur wer die feinen Unterschiede und Veränderungen wahrnehmen kann, ist imstande, z. B. Vergangenheit und Zukunft zu erkennen oder den Aufbau des Körpers intuitiv zu erfassen. Patanjali liefert hier also die theoretische Grundlage: Ein völlig konzentrierter Geist kann die Zusammenhänge von Zeit, Form und Zuständen durchschauen – eine Fähigkeit, die für viele außergewöhnliche Kenntnisse verantwortlich ist.

Siddhis – die “übernatürlichen” Fähigkeiten des Yogi

Nun kommt der vielleicht faszinierendste Teil des dritten Kapitels: Patanjali listet eine ganze Reihe von Siddhis auf, also besonderen Fähigkeiten, die durch Samyama erwachen sollen. Für einen modernen Leser liest sich das fast wie eine Liste yogischer Superkräfte. Doch ob man diese wörtlich nehmen möchte oder als metaphorische Beschreibungen innerer Zustände, bleibt offen – Patanjali erklärt sie jedenfalls ohne Sensationslust, als wäre es das Natürlichste der Welt.

Bereits in Sutra 3.16 heißt es: Durch Samyama auf die drei Arten der Veränderung (Form, Zeit, Zustand) erlangt man Wissen von Vergangenheit und Zukunft. Mit anderen Worten: Präkognition oder Hellsicht in Bezug auf Zeit. Ein Yogi, der wirklich tief das Prinzip des Wandels durchschaut (man könnte sagen, der die Spuren der Zeit im Jetzt erkennt), kann sehen, was war und was sein wird. Das klingt für uns unvorstellbar, doch im Kontext meint es vermutlich, dass Zeit für einen solchen Geist nicht mehr strikt linear erfahren wird – Vergangenheit und Zukunft werden als Teil des einen gegenwärtigen Geschehens wahrnehmbar.

In Sutra 3.17 geht es um Sprache: Klänge, Bedeutungen und Vorstellungen sind im normalen Hören miteinander vermischt; durch Samyama auf die Trennung dieser Ebenen versteht man die Sprachen aller Wesen. Hier beschreibt Patanjali die Fähigkeit, alle Sprachen oder Laute von Tieren zu verstehen. Dieser Siddhi setzt voraus, dass man Klang (das Wort an sich), dessen Bedeutung und die eigene mentale Interpretation auseinanderhält. Ein Yogi, der diese feinen Unterschiede wahrnimmt, soll demnach die „Sprache“ jedes Lebewesens intuitiv erfassen können – sei es das Zwitschern eines Vogels oder eine fremde menschliche Sprache. Ob man das wörtlich nimmt oder als symbolisches Hineinfühlen in die Intention hinter jedem Laut – es zeigt jedenfalls, wie tief Samyama in die Ebene der Kommunikation vordringen kann.

Mit Sutra 3.18 wird es noch persönlicher: Durch direkte Wahrnehmung der eigenen Eindrücke (Samskaras) erlangt man Wissen über frühere Leben. Hier behauptet Patanjali, der Yogi könne durch Meditation auf seine unterbewussten Prägungen Erinnerungen oder Wissen über vergangene Existenzen bekommen. In der indischen Philosophie geht man ja bekanntlich von Wiedergeburt aus; die Idee ist, dass tief im Unterbewusstsein Spuren aller Erfahrungen, auch aus früheren Geburten, gespeichert sind. Ein Yogi, der tief genug in sein Unterbewusstsein leuchtet, könnte diese verborgenen Erinnerungen ans Licht holen. Aus westlicher Sicht mag man das als Zugriff auf das Unterbewusste interpretieren – vielleicht ein Verstehen der eigenen tiefsten Antriebe und Muster, als hätte man sein „früheres Selbst“ durchschaut.

Es geht weiter mit Gedankenlesen: Sutra 3.19 sagt, Samyama auf den Geist eines anderen bringt Wissen über dessen Bewusstseinsinhalte. Hier haben wir die klassische Vorstellung, ein Yogi könne die Gedanken anderer Menschen lesen. Wichtig ist die Einschränkung direkt im Anschluss: Sutra 3.20 stellt klar, dass man dadurch nicht unbedingt das ganze Wesen oder alle verborgenen Motive der Person erkennt, da diese tieferen Aspekte nicht Gegenstand von Samyama sind. Mit anderen Worten: Ein gedankenlesender Yogi mag die augenblicklichen Gedanken eines anderen auffassen – aber die Seele oder die komplexe Persönlichkeit des Anderen bleibt ihm trotzdem ein Rätsel, sofern er sich nicht auch darauf konzentriert. Patanjali scheint hier selbst mahnend einzuschränken, dass diese Fähigkeit Grenzen hat und der Yogi bescheiden bleiben sollte.

Nun eine sehr anschauliche Siddhi: Unsichtbarkeit. In Sutra 3.21 beschreibt er: Durch Samyama auf die äußere Gestalt des Körpers und Aufhebung der Verbindung zwischen Auge und Licht wird der Körper unsichtbar.

Yoga Sutra III-21: Durch Samyama auf die Form des eigenen Körpers, kann ein Auge dessen Licht nicht mehr wahrnehmen; so entsteht die Kraft, unsichtbar zu werden

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Mit anderen Worten, ein Yogi kann sich sozusagen dem Sehsinn anderer entziehen, indem er die Erscheinung seines Körpers „ausblendet“. Wie soll man sich das vorstellen? Manche interpretieren es metaphorisch: Der Yogi verliert jede Selbstdarstellung und Ego-Ausstrahlung, so dass er einfach übersehen wird in der Welt. Andere nehmen es wörtlich als Beherrschung der Prana-Energie, sodass Licht nicht mehr reflektiert wird – quasi ein yogisches Tarnkappenfeld.

Wie auch immer: Patanjali fügt gleich hinzu (Sutra 3.22), dass nach demselben Prinzip auch andere Sinnesreize verschwinden können. Also theoretisch: durch Samyama könnte man auch unhörbar, unriechbar etc. werden, indem man jeweils die Verbindung zwischen Sinnesobjekt und Sinnesorgan kappen kann. Diese Vorstellung mutet an wie ein spiritueller Trick aus einem Fantasy-Roman – ein unsichtbarer, lautloser Yogi! Es zeigt aber letztlich die Überzeugung, dass Materie und Wahrnehmung durch Bewusstsein beeinflusst werden können, wenn dieses stark genug ist.

Eine weitere beeindruckende Fähigkeit wird in Sutra 3.23 genannt: Durch Samyama auf das eigene Karma – seien es baldige oder spätere Wirkungen – erhält man Kenntnis des Zeitpunkts des eigenen Todes. Hier geht es um Schicksalsschau. Karma wird als Geschehen gesehen, das entweder unmittelbar Früchte trägt oder erst später reift. Ein Yogi, der sein Karma durch meditative Schau erkennt, kann folglich abschätzen, wann sein aktuelles Leben enden wird (oder allgemein, welches Schicksal bevorsteht). Das klingt düster, aber man kann es auch als tiefe Intuition des Lebenslaufs verstehen – der Yogi spürt, wann seine Aufgaben erfüllt sind. Patanjali sagt sogar, das könne auch durch Wahrnehmung bestimmter Vorzeichen (Omen) geschehen. In jedem Fall betont dieser Vers die Idee, dass man mit genügend innerer Klarheit selbst so etwas Ungewisses wie den eigenen Tod vorausahnen kann.

Nicht alle Siddhis sind so dramatisch – manche klingen fast bodenständig positiv: Sutra 3.24: Samyama auf Güte, Mitgefühl oder andere Tugenden verleiht die jeweiligen Kräfte.

Yoga Sutra III-24: Durch Samyama auf die Freundlichkeit und anderen Tugenden, erhält der Yogi deren Stärke

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Hier wird vorgeschlagen, sich auf Qualitäten wie Freundlichkeit, Freude, Mitgefühl, Gelassenheit zu konzentrieren. Der Effekt: Man stärkt diese Eigenschaften in sich selbst. Das ist durchaus praktikabel und weniger mystisch – wer intensiv über Liebe meditiert, wird liebevoller handeln; wer sich auf Mitgefühl (Karuna) ausrichtet, dem wächst Mitgefühl fast natürlich im Herzen. Diese Übung kennt man auch als Bhavana oder Kultivierung positiver Gefühle. Patanjali zählt es unter Siddhis auf, vielleicht um daran zu erinnern, dass nicht nur übersinnliche Phänomene zählen, sondern auch charakterliche Veränderungen echte „Kräfte“ sind, die aus Yoga-Praxis erwachsen.

In Sutra 3.25 wird es wieder mythischer: Durch Samyama auf die Stärke von Elefanten (oder anderen Tieren) erlangt man deren Stärke. Hier klingt Patanjali wie ein Schamane: Konzentriere dich auf einen Elefanten, spüre seine Kraft – und du wirst kraftvoll wie ein Elefant. Im Prinzip besagt es: Der Yogi kann sich bestimmte Fähigkeiten von Tieren aneignen, indem er sich vollkommen auf deren Wesen konzentriert. Denkbar ist natürlich nicht nur Kraft – man könnte sich auch die Geschmeidigkeit einer Katze oder die Ausdauer eines Adlers vorstellen. In einigen spirituellen Traditionen gibt es ähnliche Ideen von Krafttieren. Patanjali nennt explizit den Elefanten, Sinnbild für enorme Stärke, also wohl beispielhaft für körperliche Kraft und Standfestigkeit.

Nach diesen eher konkreten Beispielen geht Patanjali zu etwas Abstrakterem über: Sutra 3.26: Samyama auf das innere Licht (das Wahrnehmungsleuchten) bringt Wissen über das Feine, Verborgene und Entfernte. Dies erfordert Erklärung. Das innere Licht (Pravritti-āloka) wird oft als das Licht der Wahrnehmung oder Bewusstheit gedeutet, das im Innern eines jeden Menschen scheint. Manche sagen, es sei das Licht im dritten Auge (Stirnzentrum) oder einfach die Fähigkeit des Geistes zu erleuchten. Samyama darauf gibt dem Yogi Einsicht in subtile Dinge, Dinge die zu klein, zu verborgen oder zu weit entfernt sind, um normalerweise erkannt zu werden. Man könnte hier an Hellsehen denken: der Yogigeist erfasst ferne Orte oder verborgene Aspekte der Wirklichkeit, weil er sein eigenes inneres Licht als „Scheinwerfer“ nutzt. Für unsere rationalen Köpfe vielleicht schwer zu glauben – aber man könnte es auch so verstehen, dass jemand mit höchster Intuition Dinge durchschaut, die andere übersehen, seien es winzige Details, Geheimnisse oder Zusammenhänge, die sich erst aus der Distanz ergeben.

Nun folgt eine kosmische Dimension der Meditation: Sutra 3.27 empfiehlt Samyama auf die Sonne, um Wissen über das gesamte Sonnensystem oder Universum zu erlangen. In vielen alten Kulturen gilt die Sonne als Quell allen Lebens und Symbol des kosmischen Gesetzes. Eine tiefe Meditation auf die Sonne soll dem Yogi offenbar universelles Wissen schenken – vielleicht im Sinne eines Verständnisses der Weltordnung oder der Position aller Planeten. Manche Interpretationen sagen, es gehe auch um die „innere Sonne“ im Solarplexus, aber Patanjali bleibt unspezifisch. Auf jeden Fall sprengt er hier die irdischen Grenzen und lädt dazu ein, sich mit dem gewaltigsten Objekt unseres Himmelssystems zu verbinden.

Passend dazu sagt Sutra 3.28: Durch Samyama auf den Mond erhält man Wissen um die Anordnung der Sterne. Auch hier: Der Mond, Tradition zufolge mit dem Geist und der Reflexion verbunden, führt zur Erkenntnis über das Firmament – astronomisches oder astrologisches Wissen. Es klingt, als könnten Yogis zum Astronomen werden, indem sie sich auf den Vollmond konzentrieren. Eher symbolisch könnte es heißen: Wer den Mond (Symbol des Geistes) versteht, der versteht die Rhythmen und Muster im Kosmos, die Zyklen der Sterne.

Noch ein himmlisches Objekt folgt: Sutra 3.29: Samyama auf den Polarstern bringt Wissen um die Bewegungen der Sterne. Der Polarstern (Dhruva) ist am nächtlichen Himmel der Fixpunkt, um den scheinbar alle anderen Sterne kreisen. Ein Yogi, der ihn zum Meditationsobjekt nimmt, soll die Mechanik der Himmelsbewegungen begreifen. In alter Zeit haben Seefahrer sich am Polarstern orientiert – im übertragenen Sinn könnte dieser Vers auch bedeuten: Finde einen unverrückbaren Orientierungspunkt (spirituell gesehen das Selbst), dann verstehst du das Wandelspiel der Welt darum herum.

Nachdem Patanjali uns in den Himmel geführt hat, kehrt er in den Körper zurück mit einer Reihe von körperbezogenen Siddhis: Sutra 3.30: Samyama auf das Nabelzentrum bringt Wissen um den Aufbau des Körpers. Der Nabel gilt im Yoga als Zentrum vieler Energiekanäle (Nadis). Konzentriert man sich intensiv darauf, soll man den eigenen Körper bis ins Detail begreifen – vielleicht ein intuitives Verständnis der Anatomie und Funktionen, oder gar die Fähigkeit, den Körper bewusst zu beeinflussen. Einige Texte behaupten, ein Yogi könne so Prozesse im eigenen Körper willentlich steuern, weil er jedes Organ, jede Zelle spüren und ansprechen kann.

Sutra 3.31 verspricht eine eher praktische Errungenschaft: Samyama auf die Grube des Kehlzentrums (Kehle) stillt Hunger und Durst. Im Hals, etwa an der Grube über dem Brustbein, liegt ein wichtiges Energiezentrum (Vishuddha Chakra). Wer sich darauf meditiert, soll die Bedürfnisse nach Nahrung und Wasser überwinden können – der Körper wird unabhängiger von äußeren Nahrungsreizen. Das klingt verlockend (man denke an Nie-wieder-Diät halten müssen, ein humorvoller Nebengedanke in manchem Kommentar). Aber im Ernst: Yogis berichten, dass in tiefen Meditationen das Bedürfnis nach Essen und Trinken tatsächlich stark reduziert ist. Patanjali könnte hier auch einen Weg aufzeigen, den Körperstoffwechsel zu verlangsamen oder zu kontrollieren. Für einen westlichen Geist mag das nach Fakir-Kunststück klingen, doch Fastenpraktiken in verschiedenen Traditionen deuten an, dass mit Willen und Fokus solche Effekte zumindest zeitweilig erreichbar sind.

Mit Sutra 3.32 geht es weiter zu einem mysteriösen Begriff: Kurma-Nadi. Samyama auf Kurma-Nadi bringt Festigkeit oder Stabilität. Kurma bedeutet Schildkröte, Nadi ist ein Energiekanal. Manche meinen, damit sei ein feinstofflicher Kanal in der Brust oder Kehle gemeint, andere setzen es mit der Wirbelsäule (Sushumna) gleich, der Hauptenergieachse des Körpers. Wie auch immer: Die Schildkröte symbolisiert Stabilität und Ruhe. Durch Konzentration darauf erlangt der Yogi Standfestigkeit – körperlich wie mental. Man wird unerschütterlich wie eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer zurückziehen kann. Vielleicht bedeutet es auch, man findet einen inneren Ruhepol, der einen fest verwurzelt bleiben lässt, egal welche Winde von außen wehen.

Sutra 3.33 bringt eine visionäre Komponente: Samyama auf das Licht am Scheitel (Kronenchakra) führt zur Vision der vollkommenen Wesen (Siddhas). Hier heißt es, wenn der Yogi sich aufs Licht über seinem Kopf konzentriert – oft als Hinweis auf das höchste Chakra oder eine Lichterscheinung darüber –, kann er erleuchtete Meister oder vollkommene Wesen wahrnehmen. Es klingt fast wie eine mystische Erscheinung: Der Meditierende sieht Siddhas oder Engel, die ihm erscheinen. Einige Kommentare sagen, dies öffne einen Zugang zur Weisheit der Meister – vielleicht empfängt der Yogi Inspiration oder Führung von höheren Bewusstseinsformen. Modern ausgedrückt könnte es ein tiefes Unterbewusstseins-Phänomen sein, in dem archetypische Gestalten auftauchen. Jedenfalls stellt Patanjali in Aussicht, dass an der Spitze des Kopfes ein „Lichttor“ existiert, durch das man in Kontakt mit dem höchsten Wissen oder Wesenheiten kommen kann.

In Sutra 3.34 schiebt Patanjali eine allgemeine Aussage ein, quasi ein Hinweis: „pratibhāt vā sarvam“Aus der Intuition (pratibha) entsteht Wissen über alles. Diese kurze Bemerkung sagt: Ein besonders entwickeltes Intuitionsvermögen kann an sich schon alles Wissen offenbaren. Damit fasst er die Siddhis in gewisser Weise zusammen: letztlich geht es um einen intuitiven Geist, der ohne die Schranken normaler Sinneswahrnehmung oder Logik Dinge erkennt. Es ist eine Überleitung zu den folgenden Versen, die stark mit höchster Erkenntnis und Unterscheidungskraft zu tun haben.

Yoga Sutra III-34: Intuition führt zu Wissen von allem und jedem

Zur Sutra


Ein wichtiger Siddhi, der zum Abschluss der Liste führt, ist in Sutra 3.35: Samyama auf das Herz bringt Wissen über das eigene Bewusstsein (Chitta). Das Herz steht hier symbolisch für das Innerste des Menschen, Sitz des Geistes oder auch der Seele. Durch tiefe Versenkung ins Herz kann der Yogi seine eigene Psyche völlig durchschauen. Er versteht die Natur des Geistes – wie Gedanken und Gefühle entstehen, was sein individuelles Bewusstsein ausmacht. Manche interpretieren dies so, dass der Yogi sogar die Seele (Purusha) erkennt, also sein wahres Selbst erfährt, auch wenn Purusha eigentlich jenseits des Geistes liegt. Das Herz als Objekt der Meditation soll jedenfalls die Selbsterkenntnis schlechthin fördern: Erkenne dich selbst, hier wortwörtlich umgesetzt durch Innenschau.

Mit Sutra 3.36 wird das dritte Kapitel noch einmal philosophisch: Patanjali stellt fest, dass gewöhnliche sinnliche Erfahrungen – Freude, Genuss etc. – nur dadurch entstehen, dass man Purusha (das wahre Selbst) und Sattva (den durchsichtigen Intellekt/Geist) nicht unterscheidet. Mit anderen Worten: Wir verwechseln das reine Bewusstsein mit den Spiegelungen im Geist und heften uns an die äußeren Erfahrungen (Bhoga). Durch Samyama auf das, was für den Purusha statt für das Ego von Interesse ist, erlangt man Erkenntnis des Purusha. Das klingt kompliziert, aber es ist wesentlich: Wenn der Yogi lernt, sich auf das transzendente Selbst auszurichten – anstatt auf den kleinen persönlichen Willen – gewinnt er Erkenntnis des wahren Selbst. Hier sagt Patanjali klar: Die höchste Intention der Meditation sollte sein, das Interesse des höheren Selbst zu verfolgen, nicht egoistische Ziele. Tut man das, offenbart sich einem das eigene unsterbliche Wesen (Purusha). Dieser Vers ist so bedeutend, weil er das Warum hinter all den Siddhis und Übungen beleuchtet. Alle übersinnlichen Kräfte nützen nichts, wenn sie nur dem Ego dienen. Der Yogi soll den Blick auf das Höchste gerichtet halten.

Sutra 3.37 führt das fort: Aus dieser Ausrichtung auf Purusha erwachsen intuitive Fähigkeiten des Hörens, Fühlens, Sehens, Schmeckens und Riechens. Das heißt, wer sich auf sein wahres Selbst konzentriert und nicht auf materielle Dinge, entwickelt übernatürliche Sinne – eine Art göttliches Hören, Sehen etc. Man könnte sagen, der Mensch bekommt eine feinere Wahrnehmung, wird hellsichtig, hellhörig und so weiter. Er kann Dinge wahrnehmen, die normalen Sinnen entgehen, weil sein Bewusstsein nun direkter, unmittelbarer wahrnimmt, ohne Filter. Patanjali erwähnt dies vermutlich, um zu zeigen: Die Ausrichtung auf den spirituellen Kern bringt automatisch auch diese Fähigkeiten hervor. Doch im folgenden Vers kommt der vielleicht wichtigste Warnhinweis des ganzen Kapitels.

Glaubst du, dass Meditation außergewöhnliche Fähigkeiten freisetzen kann?

 

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Versuchungen und Fallstricke auf dem Weg

Mit Sutra 3.38 schiebt Patanjali einen Wink mit dem Zaunpfahl ein: „te samādhau upasargāḥ vyutthāne siddhayaḥ“Diese Fähigkeiten sind im Zustand der Ablenkung (bzw. in normaler Geistesverfassung) außergewöhnliche Kräfte, aber im Zustand der Samadhi selbst sind sie Hindernisse.

Yoga Sutra III-38: Diese sind im normalen Leben (wenn der Geist in Bewegung ist) außergewöhnliche Kräfte, aber Hindernisse für das Erreichen von Samadhi

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Hier sagt er unmissverständlich: All die Siddhis, so beeindruckend sie scheinen mögen, sind letztlich Störfaktoren auf dem Weg zur höchsten Versenkung. Wenn der Geist nicht mehr nach außen gerichtet ist (vyutthāna bedeutet Aufstehen oder Ausströmen des Geistes), dann mögen Hellhören oder Fliegen tolle Tricks sein; aber sobald man in Samadhi sein will, sind sie nichts als Ablenkungen, die vom eigentlichen Ziel abbringen. Mit anderen Worten: Ego-Fallen. Ein Yogi könnte versucht sein, seine neuen „Superkräfte“ zu genießen, zu zeigen oder für eigene Vorteile zu nutzen – doch damit verliert er leicht den Fokus auf Befreiung. Patanjali deklariert also: Betrachtet die Siddhis als Nebenprodukte, nicht als Hauptziel. In der Tradition wird oft betont, man solle Siddhis ignorieren oder sogar vermeiden, weil sie Stolz erzeugen können und neue Bindungen.

Hast du schon einmal spirituelle Erfahrungen gemacht, die dich vom Weg abgelenkt haben?

 

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Und Bindungen gilt es zu lösen: Sutra 3.39 beschreibt eine weitere extreme Fähigkeit: Wenn die Ursachen der Bindung gelöst sind und der Yogi die feinstofflichen Kanäle kennt, kann sein Bewusstsein in den Körper eines anderen eintreten. Das ist quasi der Gipfel der Astralreise: Das Verlassen des eigenen Körpers und das Eindringen in einen fremden Körper. Hier verlässt normale Vorstellungskraft klar den Raum – ist das nun wörtlich? Könnte ein Meister also seinen Geist transferieren, einen fremden Körper „besetzen“? Oder meint es, man könne einfach weit entfernte Dinge aus der Perspektive eines anderen sehen (eine Form von Fernwahrnehmung)? Manche Leser halten solche Aussagen für später hinzugefügte Mystifikationen. Andere sagen: Es geht darum, dass der Yogi sich nicht mehr mit dem physischen Körper identifiziert; er weiß, er ist nicht diese Hülle, also kann er theoretisch überall sein. In jedem Fall unterstreicht Patanjali: Voraussetzung ist, dass alle anhaftenden Bindungen geschwächt sind. Nur ein fast erleuchteter Geist, frei von Ego und Wunsch, könnte so etwas – und vielleicht hätte so jemand gar kein Interesse daran, es zu tun, außer es dient einem höheren Zweck.

Die nächsten beiden Sutras handeln von der Kontrolle der Lebensenergien (Prana). Im Yoga spricht man von fünf Haupt-Pranas (Energie- oder Atemströmen im Körper). Udana ist der aufsteigende Energiefluss, verbunden mit der Kehle und dem Aufrichten, Samana ist die ausgleichende Energie im Verdauungsbereich, zuständig für Feuer und Balance. Patanjali sagt in Sutra 3.40: Meisterung von Udana führt dazu, dass einen weder Wasser, Schlamm noch Dornen berühren und man schwebt (Levitation). Das erinnert an Berichte von Yogis, die im Zustand tiefer Meditation barfuß über Dornen laufen oder übers Wasser gehen konnten – oder eben tatsächlich schwerelos wurden. Realistisch könnte es heißen: Wer Udana kontrolliert, hat einen so leichten, erhobenen Körper, dass er Umweltfaktoren kaum spürt und sich sehr leicht bewegen kann. Levitation ist natürlich der spektakuläre Teil – es gibt Erzählungen von meditierenden Mönchen, die ein paar Zentimeter abheben. Mag sein, dass dies als symbolisch für geistige Leichtigkeit steht – der Yogi ist innerlich so leicht, dass keine Last der Welt ihn niederdrückt und er förmlich schwebt vor Glück.

In Sutra 3.41: Meisterung von Samana bringt strahlendes inneres Feuer. Samana, der Energieaspekt, der Nahrung in Nährkraft verwandelt, wird mit dem Verdauungsfeuer und allgemeiner Vitalität assoziiert. Ein Yogi, der Samana beherrscht, entwickelt demnach ein gewaltiges inneres Leuchten, einen Ausstrahlung wie Feuer. Das könnte ganz praktisch eine unglaublich starke Verdauung und Körperwärme sein – es gibt ja die Technik Tummo, wo Yogis im Himalaya durch innere Wärme nasse Tücher trocknen können. Oder es bedeutet metaphorisch ein intensives Charisma und Energie, die vom Yogi ausgeht, eine Art Heiligenschein aus prana. Jedenfalls macht es deutlich: Selbst die physiologischen Funktionen können durch Yoga so beeinflusst werden, dass der Körper glüht vor Kraft.

Sutra 3.42 ist ein weiterer Sinnes-Siddhi: Durch Samyama auf die Beziehung zwischen Ohr und Raum (Akasha) erlangt man göttliches Hören. Hier betritt Patanjali wieder mystisches Terrain: Divya Shruti, das göttliche Gehör, bedeutet, man kann Klänge hören, die normale Ohren nicht wahrnehmen – sei es über weite Entfernungen hinweg oder auf feinstofflichen Ebenen (z.B. himmlische Musik oder die Gedanken anderer, wer weiß). Indem man versteht, wie Klang im Raum funktioniert, erschließt man sich alle Klänge. Für einen modernen Menschen könnte das heißen: absolutes Gehör, oder die Fähigkeit, Frequenzen wahrzunehmen, die sonst unhörbar sind. In traditionellen Berichten hört ein Yogi vielleicht astrale Klänge oder die OM-Schwingung im Universum.

Entsprechend heißt es in Sutra 3.43: Samyama auf die Beziehung von Körper und Raum – verbunden mit der Vorstellung von Federleichtigkeit – verleiht die Fähigkeit, sich durch den Raum zu bewegen. Kurz: Levitation oder Astralreisen. Hier wird konkret die Technik erwähnt: man meditiert auf das eigene Körper-Raum Verhältnis und kultiviert das Gefühl, so leicht wie Watte oder eine Feder zu sein. Irgendwann, so heißt es, kann man dann tatsächlich durch die Lüfte schweben oder den physischen Raum überwinden. Ob wir das als tatsächliches Fliegen verstehen oder als symbolisches Überwinden der Begrenzungen (geistige Reisen, außerkörperliche Erfahrung), bleibt jedem überlassen. Patanjali jedenfalls beschreibt es als logische Folge richtiger Konzentration – kein Hokuspokus, sondern die Endstufe der Leichtigkeit.

Yoga Sutra III-43: Samyama auf die Verbindung von Raum (Akasha) und Körper und der Vorstellung, leicht wie Baumwolle zu sein, führt zur Fähigkeit, sich frei im Raum bewegen zu können

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Sutra 3.44 geht noch weiter: Wenn der Yogi den Zustand jenseits des Körpers, der nicht mehr durch Vorstellungen begrenzt ist (Maha-Videha), dauerhaft aufrechterhalten kann, verschwindet der Schleier vor dem inneren Licht. Das heißt, bleibt man stabil in dieser außerkörperlichen Bewusstseinserfahrung, klärt sich die Sicht auf das innere Licht vollständig. Maha-Videha heißt wörtlich „große Körperlosigkeit“ – ein Samadhi-Zustand, in dem man keinerlei Körperbewusstsein mehr hat. Gelingt das, so wird laut Patanjali alle letzte Trübung entfernt und das innere Licht (das wahre Wissen, das Selbst) scheint unverhüllt. Im Grunde beschreibt er hier, wie die Astral- oder Meditationserfahrung genutzt werden kann, um zur Erleuchtung vorzudringen. Der „Schleier“ (Avarana) vor der Wahrheit wird zerrissen, wenn man es schafft, völlig körperlos zu sein im Bewusstsein, ohne Fantasiegebilde (akalpita vritti) – sprich in einem Zustand absoluter transzendenter Versenkung.

Nach diesen Höhenflügen widmet sich Sutra 3.45 noch den Elementen (Bhutas): Samyama auf die groben und feinstofflichen Formen der fünf Elemente, auf ihre gegenseitige Beziehung und Zweckmäßigkeit verleiht dem Yogi Herrschaft über die Elemente. Ein Yogi, der zum Beispiel das Erdelement in seiner Festigkeit, Feinstofflichkeit, Durchdringung und Funktion vollkommen meditativ erfasst, soll über das Erdelement gebieten können – analog mit Wasser, Feuer, Luft und Raum. Elemente beherrschen bedeutet in alten Texten typischerweise Fähigkeiten wie: schwer wie Stein oder leicht wie Luft werden, Hitze und Kälte trotzen, Wasser atmen können, etc. Im Kern steckt dahinter die Vorstellung, dass die physische Welt aus diesen fünf Elementarkräften besteht. Wer diese auf der tiefsten Ebene versteht und in seinem Bewusstsein kontrollieren kann, kontrolliert auch die physische Realität bis zu einem gewissen Grad.

Kein Wunder, dass Sutra 3.46 dann sagt: Daraus entstehen Fähigkeiten wie Anima etc., und Vollkommenheit des Körpers – Unversehrtheit gegenüber alle Eigenschaften. Anima ist die klassische Yogakraft, sich so klein wie ein Atom zu machen. Zu den anderen aus Schriften bekannten Siddhis zählen Mahima (riesengroß werden), Garima (schwer wie ein Berg werden), Laghima (federleicht werden), Prapti (alles erreichen, überallhin gelangen), Prakamya (Wünsche sofort manifestieren), Ishita (Herrschaft über Naturkräfte) und Vashita (andere beeinflussen oder unterwerfen). Patanjali erspart uns die Aufzählung, sagt aber „Anima-adi“, also Anima und die anderen. Außerdem resultieren Kaya-sampat, Vollkommenheiten des Körpers: Der Körper wird vollkommen gesund, schön, kraftvoll und unverwundbar. Er kann von nichts mehr zerstört oder behindert werden (wie er es formuliert: nicht mehr behindert durch die Eigenschaften der Natur). Dieser Vers liest sich wie der Höhepunkt: Der Yogi wird quasi ein Übermensch mit einem strahlenden, diamantenen Körper. Sutra 3.47 konkretisiert: Vollendung des Körpers zeigt sich in Schönheit, Grazie, Kraft und der Härte eines Diamanten. Ein wahrlich ideales Bild: makellose Schönheit, perfekte Stärke und unzerstörbare Robustheit. Es scheint, als würde hier das Endstadium eines durchgeistigten Körpers beschrieben – eine Verkörperung der spirituellen Entwicklung.

Bevor das aber in völlige Fantasterei abgleitet, lenkt Patanjali zurück zu den Sinnen und dem Geist: Sutra 3.48: Samyama auf die Sinnesprozesse – auf das, was wahrgenommen wird, auf die Eigenart der Wahrnehmung, auf das Ego dahinter und auf die Verbindung all dessen – führt zur Herrschaft über die Sinne. Das bedeutet, der Yogi analysiert meditativ: Was passiert beim Sehen, Hören, Fühlen etc.? Wer bin „ich“ der Wahrnehmende? Wie verbinden sich Sinnesorgan, Objekt und der mentale Eindruck? Durch diese tiefe Innenschau der Wahrnehmung erlangt man Meisterschaft über die Sinnesorgane. Praktisch heißt das: Die Sinne gehorchen dem Yogi, nicht umgekehrt. Sutra 3.49 erklärt die Folgen: Dadurch erhält man Schnelligkeit des Geistes, Wahrnehmung ohne Sinnesorgane und Herrschaft über die Urnatur (Prakriti). Der Geist wird so flink, dass er überall hin folgen kann (man könnte sagen Telepathie oder Gedankenschnelle). Und der Yogi kann wahrnehmen, ohne auf Augen, Ohren etc. angewiesen zu sein – er hat sozusagen direkte Wahrnehmung an jedem Ort, vielleicht ein Hinweis auf so etwas wie Allgegenwart des Bewusstseins. „Herrschaft über Prakriti“ bedeutet, die Naturgesetze sind für ihn durchschaubar und formbar; er hat die Wurzel der Natur gemeistert. In Summe: der Yogi wird hier zum nahezu allmächtigen, allwissenden Wesen stilisiert. Und genau an diesem kritischen Punkt setzt Patanjali den allerletzten Dämpfer.

Auf der Schwelle zur Befreiung

Sutra 3.50 fasst zusammen: Nur durch die Erkenntnis der völligen Verschiedenheit von Sattva (dem höchsten Aspekt des Geistes) und Purusha (dem Selbst) erlangt man Oberhoheit über alle Existenzformen und Allwissenheit.

Yoga Sutra III-50: Durch tiefgehendes Erkennen des Unterschiedes zwischen Sattwa (reine und lichtvolle Geist) und Purusha (dem wahren Selbst) erlangt der Yogi Allmacht (Oberhoheit über alle Wesen) und Allwissenheit

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Mit anderen Worten: Nicht die Siddhis an sich, sondern die höchste Unterscheidungskraft – die Fähigkeit, klar zwischen dem wahren Selbst und allem Nicht-Selbst zu unterscheiden – macht einen Yogi tatsächlich allmächtig und allwissend im Sinne der Yogaphilosophie. Das klingt paradox: Erst wenn du erkennst, dass dein wahres Selbst eigentlich nichts von all dem ist (weder der Handelnde noch der Erfahrende in der Welt), erst dann wird dir sozusagen alles zu Füßen liegen. Diese Unterscheidung heißt Viveka-Khyati, das höchstentwickelte Erkenntnislicht der Unterscheidung. Erreicht ein Yogi das, hat er das letzte Tor vor der Befreiung (Kaivalya) in der Hand.

Doch Patanjali, vorsichtig bis zum Schluss, mahnt in Sutra 3.51: Wenn selbst an diese höchste Allwissenheit und Allmacht keine Anhaftung mehr besteht, wird jeder letzte Keim des Unheils zerstört und es folgt Kaivalya, die absolute Befreiung. Dieser Vers bringt es auf den Punkt: Selbst die Verlockung, ein allwissender, gottgleicher Meister zu sein, muss losgelassen werden. Es reicht nicht, alle Wunderkräfte zu haben – man darf sich auch nichts daraus machen. Nur völlige Nicht-Anhaftung (Vairagya), sogar an das Erhabenste, bricht den letzten Samen der Ich-Verhaftung entzwei. Die Folge ist Kaivalya, der isolierte Zustand des Purusha, frei und unabhängig von aller Materie. Ein Yogi, der so weit gekommen ist, hat alle Bindungen, alle Ego-Samen ausgerottet. Was bleibt, ist reines Sein, vollkommene Freiheit.

In einem weiteren Hinweis, Sutra 3.52, warnt Patanjali noch vor subtilem Stolperdraht: Wenn himmlische Wesen (Engel, Götter) kommen und den Yogi einladen oder loben, soll er weder Freude noch Stolz aufkommen lassen, denn sonst entstehen neue unerwünschte Anhaftungen. Man stelle sich vor: Der Meditierende hat solche Fortschritte gemacht, dass sogar die Devas applaudieren – eine letzte Prüfung des Egos! Patanjali sagt im Grunde: Ignoriere auch das. Lass dich nicht vom Himmel persönlich auf die Schulter klopfen, denn Selbstgefälligkeit oder Sehnsucht danach könnte dich zurückwerfen. Diese bildhafte Mahnung können wir auch auf weltliche Versuchungen beziehen: Wer besondere Fähigkeiten erlangt – seien es übersinnliche oder einfach charismatische –, wird vielleicht Bewunderer und Angebote erhalten. Patanjali rät dringend, nicht eitel oder selbstgefällig zu werden. Demut und Gleichmut sind bis zum Ende gefragt.

Die letzten Verse des dritten Kapitels, Sutra 3.53 bis 3.56, beschreiben schließlich den Zustand höchster Erkenntnis. Durch Samyama auf die feinsten Augenblicke der Zeit und deren Folge erlangt der Yogi ein Wissen, das aus Unterscheidungskraft geboren ist (III.53). Das heißt, er kann selbst scheinbar Gleiches bis ins Detail unterscheiden – nichts bleibt unverstanden. In Sutra 3.54 wird gesagt: Diese geschärfte Viveka-Kraft erlaubt es, zwei Dinge auseinanderzuhalten, selbst wenn sie in Art, Merkmal und Ort identisch scheinen. Der Yogi durchdringt also die Essenz so klar, dass ihn keine Täuschung durch Ähnlichkeiten mehr irreführt. Das ist die ultimative Durchschaubarkeit der Welt. Sutra 3.55 beschreibt dieses Wissen als „tārakaṁ sarva-viṣayaṁ sarvathā-viṣayam akramam ceti“ – ein Wissen, das alles zum Objekt hat, in jeder Hinsicht, und das ohne Abfolge ist – mit anderen Worten: Allumfassendes, zeitloses Wissen, das einen ans andere Ufer bringt (tāraka = hinüberführend, erleuchtend). Der Yogi erkennt die Gesamtheit der Existenz in einem einzigen, ganzheitlichen Blick, jenseits von Zeit und Raum. Das ist sozusagen die Erleuchtungsbeschreibung: ein Bewusstsein, das vollständig klar ist. Und Sutra 3.56, der letzte Vers dieses Kapitels, schließt ab: Wenn der Geist (Sattva) die gleiche Reinheit erreicht hat wie der Purusha, dann ist Kaivalya erreicht. Hier trifft sich alles: Der Geist spiegelt das Selbst vollkommen rein, keine Verzerrung, keine Färbung mehr. Das ist der Moment der Vollendung im Yoga – das Ziel aller Bemühungen.

Nach dieser Reise durch Konzentration, Meditation, mystische Fähigkeiten und höchste Erkenntnis bleibt festzuhalten: Patanjalis drittes Kapitel führt durch Höhen und Tiefen der Yogapraxis. Es zeigt, was möglich sein soll, wenn der Geist absolut beherrscht wird, und es gibt gleichzeitig Anweisungen, wie man damit umgehen sollte – nämlich gelassen und unbeeindruckt, immer das eigentliche Ziel im Blick: die innere Freiheit.

Interessante Anmerkungen zum dritten Kapitel

  • Von: Deshpande/Bäumer
    Die Siddhis im dritten Kapitel werden nicht durch Anstrengung des Yogis erreicht, noch nicht einmal Samadhi. Göttliche Gnade muss hinzuommen, wie in Sutra I-23 bis I-29 beschrieben. Sogar die Konzentration muss spontan erfolgen. “Der Yogi tut es nicht: Es geschieht.” Darum seien alle Siddhis “Ereignisse”, keine individuellen Schöpfungen.
  • Von: Sukadev
    Gerade die Verse des dritten Kapitels werden sehr unterschiedlich interpretiert.
  • Von: Wim van den Dungen
    Diese allgemeinen Leistungen, zu denen auch Hellsichtigkeit, Telekinese, erhöhtes Verständnis von Texten, anderen Geistern, Telekinese usw. gehören, verstärken die Kraft der Yogas. Diese Kunststücke werden niemals zur Schau gestellt, es sei denn, das Mitgefühl zwingt dazu.
  • Von: Desikachar
    Desikachar betont, dass Wissen und Erkenntnisse, die mit den beschriebenen Siddhis erworben werden können, von einer höheren Dimension seien als solche Erkenntnisse, die ohne Meditationspraxis erworben werden können. Trotzdem kann dieses Wissen oder Erkennen zu einer “Quelle der Ablenkung und innerer Unruhe” werden, was zu “Überheblichkeiten und Anhanftungen” führe, die zum “größten Hindernis” für das Erreichen des “Zustand des Seins” werden können.
  • Von: Rainbowbody
    Das Vibhuti-Kapitel legt viel Wert auf die kombinierte Anstrengung des sechsten (Dharana), siebten (Dhyana) und achten (Samadhi) Glied des Ashtanga-Yoga, die, wenn sie alle auf einmal angewendet wird, wird die dreifache Prozess der Samyama genannt. Dies wiederum führt zu verschiedenen Vollkommenheiten, Fähigkeiten, Meisterschaften und überpersönlichen Bewusstseinszuständen, die als Siddhis bezeichnet werden. Im Vibhuti Pada wird auch die Anwendung der drei großen Parinama (Transformationen) als Vorläufer von Samyama beschrieben, ebenso wie viele andere Praktiken und charakteristische Zustände der spirituellen Erlangung.

Ausblick auf Kapitel 4: Kaivalya – die endgültige Befreiung

Im vierten und letzten Kapitel des Yoga-Sutra, dem Kaivalya-Pada, richtet Patanjali den Fokus ganz auf diese endgültige Befreiung (Kaivalya bedeutet wörtlich Alleinsein oder Losgelöstheit im Sinne der absoluten Autonomie des Geistes). Nachdem Kapitel 3 die Ergebnisse intensiver Praxis aufgezeigt hat, fragt Kapitel 4: Wie bleibt dieser höchste Zustand dauerhaft erhalten? Patanjali erörtert dort die Natur des Geistes und des Bewusstseins, und wie es kommt, dass trotz aller Erkenntnis manchmal doch noch ein Ego-Gefühl auftaucht. Er beschreibt etwa, dass Siddhis nicht nur durch Samyama entstehen können, sondern auch auf anderen Wegen – zum Beispiel durch Geburt, Drogen oder Mantras – allerdings ohne die Gewissheit der Befreiung. Er erklärt die Dynamik der Eindrücke (Vasanas) und wie neue mentale Konstrukte vermieden werden, sobald alte Muster vergehen. Kurz gesagt, das vierte Kapitel klärt die letzten philosophischen Feinheiten: wie der Geist in den Zustand der Isolation des Purusha übergeht, wie die Gunas (die Urqualitäten der Natur) sich letztlich auflösen, wenn sie dem Purusha nicht mehr dienen, und woran man einen vollkommen befreiten Menschen erkennt. Es ist ein anspruchsvolles Kapitel, das deutlich macht, dass Erleuchtung kein temporärer Höhenflug sein darf, sondern ein unumkehrbarer Wandel der ganzen Persönlichkeit. Patanjali definiert die Merkmale dieses befreiten Zustands – ein Bewusstsein, das ohne Identifikation, ohne Wünsche und ohne Leiden existiert, in ewiger Freiheit und Frieden.

Damit schließt das Yogasutra den Bogen: Vom unruhigen Geist voller Gedankenwellen (Kapitel 1) über disziplinierte Praxis und moralische Fundamente (Kapitel 2) hin zu außergewöhnlichen Fähigkeiten und tiefer Versenkung (Kapitel 3) – und schließlich zu dem, was alle Yogawege anstreben: die endgültige Befreiung des Geistes von allen Begrenzungen (Kapitel 4).

Dass Patanjali diese Reise mit so viel Klarheit, Strenge, aber auch Staunen schildert, macht das Yoga-Sutra zu einem einzigartigen Dokument. Gerade im Zeitalter von allgegenwärtigem Wissen und vielleicht auch allgegenwärtiger künstlicher Intelligenz bleibt die Essenz aktuell: Nicht das Sammeln von Tricks oder Informationen macht uns frei, sondern die Veränderung unseres Bewusstseins und das Loslassen jeder Anhaftung – selbst an die großartigsten Fähigkeiten. Diese zeitlose Lehre behält ihre Berechtigung, weil sie den Menschen in seiner tiefsten inneren Möglichkeit anspricht: über sich selbst hinauszuwachsen und die höchste Wahrheit in sich zu entdecken. Und das kann keine Maschine der Welt uns abnehmen.

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Alle Sutras des 3. Kapitels

Hinweis: Nach dem Klick auf die Sutra gelangst du zu Alternativübersetzungen und Erläuterungen zur jeweiligen Sutra.

Yoga Sutra III-1: Durch Ausrichtung des Geistes auf ein Objekt entsteht Konzentration (Dharana)

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Yoga Sutra III-2: Wenn die Wahrnehmung des Objektes ungebrochen fließt, ist es Dhyana (Meditation)

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Yoga Sutra III-3: Wenn das Bewusstsein von Subjekt (Meditierender) und (Meditations-)Objekt verschwindet und nur die Bedeutung wahrgenommen Objektes verbleibt, wird dies Samadhi genannt

Zur Sutra


Yoga Sutra III-4: Die drei (Dhahrana, Dhyana, Samadhi) zusammen auf ein Objekt oder einen Ort angewendet wird Samyama genannt

Zur Sutra


Yoga Sutra III-5: Aus der Meisterung von Samyama entsteht vollkommenes Wissen über das Wahrgenommene

Zur Sutra


Yoga Sutra III-6: Der Fortschritt im Samyama erfolgt in Stufen

Zur Sutra


Yoga Sutra III-7: Gegenüber den vorhergehenden Gliedern des achtgliedigen Pfades (Yama, Niyama, Pranayama, Asana, Pratyahara) sind diese drei (Dharana, Dhyana, Samadhi) innerlicher

Zur Sutra


Yoga Sutra III-8: Doch auch diese drei [Dharana, Dhyana, Samadhi] sind äußerlich [verglichen] mit dem samanlosen Zustand [Nirbija]

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Yoga Sutra III-9: Wenn die störenden Prägungen bzw. Aktivitäten des Geistes [immer wieder] durch solche der Ruhe und Sammlung ersetzt werden, transformiert der Geist zur inneren Stille (das ist Nirodha-Parinama)

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Yoga Sutra III-10: Die Transformation zur inneren Stille (Nirodha–Parinama) wird durch Wiederholung zu einem ungestörten Fluss

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Yoga Sutra III-11: Wenn die Ablenkungen des Geistes abnehmen und die einpünktige Konzentration zunimmt, entwickelt sich Samadhi

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Yoga Sutra III-12: Die dritte Verwandlung: ekagrata-parinama. Ekagrata (Einpünktigkeit der Konzentration) tritt ein, wenn die kommenden und gehenden wandelbaren Inhalte des Geistes in zwei Zeitpunkten gleich sind.

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Yoga Sutra III-13: Durch die transformierenden Prozesse erklären sich die Veränderungen in der Form, der Zeit und dem Zustand der Elemente und der Sinnesorgane

Zur Sutra


Yoga Sutra III-14: Frühere (śānta), momentane (udita) und zukünftige (avyapadeśya) Eigenheiten bzw. Beschaffenheiten (dharma) eines Objektes basieren auf einem grundlegenden Eigenschaftsträger (dharmin)

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Yoga Sutra III-15: Veränderungen in der Abfolge sind die Ursache für die Verschiedenheit der Verwandlung der Dinge

Zur Sutra


Yoga Sutra III-16: Mit Anwendung von Samyama auf die drei Arten der Veränderung (Form, Zeit und Zustand) wird Wissen um Vergangenheit und Zukunft erlangt

Zur Sutra


Yoga Sutra III-17: Klang, Vorstellung und Bedeutungen überlagern sich, wenn wir etwas hören. Das verwirrt den Geist. Mit Samyama auf die Trennung dieser Drei versteht der Yogi die Sprachen aller Wesen

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Yoga Sutra III-18: Durch die direkte Wahrnehmung unbewusster Prägungen (Samskaras) entsteht Wissen über vorige Leben

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Yoga Sutra III-19: Durch Samyama auf den Geist eines Menschen erkennt der Yogi dessen Gedanken

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Yoga Sutra III-20: Aber wir erkennen durch Samyama nicht die ganze Natur eines Menschen, denn diese ist kein Objekt, das sich beobachten lässt

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Yoga Sutra III-21: Durch Samyama auf die Form des eigenen Körpers, kann ein Auge dessen Licht nicht mehr wahrnehmen; so entsteht die Kraft, unsichtbar zu werden

Zur Sutra


Yoga Sutra III-22: Auf dieselbe Weise lässt sich auch das Verschwinden von Tönen und anderen [Sinneseindrücken] erklären

Zur Sutra


Yoga Sutra III-23: Die Folgen einer Handlung (Karma) zeigen sich entweder sofort oder ruhen erst und zeigen sich später. Samyama über das eigene Karma führt zur Vorahnung des Zeitpunktes des eigenen Todes.

Zur Sutra


Yoga Sutra III-24: Durch Samyama auf die Freundlichkeit und anderen Tugenden, erhält der Yogi deren Stärke

Zur Sutra


Yoga Sutra III-25: Durch Samyama auf die Kräfte eines Elefanten [oder anderer Tiere], bekommt der Yogi dessen Stärke

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Yoga Sutra III-26: Samyama auf die Quelle des inneren Lichts führt zu Wissen über Subtiles, Verborgenes und Fernes

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Yoga Sutra III-27: Samyama auf die Sonne führt zu Wissen über das Universum

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Yoga Sutra III-28: Indem man Samyama auf den Mond ausführt, erlangt man Wissen von der Ordnung der Sterne

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Yoga Sutra III-29: Durch Samyama auf den Polarstern erlangt der Yogi Wissen um die Bewegungen der Sterne

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Yoga Sutra III-30: Samyama auf das Nabel-Chakra führt zu Wissen über den Aufbau des eigenen Körpers

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Yoga Sutra III-31: Samyama auf die Höhle der Kehle beendet Hunger und Durst

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Yoga Sutra III-32: Samyama auf Kurma-Nadi (Sushumna, Energie der Wirbelsäule) führt zu Festigkeit

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Yoga Sutra III-33: Samyama auf das Licht am Scheitel führt zu Visionen von vollkommenen Siddhas (Meistern)

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Yoga Sutra III-34: Intuition führt zu Wissen von allem und jedem

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Yoga Sutra III-35: Samyama auf das Herz führt zum Verstehen unseres Geistes

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Yoga Sutra III-36: Weltliche Erfahrungen wie Vergnügen und Genuss beruhen (nur) auf der fehlenden Unterscheidung zwischen dem wahren Selbst (Purusha) und dem eigenen (reinen/sattvigen) Intellekt (Buddhi).

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Yoga Sutra III-37: Von Samyama auf Purusha entstehen intuitives Wissen, Hören, Sehen, Schmecken und Riechen

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Yoga Sutra III-38: Diese sind im normalen Leben (wenn der Geist in Bewegung ist) außergewöhnliche Kräfte, aber Hindernisse für das Erreichen von Samadhi

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Yoga Sutra III-39: Werden die Ursachen des Gebundenseins aufgehoben, kann der Yogi durch das Wissen um die Durchgänge in den Körper eines anderen eintreten

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Yoga Sutra III-40: Durch Beherrschung von Udana (aufsteigender Atem/Prana) kann der Yogi schweben und wird nicht von Nässe, Schmutz oder Dornen berührt

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Yoga Sutra III-41: Durch Beherrschung von Samana (verbindender Atem/Prana) erlangt der Yogi inneres Feuer

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Yoga Sutra III-42: Samyama auf die Beziehung zwischen Hören und Raum führt zu gottgleichem Hören

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Yoga Sutra III-43: Samyama auf die Verbindung von Raum (Akasha) und Körper und der Vorstellung, leicht wie Baumwolle zu sein, führt zur Fähigkeit, sich frei im Raum bewegen zu können

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Yoga Sutra III-44: Wenn dieser reale Geisteszustand außerhalb [des Körpers] beibehalten wird (auch Maha-Videha oder große Körperlosigkeit genannt) löst sich der Schleier über dem inneren Licht auf

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Yoga Sutra III-45: Durch Samyama auf die Elemente – ihre groben, feinstofflichen, essentiellen Zustände, ihre Beziehungen und ihren Zweck – erlangt der Yogi Herrschaft über die Elemente

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Yoga Sutra III-46: Daraus [aus der Beherrschung der Elemente] entspringen die Kraft der Verkleinerung usw. sowie die Vollkommenheit und Unverwundbarkeit (wörtlich: Nichtbehinderung in Bezug auf die Eigenschaften) des Körpers

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Yoga Sutra III-47: Vollkommenheit des Körpers zeigt sich in Schönheit, Anmut, Kraft und Festigkeit wie Diamant

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Yoga Sutra III-48: Samyama auf den Wahrnehmungsprozess der Sinnesorgane, ihre Eigennatur, ihre Verbindung zu unserem Ego, ihre Wechselwirkung untereinander und ihren Zweck führt zum Sieg über die Sinne

Zur Sutra


Yoga Sutra III-49: Daraus [aus der Beherrschung der Sinne] folgt die Schnelligkeit des Geistes, Wahrnehmung unabhängig von den körperlichen Sinnesorganen und Beherrschung/Meisterschaft der Urnatur

Zur Sutra


Yoga Sutra III-50: Durch tiefgehendes Erkennen des Unterschiedes zwischen Sattwa (reine und lichtvolle Geist) und Purusha (dem wahren Selbst) erlangt der Yogi Allmacht (Oberhoheit über alle Wesen) und Allwissenheit

Zur Sutra


Yoga Sutra III-51: Wenn ein Yogi auch an diese (Allmacht, Allwissenheit …) nicht anhaftet wird der letzte Samen des Bösen zerstört und vollständige Befreiung (Kaivalya) erlangt

Zur Sutra


Yoga Sutra III-52: Wenn himmliche Wesen ihn einladen, soll der Yogi weder Freude noch Stolz darüber empfinden, da es dadurch erneut zu ungewollter Anhaftung kommt

Zur Sutra


Yoga Sutra III-53: Durch Samyama auf den Augenblick und die Abfolge von Augenblicken erlangt der Yogi jenes Wissen, das auf der so gewonnenen Unterscheidungskraft beruht

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Yoga Sutra III-54: Diese gesteigerte Unterscheidungskraft befähigt den Yogi, Unterschiede zwischen zwei ähnlichen Dingen zu erkennen, auch wenn diese sich nicht durch Art, Merkmale oder Ort unterscheiden

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Yoga Sutra III-55: Das Wissen der höchsten Unterscheidungskraft befähigt den Yogi, alle Dinge in Raum und Zeit gleichzeitig ganzheitlich in voller Transzendenz zu erfassen

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Yoga Sutra III-56: Wenn der Geist so rein (Sattva) wird wie das wahre Selbst (Seele, Purusha), erreicht der Yogi Befreiung (Kaivalya, Vollendung im Yoga)

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Interne Meldung: Artikel mit der ID 1971 hat nicht state = 1

Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 1 Yogasutra von Patanjali

Zusammenfassung Kapitel 1 Yoga Sutra

Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 1 vom Yogasutras des Patanjali

Das erste Kapitel des Yogasutras von Patanjali kann als richtungsweisend für die gesamte Yogalehre gesehen werden. Dem vorbereiteten Schüler enthüllt Kapitel 1 alle Geheimnisse, die es auf dem Yogapfad zu kennen gilt. Oder erinnert ihn stets aufs neue daran.

Im Folgenden findet sich das komplette erste Kapitel des Yogasutras von Patanjali in einer knappen Zusammenfassung, die einen guten Überblick über die Kernelemente der Yogalehre von Patanjali vermittelt.

Hier weiterlesen: Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 1 Yogasutra von Patanjali


Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 2 Yogasutra von Patanjali

Yogasutra Kapitel 2

Zusammenfassung und Erläuterungen zu Kapitel 2 des Yogasutras von Patanjali

 Das zweite Kapitel des Yogasutras von Patanjali, betitelt mit Sadhana Pada (Sadhana, im Sanskrit: साधन, bedeutet "zum Ziel führend" oder "hervorbringend"), ist ein Übungsratgeber für den Weg eines Yogi zur Selbstverwirklichung. In diesem Artikel werden wir einen Überblick über die grundlegenden Prinzipien und Praktiken geben, die im Sadhana Pada beschrieben werden. Wir werden uns auf die Übungspraxis des Yogi, die Kleshas, Avidya, Anhaftung und Abneigung, Karma, Gunas, Realität, Samyoga, Unterscheidungskraft und die acht Glieder des Yoga konzentrieren. Begleite uns auf dieser Reise, um die Weisheit des Sadhana Pada zu entdecken und zu erfahren, wie du sie in deinem Leben anwenden kannst.

Hier weiterlesen: Zusammenfassung & Erläuterungen Kapitel 2 Yogasutra von Patanjali


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Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach. Zum Yoga hat in seiner Studienzeit in Hamburg gefunden, seine ersten Lehrer waren Hubi und Clive Sheridan.

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